Tschechische Wälder in schlechtestem Zustand innerhalb Europas – neues Forschungsinstitut eröffnet

Šumava

Wer durch Tschechien wandert oder fährt, sieht sie allenthalben: kahle Hänge mit ein paar Baumleichen. Das Land hat stark unter der Borkenkäferplage gelitten, deren Ursachen im Klimawandel zu finden sind. Nun beschäftigt sich ein neues Forschungszentrum an der Agraruniversität in Prag mit der Entwicklung der Wälder hierzulande und mit möglichen Lösungen für eine Gesundung des Bestands.

Šumava | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Es steht nicht gut um die Wälder in Tschechien. Tomáš Hlásny leitet an der Tschechischen Agraruniversität das Zentrum zur Erforschung der Risiken für Wälder. Die Einrichtung ist Ende März neu entstanden.

„Es ist eine Katastrophe. Die Tschechische Republik ist derzeit der Mittelpunkt der geschädigten Wälder in Europa. Damit hängt vor allem die Borkenkäferplage zusammen, die 2018 begann. Hierzulande wurden 100 Millionen Kubikmeter Holz vernichtet. Im europäischen Maßstab ist das eine unglaubliche Zahl“, so Forstökologe Hlásny in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks.

Hauptprobleme sind der Klimawandel und die mangelnde Artenvielfalt in den Wäldern hierzulande:

„Zu der Borkenkäferplage kam es vor allem infolge der Trockenheit, wobei die Durchschnittstemperatur hierzulande bereits um anderthalb Grad Celsius angestiegen ist und noch weiter ansteigen wird. Die Aussichten sind also nicht gut. Und leider wurde bisher fast auf nur eine Art gesetzt, und zwar auf die Fichte. Vor Beginn der Plage machte sie 52 Prozent des gesamten Baumbestandes im Land aus. Zugleich ist Tschechien relativ niedrig gelegen, es gibt keine Hochgebirge, in denen Fichten natürlicherweise vorkommen.“

Foto: Hana Slavická,  Radio Prague International

Die Fichten wurden hierzulande – wie anderswo in Mitteleuropa – vor allem gepflanzt, weil sie schnell wachsen und so als Wirtschaftsbäume attraktiv sind. Doch vor dem Hintergrund des Klimawandels rächt sich das derzeit. Am neuen Forschungszentrum der Agraruniversität in Prag beschäftigt man sich mit den gesamten Folgen der Erderwärmung für die Wälder. Tomáš Hlásny erläutert:

„Das sind neben den Schädlingen vor allem Waldbrände, aber auch Phänomene wie Tornados, die es früher hierzulande nur selten gab. Hinzu kommen fremde Pflanzenkrankheiten und Schädlinge, die durch den globalisierten Handel mit Pflanzen in Böhmen und Mähren einziehen. Und da wirkt wiederum der Klimawandel begünstigend, weil er die Ausbreitung der neuen Krankheiten und Schädlinge fördert.“

Manche Krankheiten und Schädlinge gelangen etwa ins Land, weil in Parks und Gärten Hölzer aus anderen Teilen der Welt gezüchtet werden. Am Forschungszentrum dreht man daher den Spieß um und will mit assistierter Migration den tschechischen Wäldern helfen.

In einem Forstbereich nahe der Stadt Třebíč / Trebitsch auf der Böhmisch-Mährischen Höhe testen die Wissenschaftler zusammen mit Forstwirten fremde Baumarten auf ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber den Einflüssen des Klimawandels. František Holenka vom staatlichen Forstbetrieb Lesy ČR leitet die dortige Zucht:

Foto: Lucie Hochmanová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks

„Wir haben hier etwa 40 importierte Baumarten wie etwa Himalaya-Zeder, Libanon-Zeder, Aleppo-Kiefer oder Pyrenäen-Eiche, aber auch den Riesenmammutbaum. Wir wollen eben in Tschechien auch auf diese Weise auf den Klimawandel vorbereitet sein.“

Tomáš Hlásny spricht in diesem Zusammenhang von einem sehr wichtigen Schritt auf dem Weg zu klimaresistenteren Wäldern in Tschechien…

„Die Experimente sind so angelegt, dass sie uns helfen zu verstehen, wie sich welche Bäume hierzulande verhalten werden. Da geht es zudem um die Frage, ob mit ihnen neue Schädlinge hierherkommen. Und natürlich wollen wir ihre wirtschaftliche Produktivität prüfen. Es handelt sich auf jeden Fall um eine sehr interessante Sache“, so der Wissenschaftler.

Auch diese Erkenntnisse helfen den Experten am neuen Forschungszentrum bei ihrer Hauptaufgabe. Denn sie sollen Strategien formulieren, wie die Wälder und die Forstwirtschaft in Tschechien an den Klimawandel angepasst werden können.

Illustrationsfoto: Hana Slavická,  Radio Prague International
schlüsselwort:
abspielen