Die Fronten verhärten sich im Borkenkäfer-Streit

Foto: Rafal Konieczny, Creative Commons 3.0

Soll man ihn gewähren lassen oder ihn ausrotten? Die Rede ist vom Borkenkäfer, der seit den durch die Stürme „Kyrill“ und „Emma“ verursachten Schäden in weiten Teilen Tschechiens sein Unwesen treibt. Und die Frage, wie man den gefräßigen schwarzen Käfern begegnen soll, spaltet die tschechische Politik. Im Mittelpunkt dabei steht der Nationalpark Šumava / Böhmerwald. Und die Töne in der öffentlichen Diskussion werden zunehmend schriller.

Vor etwas mehr als einer Woche berief der südböhmische Kreishauptmann Jiří Zimola in Budweis / České Budějovice eine Pressekonferenz ein. Am Sonntag, wohl gemerkt. Die Dringlichkeit des Problems gebiete dies, rechtfertigte der sozialdemokratische Lokalpolitiker den ungewöhnlichen Termin.

„Ich fordere die Erstellung eines Krisenplans. Ohne einen solchen Plan gelingt es uns nicht, gegen den Borkenkäfer im Böhmerwald zu kämpfen. Sollte dieser Plan allerdings nicht zu Stande kommen, dann bin ich bereit, von meinem Recht als Kreishauptmann Gebrauch zu machen und den Katastrophenzustand auszurufen. Danach kann ich Sofortmaßnahmen anordnen. Zum Beispiel auch die Rodung von betroffenen Waldabschnitten.“

Umweltminister Ladislav Miko verspricht ein gemeinsames Vorgehen in der Borkenkäfer-Frage. Für die starken Worte aus Südböhmen hat er aber wenig Verständnis:

„Ich denke, das ist ein klassischer Fall von Wahlkampf-Rhetorik. Ich habe mit dem Herrn Kreishauptmann gesprochen und ihm versichert, dass wir ein umfassendes Konzept zur Lösung der Borkenkäferfrage ausgearbeitet haben. Ich bin natürlich bereit, über alle diese Dinge zu verhandeln. Aber ich will mich nicht durch irgendwelche Ultimaten oder Krisenstäbe unter Druck setzen lassen. Das lehne ich entschieden ab.“

Prominente Unterstützung bekam Kreishauptmann Zimola indes von Staatspräsident Václav Klaus. Am vergangenen Donnerstag war er in Budweis zu Besuch und ließ es sich nicht nehmen, als erster die von Zimola initiierte Petition zur Rettung des Böhmerwaldes zu unterzeichnen.

„Das, was hier geschieht und was unsere Grünen und ihre Verbündeten im Umweltministerium betreiben, ist für mich inakzeptabel. Ich denke, es ist die Aufgabe jedes vernünftigen Menschen, sich dagegen zu wehren. Nicht nur hier in Südböhmen. Die Ausrufung des Katastrophenzustandes wäre eine Möglichkeit, um die meiner Meinung nach dringend nötigen Maßnahmen rasch umzusetzen.“

Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, hat Kreishauptmann Zimola eine Expertengruppe einberufen, die den Zustand des Böhmerwaldes untersucht hat. Die Fachleute kamen zum Ergebnis, dass dringend etwas getan werden müsse, auch in den so genannten ‚Nichteingriffs-Zonen’ des Nationalparks, in denen der Wald völlig sich selbst überlassen wird. Denn von dort aus breite sich der Borkenkäfer ungehindert in die umliegenden Gebiete aus und schädige den Wald.

Nationalparkverwaltung und Umweltministerium hingegen betonen, man habe die Situation unter Kontrolle, und gegen die Ausbreitung des Käfers in den Wirtschaftswald habe man entsprechende Schutzzonen eingerichtet.

Foto: Rafal Konieczny,  Creative Commons 3.0
„Die von Kreishauptmann Zimola einberufene Expertengruppe ist nicht unabhängig. Alle zwölf Mitglieder sind Forstwirtschafts-Ingenieure. Und zwar aus jener Gruppe der Forstwirtschafter, die seit Jahren alles kritisieren, was im Nationalpark bei der Borkenkäferbekämpfung anders gemacht wird, als in den wirtschaftlich genutzten Wäldern“, kritisiert Umweltminister Ladislav Miko. In seiner Ansicht bestätigt wird er durch Karl Sinner, den Leiter des unmittelbar an den Böhmerwald grenzenden Nationalparks Bayerischer Wald:

Šumava / Böhmerwald  (Foto: Barbora Kmentová)
„Ich fühle mich fast wie zuhause, wenn ich mir die Diskussion hier bei Ihnen anhöre. In meiner nunmehr zwölfjährigen Amtszeit im Bayerischen Wald haben wir jetzt das dritte internationale Borkenkäfer-Symposium durchgeführt. Die Ergebnisse aller drei Tagungen sind identisch: Der Borkenkäfer ist ein Problem der Forstwirtschaft und kein Problem des Waldes.“

Natürlich hätten sich auch bei ihm Nationalparkbesucher über die kahlen, abgestorbenen Bäume beschwert, sagt Sinner. Dennoch weite man die ‚Nichteingriffs-Zonen’ weiter aus. Zurzeit werden bereits 51 Prozent des Bayerischen Waldes sich selbst überlassen. Bis zum Jahr 2027 soll der Nationalpark völlig interventionsfrei werden. Auch der ehemalige tschechische Umweltminister Martin Bursík arbeitete intensiv an einer Ausdehnung der Nationalpark-Schutzzone, die jegliche Eingriffe verbietet:

„Der Borkenkäfer ist Teil des Ökosystems Wald. Unsere Geduld hat sich bezahlt gemacht: Jeder, der sich die Mühe macht, in den Nationalpark zu gehen, wird bemerken, dass sich der Wald dort rasch selbst erneuert. Und zwar viel effizienter, als in den 1980er-Jahren, als man alles abgeholzt und neue Monokulturen gesät hat.“

Der bayerische Nationalparkdirektor bestätigt diese Sichtweise aus eigener Erfahrung:

„Die Flächen, an die ich bei meinem Amtsbeginn 1998 von vielen Menschen aus der Region, von Politikern hingeführt worden bin, um mir zu zeigen, dass der Wald verloren ist, zu denen führt mich heute niemand mehr hin, weil dort Wald existiert. Und heute haben wir bereits die ersten Anfragen von Touristikern aus den Gemeinden, ob wir denn nicht ein paar der schönen Ausblicke, die in den letzten zehn Jahren zugewachsen sind, künstlich offen halten können“, so Karl Sinner vergangenen Mittwoch auf einer Pressekonferenz im tschechischen Umweltministerium.

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