Die (nicht olympischen) Geister, die man rief, wird man nicht mehr los

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"Die Olympischen Spiele im antiken Griechenland sind die bedeutendsten panhellenischen Kultspiele, die alle vier Jahre zu Ehren des Zeus in Olympia abgehalten werden." So beschreibt es "Der Große Knaur" und ergänzt: "Ende des 19. Jahrhunderts wurden sie durch Baron Pierre de Coubertin wiedererweckt. Es entstanden die Olympischen Spiele der Neuzeit, zu denen nur Amateure zugelassen werden. Im Altertum erhielten die Sieger einen Kranz aus Ölzweigen, heute erhalten sie Urkunden und Plaketten - aus Gold, Silber oder Bronze." Alles frei nach dem Motto "Dabei sein ist alles", denn ein Amateur "ist ein Aktiver in einem Sportverein, der seinen Sport regelmäßig, aber nicht gegen Entgelt betreibt", sagt der Duden.

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Diese Mythen und hehren Ideale gelten längst nicht mehr, ihre Reliquien aber werden immer noch hervorgekramt. Um den Anschein zu wahren, dass "der olympische Geist lebt" und dass die erhabene Idee des Barons, mit der sich heute gutes Geld verdienen lässt, nicht in den Schmutz gezogen wird. Denn um die besten Sportler der Welt auch alle vier Jahre präsentieren zu können, musste der Amateur-Status mehr oder minder neu definiert werden. Weil die Vertreter der heutigen Weltspitze schon längst nicht mehr nach getaner Arbeit ihrem Hobby Sport nachgehen, sondern ihr Hobby zum Beruf gemacht haben. Der Mensch strebt halt nach Vollkommenheit, so lang er lebt. Und der vollkommene Sport der Neuzeit heißt immer intensiver ausgetüftelte Trainingsmethoden, Sportgeräte und -utensilien vom allerletzten Schrei, erprobt in Windkanälen und Astronautenzentren. Das alles ist längst auch nicht mehr kostenlos. Wie
Jakub Janda  (Foto: CTK)
auch der Schweiß der Sportler selbst, die ihren gestählten Körper schinden und traktieren bis die Schwarte kracht. Das Entgelt - im alten Amateur-Status nicht vorgesehen - wird meist von sportbegeisterten Gönnern, auch Sponsoren genannt, gezahlt. Doch diese Sponsoren wollen auch eine kommerzielle Gegenleistung, die sich nun einmal in guter Werbung niederschlägt. Daher laufen die Topsportler der Gegenwart mit Aufklebern und Schriftzügen ihrer Gönner versehen durch die Gegend, um ihnen das schöne Entgelt zu danken. Doch wehe dem, sie werden zu Olympioniken und huldigen ihren Sponsoren auch während der vom Internationalen Olympischen Komitee verordneten finanziellen Fastenzeit! Dann drohen ihnen die Olympier der Moderne, die sich an der olympischen Tafel nur allzu gern labenden IOC-Mitglieder, mit dem Ausschluss von den Kultspielen des dritten Jahrtausends. So wie dem tschechischen Skisprungass Jakub Janda, von dem nach seiner Olympianominierung noch ein werbebestücktes Konterfei in der Presse veröffentlicht wurde. Oder wie dem Eishockeytorwart Milan Hnilicka, der auch nach dem 19. Januar noch in einem Werbefilm zu sehen war. Denn seit diesem Datum gilt: Alle Olympioniken müssen sich eine weiße Weste überstreifen, indem sie das Geldverdienen aussetzen und ihre persönliche Werbung vorübergehend einstellen. Damit die "olympischen Sponsoren" uneingeschränkt zum Zuge kommen und die Kassen des IOC mit dem Lorbeer des heutigen Zeitgeists füllen können. Und wir sportverrückten Olympia-Gaffer dürfen uns nach dem 16-tägigen TV-Marathon wieder verzückt auf die Schenkel klopfen und schwärmen: "Oh, waren das wieder tolle Spiele in Turin, bei denen die Olympioniken zu Ehren des Mammons gelaufen, gerodelt und gesprungen sind und sich die Besten ihre Plakette aus Gold, Silber und Bronze redlich verdient haben".

Autor: Lothar Martin
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