Die Regierung Topolanek hat geringe Überlebenschancen, kann aber positiv überraschen
Das lange Tauziehen um die künftige tschechische Regierung hat ein Ende. Doch wie lange wird sich das bürgerliche Minderheitskabinett halten können? Über die Erfolgsaussichten dieser neuen Regierung hören sie nun von Robert Schuster in einer weiteren Ausgabe unserer Sendereihe Schauplatz.
Auch Premier Topolanek selber spricht immer wieder davon, dass sein Kabinett angesichts der komplizierten innenpolitischen Situation in Tschechien und wegen des Patts zwischen linken und rechten Parteien im Parlament nur für eine begrenzte Zeit amtieren wird und es dann zu Neuwahlen kommen sollte. Dementsprechend setzt sich die Regierung nicht nur aus Mitgliedern von Topolaneks Demokratischer Bürgerpartei zusammen, sondern hat auch sechs parteilose Minister.
Eine der wichtigsten Fragen, die sich im Zusammenhang mit dem neuen tschechischen Kabinett stellt ist, ob eine Regierung mit einem so schwachen Mandat überhaupt etwas bewirken, bzw. irgendwelche grundsätzlichen Entscheidungen treffen kann? Oder wird hier vielleicht, auch von Seiten der Regierung selbst, versucht die Erwartungen von Anfang an gering zu halten, um dann eventuell positiv überraschen zu können? Das fragten wir den Politikwissenschaftler Stanislav Balik von der Masaryk-Universität in Brünn:
"Ganz ausschließen kann man das wohl nicht, auch wenn das nur wenig wahrscheinlich ist. Auf jeden Fall wird jetzt diese Regierung mindestens einen Monat lang im Amt bleiben und sollte sie binnen einer Frist von dreißig Tagen nicht das Vertrauen der Abgeordneten erhalten, wird sie mindestens noch einen weiteren Monat im Amt bleiben, bis eben ein neues Kabinett ernannt wird. Es kann nicht ganz ausgeschlossen werden, dass diese Regierung trotz allem versuchen wird ihre Politik umzusetzen. Sie kann ja für ihre Vorschläge im Parlament Unterstützung suchen, sie kann aber zudem vieles auch ohne die Zustimmung der Abgeordneten tun - etwa durch Verordnungen und dergleichen. Die neue Regierung hat also schon Möglichkeiten, um Einiges verändern zu können."In Tschechien gab es schon einmal eine Übergangsregierung, die im Frühjahr 1998 den Weg zu vorgezogenen Neuwahlen ebnete und zwar das Experten-Kabinett unter der Leitung des einstigen Notenbankchefs Josef Tosovsky. An der Beurteilung dieser Regierung scheiden sich heute die Geister. Viele weinen dem weitgehend aus parteilosen Ministern bestehenden Kabinett immer noch einige Tränen nach und meinen sogar, es wäre die beste Regierung gewesen, die das Land nach der Wende je hatte; die andere Sichtweise sagt wiederum, die Regierung war nur kurz im Amt und hat deshalb keine tieferen Spuren hinterlassen können. Lassen sich Parallelen zwischen damals und heute ziehen? Dazu meint Stanislav Balik:
"Die damalige Lage kann mit der heutigen keinesfalls verglichen werden. Das Abgeordnetenhaus war seinerzeit tief zersplittert - man darf nicht vergessen, dass damals die größte Fraktion, jene der Bürgerdemokraten, praktische auseinander gebrochen ist. Das hatte unter anderem auch folge, dass im Parlament verschiedene Lobby-Gruppen ein und aus gingen und versucht haben Einfluss auszuüben und dabei auch sehr erfolgreich waren. Heute ist die Ausgangslage eine völlig andere und zwar eben deshalb, weil die Fraktionen sehr geeint und diszipliniert auftreten. Es fragt sich natürlich, ob und wie lange das dauern wird. Das ist ein grundlegender Unterschied zur Lage des Jahres 1998. Zum anderen hat man damals gewusst, dass die Regierung Tosovsky tatsächlich eine Übergangsregierung ist und es zu Neuwahlen kommen wird. Alle wollten Neuwahlen und so erhielt die Regierung bei der Vertrauensabstimmung eine überdurchschnittlich hohe Zustimmung. Auf so etwas kann der jetzige Premier Topolanek kaum hoffen. Es gibt also wirklich große Unterschiede zu damals und ich würde das also nicht vergleichen."
In den letzten Wochen drehte sich ausschließlich fast alles um den Zweikampf der beiden größten Parteien des Landes, der Bürgerdemokraten und der Sozialdemokraten. Die kleinen Parteien, wie die Grünen und insbesondere die Christdemokraten spielten dabei faktisch keine Rolle und gerieten, wie im Falle der Christdemokraten, zeitweise auch unter die Räder des aktuellen Geschehens. Werden die kleinen Parteien letzten Endes bei den nächsten Wahlen dafür nicht die Zeche bezahlen müssen? Werden sich deren Wähler nicht überlegen, lieber einer der beiden großen die Stimme zu geben? Stanislav Balik:
"Das ist möglich. Das tschechische Parteiensystem zeichnet sich schon länger durch eine starke Tendenz zur Bildung eines Zwei-Parteien-System aus, oder man sollte vielleicht sagen, dass sich zwei Parteienblöcke herausgebildet haben. Die Führungsrolle innerhalb dieser Blöcke ist relativ klar - auf der einen Seite sind das die Bürgerdemokraten, auf der anderen die Sozialdemokraten. Wenn wir auf die Wahlergebnisse bis ins Jahr 1992 zurückblicken, dann sehen wir, dass es bei den Wahlen zu einer Stärkung dieser Parteien gekommen ist. Man kann schwer sagen, ob so eine Entwicklung gut, oder schlecht ist. Die Wähler haben diese Entwicklung jedenfalls zur Kenntnis genommen und es lässt sich tatsächlich feststellen, dass sie ihre Stimme lieber Parteien geben, welche für sie das kleinere Übel darstellen, als Parteien, mit denen sie sich voll identifizieren können, also der Wahl ihres Herzens entsprechen."Gerade in den letzten Wochen wurde angesichts der Pattsituation im tschechischen Abgeordnetenhaus immer wieder über eine mögliche Änderung des Wahlsystems diskutiert, die künftig für klare Mehrheitsverhältnisse sorgen würde. Sind diese Überlegungen letzten Endes nicht gefährlich, weil sie ein bestehendes und bereits in den Köpfen etabliertes System völlig umkrempeln könnten? Hören Sie dazu abschließend noch einmal den Politikwissenschaftler Stanislav Balik von der Masaryk-Universität in Brünn:
"Das Wahlsystem ist ein Zauberer an sich, der es schafft die Stimmen der Wähler in völlig andere Ergebnisse zu gießen. Es gibt eine Menge an Möglichkeiten, wie etwas mathematische Formeln, mit denen man so etwas erreichen kann. Dementsprechend unterschiedlich sind auch die Positionen der Politiker und Parteien, bzw. diese können sehr schwanken. Es ist nämlich logisch, dass jede politische Partei jene Änderung oder Variante unterstützt, von der sie sich am meisten erhofft. Nicht immer muss das aber gelingen."