Die Glocken von Zlonice: Auf den Spuren von Antonín Dvořák

Foto: Autorin

Für Musik-Begeisterte sind sie ein Begriff: die Zlonicer Glocken. Denn so hat Antonín Dvořák seine erste Symphonie in c-moll bezeichnet. Im Ort Zlonice lernte der junge Dvořák vom dortigen Kantor viel über die Musik. Und den Akkord der dortigen Glocken hatte der später berühmte Komponist wahrscheinlich nie vergessen.

Das Städtchen Zlonice liegt etwa 60 Kilometer nordwestlich von Prag, unweit der Stadt Slaný. Wenn der Bus aus Slaný sich Zlonice nähert, dann sieht man schon von Weitem die Türme der prunkvollen Barockkirche. Die Kirche ist ein Werk von František Maxmilián Kaňka. Früher hat man sie Kilian Ignaz Dientzenhofer zugeschrieben, und diese Angabe findet man auch heute noch in einigen Reiseführern. Das einzige Barockgebäude, das hier von Dientzenhofer stammt, ist die weniger auffällige Dekanei. Dies bestätigte auch mein Begleiter durch Zlonice, Jan Tůma, der sich um die Dvořák-Gedenkstätte kümmert. Die Gedenkstätte wurde vor mehr als 50 Jahren im ehemaligen Spital unweit der Barockkirche eingerichtet. Jan Tůma ist Geschichts- und Musiklehrer und befasst sich mit der Kulturgeschichte der Region. In Zlonice herrschte schon immer ein reges Musikleben. Jan Tůma:

Zlonice | Foto:  Martina Schneibergová,  Radio Prague International
„Die zwei bedeutendsten Adeligenfamilien, die mit Zlonice verbunden sind, sind die Valkouns von Adlar und die Kinskýs, die sich beide um das Musikleben im Ort verdient gemacht haben.“

Zlonice | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International
Der Organist von Zlonice Antonín Liehmann besaß einen großen Einfluss auf den künstlerischen Weg von Antonín Dvořák. Dvořák war wahrscheinlich als Zwölfjähriger nach Zlonice gekommen, seine Eltern zogen erst zwei Jahre später, im Jahre 1855 hierher. Der spätere Komponist war vor allem dank Kantor Liehmann ein fleißiger Musikschüler. Viele Jahre später hat er seinen Lehrer folgendermaßen charakterisiert:

„Liehmann war ein guter Musiker, aber er war jähzornig und lehrte noch nach der alten Methode: Wenn ich etwas nicht spielen konnte, bekam ich so viele Rippenstöße wie auf dem Papier Noten waren. Die Harmonie kannte Liehmann gut – es versteht sich von selbst, dass man damals einen anderen Begriff von der Harmonie hatte als wir heute.“

So erinnerte sich Antonín Dvořák an seinen Musiklehrer aus Zlonice. 1857 erfüllte sich Dvořáks Traum, als er an der Organistenschule in Prag angenommen wurde. Zlonice hat er dann immer wieder besucht, und seinen Lehrer und vor allem die Glocken von Zlonice vergaß er nie.

Die Symphonie c-moll – Dvořák nannte sein Werk „Zlonicer Glocken“. Die Symphonie beendete der Komponist zwar schon 1865, sie wurde aber erst 1923 wieder gefunden. Kann man heute eigentlich noch die Glocken von Zlonice hören? Jan Tůma:

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„Mit den Glocken sieht es heutzutage nicht gut aus. Die Glocken, die Antonín Dvořák gehört hat, wurden während des Ersten Weltkriegs eingeschmolzen, um Metall zu gewinnen. Dann gelang, es neue Glocken zu besorgen, aber diese hatten während des Zweiten Weltkriegs dasselbe Schicksal. Nach der Wende wurde zwar eine Spendensammlung für neue Kirchenglocken gestartet, aber bis heute gibt es in der Kirche keine Glocken. Einige Bruchteile und Splitter von den ursprünglichen Glocken haben wir in unserer Dvořák-Gedenkstätte aufbewahrt. Diese Fragmente sind erhalten geblieben, als die Glocken eingeschmolzen wurden.“

Auf dem Hügel neben der Hauptstraße, die nach Slaný führt, befindet sich die Antonín-Dvořák-Gedenkstätte. Sie wurde 1954 eröffnet:

Zlonice | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International
„Das Gebäude wurde unter den Kinskýs als Spital erbaut. Heutzutage würden wir aber diese Einrichtung eher als Seniorenheim bezeichnen. Anstelle des heutigen Saals gab es hier damals sechs Kammern auf der einen Seite und sechs Kammern auf der anderen Seite, wo ausgediente Beamten der Familie Kinský wohnen konnten. Diesem Zweck diente das Haus Jahre lang. Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Heim aufgelöst. Danach wurde hier eine Altstoffsammelstelle eingerichtet. Das Gebäude verfiel und befand sich in einem erbärmlichen Zustand. Die Gemeinde beschloss, es abzureißen. Dazu kam es aber nicht 1951 entstand zum Glück der Verein für die Landeskunde der Region von Zlonice (Vlastivědný kroužek Zlonicka). Diesem Verein ist es gelungen, das historische Haus in Stand zu setzen.“

erzählt Jan Tůma. Es klingt unglaublich, dass während des Kommunismus, wo alles dem Staat gehörte und vom Staat verwaltet wurde, eine solche Gedenkstätte in der Trägerschaft eines Vereins sein konnte. Zudem erfreuten sich Dvořáks Werke nicht gerade der Gunst der offiziellen kommunistischen Kulturträger. Denn es war bekannt, dass der Komponist ein tief gläubiger Mensch gewesen war. Der Zlonicer Verein sowie das kleine Dvořák-Museum haben die kommunistischen Zeiten jedoch überlebt. Jan Tůma:

„Wir waren Jahre lang fast eine illegale Organisation, aber niemand hat uns die unerwünschte Aufmerksamkeit geschenkt. Erst später hat die Gemeinde die Gedenkstätte offiziell übernommen, und bis heute ist dieses Museum in der Trägerschaft der Gemeinde.“

Zlonice | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International
Im Haus, wo einst die ausgedienten Beamten der Familie Kinský wohnten, gibt es heutzutage einen Ausstellungs- und Zeremoniensaal. Hier erinnert vieles an die Geschichte der Region, aber auch an die Musiktradition von Zlonice. Außer Antonín Dvořák waren in Zlonice schließlich auch solche Persönlichkeiten wie der Bariton Josef Lev tätig. Lev hatte seine Erfolge in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts:

„Ein großer Bewunderer von Levs Stimme war Bedřich Smetana, der für ihn einige Opernrollen geschrieben hat. Unter den Exponaten findet man beispielsweise einen Originalbrief von Dichter Jan Neruda an Josef Lev. Die beiden waren befreundet. Von den anderen Musikern, die mit Zlonice verbunden sind, möchte ich noch an den Chorleiter und großen Kenner der Kirchenmusik, an Antonín Wolf erinnern. Er war in Zlonice ab 1887 ein halbes Jahrhundert lang tätig.“

Die Führung durch Zlonice werden wir in der nächsten Ausgabe des Reiselands fortsetzen.

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