Die Glocken von Zlonice: Auf den Spuren von Antonín Dvořák (II)

Foto: Autorin

In der Antonín-Dvořák-Gedenkstätte findet man bei weitem nicht nur Dokumente über die Beziehung des weltberühmten Komponisten zu Zlonice, sondern ein Teil der Ausstellung ist der Geschichte der Gemeinde gewidmet.

Das hiesige Gebiet war bereits in prähistorischer Zeit besiedelt, erzählt der Leiter der Gedenkstätte Jan Tůma. Die ältesten archäologischen Funde aus der Umgebung von Zlonice stammen aus der Jungsteinzeit. Die ersten Funde, über die es genauere Informationen gibt, wurden in den Jahren 1879 und 1880 auf dem Herrenfeld unweit der ehemaligen Zuckerfabrik von Zlonice gemacht. Von dem Material, das hier im Zusammenhang mit der früher im Ort sehr verbreiteten Ziegelproduktion gefunden wurde, kann man jedoch nur noch einen kleinen Teil bewundern. Museumsleiter Jan Tůma dazu:

„Leider wurden die Gegenstände in einer Zeit gefunden, wo man den Funden keine besondere Bedeutung beigemessen hat. Aus dem Grund wurden sie nicht präzise bezeichnet, und wir wissen heute nicht mehr, woher einige der Gegenstände stammen. Einige Bruchstücke davon sind hier im Museum ausgestellt. Ein Teil der Funde wird im Museum in Slaný aufbewahrt, ein anderer Teil in Prag, und einige Exponate aus Zlonice befinden sich sogar im Naturhistorischen Museum in Wien.“

Kirche von Zlonice | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International
Auch wenn Zlonice heute nur etwas mehr als 2000 Einwohner hat, gibt es hier trotzdem ein verhältnismäßig reges Kulturleben. In der Vergangenheit haben im Ort zahlreiche Vereine und Gesangschöre gewirkt. Zlonice kann sich zudem mit einem Lokalschriftsteller rühmen. Der hiesige Schmied Valerián Pejša hat die Legenden gesammelt, die mit der Region verbunden sind, und sie niedergeschrieben. Am bekanntesten davon sei, so Jan Tůma, die Geschichte über das Geheimnis der Kirchengruft:

„Es war zu der Zeit, als hier die Adelsfamilie Valkoun lebte. Als Bohuchval Bernard Valkoun starb, sollte er in der Familiengruft, die sich in der Kirche befand, bestattet werden. Seine Frau Maxmiliana Elisabeth ist aus tiefer Trauer in Ohnmacht gefallen und man dachte, dass sie auch gestorben sei. So wurde die arme Adelige neben ihrem verstorbenen Gatten begraben. Nach einigen Stunden ist sie erwacht, sie kroch aus dem Sarg und begab sich auf die Treppe zum Ausgang aus der Krypta. Der Ausgang wurde jedoch nach der Bestattung zugemauert. Sie soll um Hilfe gerufen haben, aber die Leute oben in der Kirche haben gemeint, dass es die Rufe der Seelen im Fegefeuer seien und niemand hat der Eingemauerten geholfen. Das hat sich noch in der alten Kirche zugetragen. Erst danach ist die große Barockkirche erbaut worden. Als man mit dem Bau der neuen Kirche begann, musste man die Krypta öffnen. Und erst dann hat man auf der Eingangstreppe ein Skelett gefunden. Der Sarg, in dem Maxmiliana bestattet wurde, war jedoch leer. Wir sind heute der Meinung, dass es sich genauso abgespielt haben könnte, wie es die Legende erzählt.“

Zlonice | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International
Viele der Gegenstände, die in der Antonín-Dvořák-Gedenkstätte zu sehen sind, hat der Sohn des Komponisten, Otakar Dvořák, dem Museum in Zlonice geschenkt. Besichtigen kann man beispielsweise eine Truhe aus Ebenholz, die der Komponist und seine Frau vom bekannten Kunstmäzen Josef Hlávka zur silbernen Hochzeit bekommen hatten. An Zlonice erinnert ein anderes Exponat, sagt der Museumsleiter:

„Dies ist ein Halstuch, dass Antonín Dvořák seiner ersten Liebe Terinka Liehmannová geschickt hat. Sie war die Tochter seines Musiklehrers hier in Zlonice. Des Weiteren hier ausgestellt ist ein wertvolles Musiklehrbuch, in dem man einige von Dvořáks Notizen findet. Diese Sachen sowie einige Dokumente hat uns Dvořáks Sohn Otakar geschenkt, als er 1961 die Gedenkstätte besucht hat.“

Zlonice | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International
In einem Dvořák-Museum können natürlich Bücher über den Komponisten als auch Noten nicht fehlen; die Sinfonie in c-moll – die „Zlonitzer Glocken“ genannt wird, ist auch dabei. Jan Tůma:

„Der Opus ´Die Glocken von Zlonice´ hatte ein bewegtes Schicksal. Dvořák beendete das Werk 1865 und schickte es zu einem Musikwettbewerb nach Leipzig. Dort ist die Komposition damals verloren gegangen. Viel später hat ein gewisser Herr Dvořák, der mit dem Komponisten aber nicht verwandt war, die Noten in einem Antiquariat gekauft. Zum ersten Mal wurde die Sinfonie 1936 in Brünn gespielt – also 32 Jahre nach Dvořáks Tod. Und es hat noch lange gedauert, bevor die ´Glocken von Zlonice´ auch in Zlonice erklangen: Das Werk wurde in der hiesigen Kirche erst im Jahre 2005 gespielt.“

Zlonice | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International
Zlonice, wo Dvořák einen Teil seiner Jugend verbracht hat, taucht nicht nur im Namen seiner ersten Sinfonie auf, sondern auch in der Oper „Der Jakobiner“. Dvořák selbst sagte, er habe die Oper geschrieben, um sich eine Freude zu machen, da er darin in seine Jugend zurückkehrt. Im Libretto ist über eine Kirche mit einem breiten Treppenhaus und einem Schloss dahinter die Rede. Das erinnert klar an Zlonice. In der Oper tauchen mehrere Personen auf, die ihre Vorbilder in den Bewohnern von Zlonice haben. Sie heißen jedoch anders, sagt Jan Tůma:

„Die einzige Person, die genauso wie in der damaligen Wirklichkeit heißt, ist Terinka. In der Oper ist es die Tochter des Lehrers Benda. Die Inspiration durch Dvořáks Lehrer Liehmann ist klar. Der Komponist hat die Familie Liehmann jedoch in die Familie Benda umbenannt.“

Eine Vorstellung darüber, wie es beim Lehrer Liehmann zu Dvořáks Zeiten ausgesehen haben könnte, kann man sich im Häuschen mit dem Namen „varhaníkovna“ – zu Deutsch etwa das "Organistenhaus" – machen. Denn in diesem Häuschen, das neben dem ehemaligen Spitalgebäude steht, hat Dvořáks Lehrer mit seiner Familie gewohnt.

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