Die Energieprivatisierungen Tschechiens

Von Rudi Herman

Rechtzeitig zu Weihnachten hat sich die Regierung ein kleines Geschenk bereitet, wenn man denn die Summe von 145 Milliarden Kronen, umgerechnet etwa 4 Milliarden Euro, als klein bezeichnen kann. Und ein Geschenk ist es, bei Lichte betrachtet, eigentlich auch nicht, denn es handelt sich um den Erlös aus dem Verkauf von zwei bedeutenden Energiegesellschaften. Die eine davon, die den Löwenanteil einbrachte, ist Transgas, die zweite die Unipetrol-Holding. Ein dritter beabsichtigter Verkauf im Energiebereich kam hingegen nicht zustande und steht deshalb in wenigen Tagen erneut an, hier geht es um die staatliche Stromgesellschaft CEZ. Bei den drei Privatisierungen handelt es sich zusammengenommen um die mit Abstand grösste Entstaatlichungsaktion in der Geschichte der Tschechischen Republik, Grund genug für uns, in den folgenden Minuten einen Blick darauf zu werfen. Wir wünschen guten Empfang.


Die Favoriten hatten es beim dreifachen Privatisierungsprojekt für die Energiebereiche Gas, Öl und Strom schwer. Keines der Unternehmen, die als heisseste Tips für die grösste Entstaatlichungsaktion in der Geschichte der Tschechischen Republik gehandelt wurden, ging aus der Ausmarchung als Sieger hervor. Überraschend, aber am wenigsten umstritten war der Entscheid der Regierung, der deutschen Gesellschaft RWE Gas die tschechische Gasindustrie, das heisst die Gesellschaft Transgas einschliesslich Anteile an angegliederten Distributionsgesellschaften, zu verkaufen. RWE bot dafür den mit deutlichem Abstand höchsten Preis, nämlich umgerechnet rund 133 Milliarden Kronen. Dieses Angebot lag sogar über den Erwartungen der Regierung und der Marktanalytiker. Entscheidungsschwierigkeiten hatte es für das Kabinett von Ministerpräsident Zeman keine gegeben, denn das Angebot von RWE war das letztlich das einzige, das alle von der Regierung gestellten Forderungen erfüllte. Im Rennen waren ursprünglich auch ein deutsch-französisches Konsortium aus Ruhrgas und Gaz de France sowie ein deutsch-amerikanisches Konsortium aus E.On und Duke Energy gewesen.

Für RWE, einen der europaweit grössten Energiekonzerne, öffnet sich mit dem Zuschlag von Transgas der Zugang zu den russischen Gasfeldern über ein Pipelinesystem, über das gegenwärtig rund 20 % aller russischen Gasexporte nach Westeuropa fliessen. RWE rechnet nach Angaben in der tschechischen Presse damit, dass nach dem Zusammenschluss mit Transgas jährliche Einsparungen in der Grössenordnung von 3 Milliarden Kronen möglich sein werden und dass die Invesititon in die tschechische Gasindustrie bis im Jahr 2007 amortisiert sein könnte. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die unterlegenen Interessenten für die tschechische Gasindustrie hier nicht einen Strich durch die Rechnung machen könnten. Schon im Vorfeld der Privatisierung kursierten Gerüchte, dass die mächtigen Spieler auf dem europäischen Gasmarkt, und dazu gehört auch der russische Gigant Gazprom, die Transitroute durch Tschechien schwächen könnten, sollte ihnen das als angezeigt erscheinen.


Lag das Angebot von RWE für die Gasindustrie über den Erwartungen, so traf im Bereich der Privatisierung der Stromwirtschaft das Gegenteil ein. Hier stand die staatlich dominierte Produktionsgesellschaft CEZ zum Verkauf, ebenfalls samt Anteilen an regionalen Distributionsgesellschaften. Das einzige regulär eingegangene Angebot, eingereicht von der italienischen Gesellschaft ENEL, belief sich auf 135 Milliarden Kronen und lag damit deutlich unter dem von der Regierung angepeilten Niveau. Die Gesellschaft Electricité de France EdF, die im Vorfeld der Stromprivatisierung als Hauptfavorit genannt worden war, hatte ihr Angebot verspätet eingereicht, weshalb es nicht berücksichtigt wurde. EdF erhält aber wohl eine zweite Chance, denn die Regierung hat den Entscheid für die Stromprivatisierung auf den 7. Januar 2002 vertagt und soll dem Vernehmen nach als Mindestangebot 200 Milliarden Kronen verlangen. Im Gegensatz zur Regierung zeigten sich unabhängige Analytiker allerdings weniger überrascht von der Tatsache, dass das Angebot von Enel deutlich tiefer ausfiel, als man sich das in den Regierungsämtern mit einem Preisrahmen von 200 bis 300 Milliarden Kronen erhofft hatte. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Privatisierung an Bedingungen geknüpft sein, beispielsweise eine Abnahmeverpflichtung für ein gewisses Volumen tschechischer Kohle. Zum Verkauf stand, drittens, der staatliche Ölkonzern Unipetrol. Hier spielte der angebotene Preis überraschend nicht die Hauptrolle, denn den Zuschlag erhielt die tschechische Agrofert-Gruppe des Unternehmers Andrej Babis, die hierzulande über mehrere Unternehmen schon im Chemie- und Agrochemiebereich engagiert ist und die in letzter Minute ihr Angebot durch die amerikanische Ölgesellschaft Conoco absichern lassen konnte. Agrofert hatte 11.75 Milliarden Kronen geboten und damit knapp 3 Milliarden weniger als die britische Firma Rotch, die allerdings in der Branche noch über wenig Erfahrungen verfügt. Gemäss Verlautbarungen von Regierungsvertretern war hier das entscheidende Moment, dass man in Agrofert einen strategischen Partner, in Rotch hingegen eher einen Makler erblickte und Fehler, die vor einigen Jahren beim letztlich nicht sehr glücklichen Engagement der japanischen Investmentbank Nomura bei der tschechischen Investicni a postovni Banka IPB vermeiden wollte.


Drei Privatisierungen, drei überraschende Ergebnisse: Dies provozierte auch Kommentare, dass nicht alles so transparent abgelaufen sei, wie es bei einer Entstaatlichungsaktion solchen Ausmasses hätte ablaufen sollen. Die Zeitung Mlada Fronta dnes etwa ging mit der Regierung schwer ins Gericht. In ihrem Kommentar hiess es:

Die Regierung hat von Anfang an schlecht gemacht, was schlecht gemacht werden konnte. Die Beratungsfirmen für den Verkauf wurden ohne Wettbewerb ausgewählt, angeblich aus Zeitmangel. Den Interessenten wurde wenig Zeit gegeben, sich mit den zum Verkauf stehenden Firmen bekannt zu machen. Angeblich aus Zeitmangel, weil ja schliesslich noch vor den Wahlen, von dieser Regierung privatisiert werden soll. Es wäre entschieden besser, wenn die strategischen Unternehmen jemand anders als das gegenwärtige Kabinett verkaufen würde, das die Privatisierungsverträge mit unsinnigen Forderungen durchsetzt hat. CEZ und Unipetrol wurden als Einheiten angeboten, obwohl Teilverkäufe mehr abgeworfen hätten. Der Käufer von CEZ muss sich wiederum zu sinnloser Abnahme von Braunkohle verpflichten. Wer gegenüber den angebotenen Bedingungen Vorbehalte hatte, wurde aus dem Rennen geworfen. Doch auch hier wird mit zweierlei Elle gemessen: EdF ist trotz Protesten im Rennen geblieben. Ist das nicht verdächtig?

Auch die Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny stellte die Frage, wem der Aufschub für die Privatisierung der Elektroenergetik nützen solle. Hier zitieren wir folgende Passagen aus dem Kommentar:

Ministerpräsident Zeman liess die Investoren wissen, Tschechien sei keine Bananenrepublik. So gross ist die Enttäuschung darüber, dass statt der erwarteten 300 Milliarden Kronen für CEZ, die Transmissionsgesellschaft sowie die sechs Distributionsfirmen nur 135 Milliarden angeboten wurden. Nur 14 Tage Aufschub werden allerdings den Preis kaum in die erwünschte Höhe treiben. Dafür entsteht Raum für Spekulationen. Unter den Investoren fehlte Electricite de France, hinter vorgehaltener Hand als Favorit bezeichnet. Die Franzosen erhalten eine zweite Chance. Vielleicht hatten aber die Recht, die vom Verfahren zurücktraten, noch bevor es begonnen hatten, mit dem Hinweis auf ungleiche Chancen respektive Bevorteilung von Electricite de France. Wenn jetzt wenigstens ein neues Auswahlverfahren ausgeschrieben würde, sähe das nach aussen besser aus. Indes, was würde sich ändern, wenn das Prinzip das gleiche bliebe?

Mit dieser Frage der Zeitung Hospodarske noviny zur Privatisierung der Elektroenergetik schliessen wir die heutige Sendung; des Rätsels Lösung soll schon in wenigen Tagen bekannt sein.

Autor: Rudi Hermann
abspielen