Die langanhaltende Krise der tschechischen Sozialdemokraten

Obwohl Tschechiens Sozialdemokraten vor fast einem Jahr als klare Sieger aus den Parlamentswahlen hervorgingen, schlittern sie seither von einer Krise in die andere. Über die Gründe erfahren Sie Näheres von Robert Schuster in einer weiteren Folge unserer Sendereihe Schauplatz.

Jaroslav Tvrdik,  Foto: CTK
Würde man jenes Sprichwort wörtlich nehmen, wonach die besten Mitglieder der Besatzung als erste das sinkende Schiff verlassen, müsste man zum Schluss kommen, dass es um die stärkste tschechische Regierungspartei, die Sozialdemokraten (CSSD), gegenwärtig nicht besonders gut bestellt ist. Anlass zu dieser Annahme gibt der unerwartete Rücktritt von Verteidigungsminister Jaroslav Tvrdik am Freitag vorvergangener Woche. Tvrdik gehörte seit langem zu den angesehensten und populärsten Regierungsmitgliedern. Schon die Begleitumstände der Demission - am frühen Morgen bestätigte der Minister seinen Rückzug, gegen Mittag des selben Tages wiederrief er ihn, um einige Stunden später endgültig zu gehen und der Politik völlig entnervt den Rücken zu kehren - waren laut einigen Beobachtern symptomatisch für die Situation, in der sich die ganze sozialdemokratische Partei befindet.

Über die Ursachen, warum die tschechischen Sozialdemokraten gegenwärtig von Krise zu Krise stolpern, wird in den tschechischen Medien schon seit langem heftigst spekuliert. Dabei hat die Partei vor fast auf den Tag genau einem Jahr einen klaren Wahlsieg erringen können. Dennoch ist es ihr seither nie so richtig gelungen, auf einen grünen Ast zu kommen. Warum eigentlich nicht? Das fragte Radio Prag den Politikwissenschaftler Ladislav Cabada von der Westböhmischen Universität in Pilsen. Cabada meint, dass man eine Erklärung dafür in der jüngsten Vergangenheit der Partei suchen muss:

Sozialdemokraten
Seit längerem droht jedoch den Sozialdemokraten auch Gefahr von außen, jedoch nicht von der Opposition, sondern aus dem Regierungslager. In der kleinsten Regierungspartei, der liberalen Freiheitsunion, wird schon lange überlegt, die Koalition mit den ungeliebten Sozialdemokraten zu verlassen. Der richtige Zeitpunkt dafür könnte schon bald kommen, nämlich nach dem bevorstehenden tschechischen EU-Referendum. Die Freiheitsunion, die sich stets als klar pro-europäisch bekannte, könnte in Versuchung geraten, bei einem Erfolg des Referendums sozusagen die Dividende dafür zu kassieren und einen Neustart in der Opposition zu versuchen - nicht zuletzt auch um die unaufhaltsam nach unten zeigenden Umfragewerte aufzufangen. Somit stellt sich die etwas provokante Frage, ob es angesichts der Schwächen im Regierungslager die gegenwärtige tschechische Regierung nach dem kommenden Sommer noch geben wird? Ladislav Cabada meint zu den möglichen Szenarien im folgenden:

Nichtsdestotrotz scheinen sich zumindest Teile der beiden Parteien in den vergangenen Wochen angenähert zu haben. Nicht zuletzt die aus sozialdemokratischer Sicht völlig schief gelaufene Präsidentenwahl, bei der die Kommunisten eine Schlüsselrolle einnahmen, hätte wohl zu einem ganz anderen Ergebnis geführt, hätten sich die beiden Parteien vorher untereinander abgestimmt. Die Lockrufe der Kommunisten in Richtung Sozialdemokratie sind seitdem nicht verstummt, eher im Gegenteil. Die stärkste Regierungspartei klammert sich hingegen bislang an ihren Beschluss aus dem Jahr 1995, nach dem sie auf Regierungsebene kein Bündnis mit der früheren Staatspartei eingehen will. Wäre aber dennoch eine solche Allianz nicht ein Weg, um das gegenwärtige Abbröckeln der sozialdemokratischen Wählerbasis zu stoppen? Abschließend kommt noch einmal Ladislav Cabada zu Wort: