„Die tschechische Eishockeyliga hat Glanz verloren“ – Interview mit Sparta-Chef Bříza

Petr Bříza (Foto: Archiv SSK Future)

Am Donnerstag vergangener Woche ist die tschechische Eishockey-Extraliga in ihre 20. Saison gestartet. Die Saison ist nicht nur wegen des Jubiläums besonders. So wird beispielsweise die Relegation erstmals mit vier Mannschaften ausgetragen: dem Dritten und Vierten der Qualifikationsrunde und den beiden besten Teams der zweiten Liga. Die Hauptstadtclubs Slavia und Sparta Prag müssen sich zudem in der Zuschauergunst der Konkurrenz des neu gegründeten HC Lev erwehren, der Tschechien in der russischen KHL vertritt. Und die Extraliga als solche muss noch mehr über den eigenen Tellerrand hinausschauen, um nicht untergebuttert zu werden. Zu diesen und weiteren Themen hat Radio Prag vor dem Saisonstart mit einem Experten gesprochen: mit Petr Bříza (47), dem Vorstandschef von Sparta Prag und ehemaligen DEL-Profi.

Petr Bříza  (Foto: Archiv SSK Future)
Herr Bříza, wir stehen vor einer neuen Saison der Eishockey-Extraliga. Sparta Prag gehört zu den großen Traditionsvereinen der Liga, was hat sich das Team für diese Saison vorgenommen?

„Wir haben in der vergangenen Saison eine hervorragende Hauptrunde gespielt, sind hier Erster geworden, mit dem vereinsinternen Rekord von 107 Punkten. Dazu haben wir sehr gutes Eishockey gespielt, und genau das wollen wir in dieser Saison wiederholen. Wir wollen, dass die Zuschauer möglichst zahlreich zu uns in die Halle kommen. Heutzutage ist das alles andere als leicht, denn die wirtschaftliche Lage im Land zwingt eigentlich viele Leute zum Sparen. Sie sparen dann oft zuerst beim Freizeitvergnügen, wozu auch ein Sport wie das Eishockey gehört. In Prag ist es besonders schwer, denn hier gibt es ein ziemlich großes Angebot von Freizeitmöglichkeiten. Der einzige Weg, um die Zuschauer zu gewinnen, ist daher gutes Eishockey zu liefern. Wir müssen für die Leute gute Events vorbereiten, damit sie Sparta einfach besuchen wollen.“

Foto: Archiv Sparta Hockey Supporters
Das Freizeitangebot in Prag ist tatsächlich sehr groß, und jetzt haben wir hier mit dem HC Lev auch noch den dritten Eishockeyclub, der in einer Top-Liga spielt. Wie bewerten Sie diese Entwicklung? Wird die Anwesenheit des HC Lev in der eigenen Halle für Sparta befruchtend sein, oder ist man dem Konkurrenzkampf jetzt noch mehr ausgeliefert?

„Es ist die Realität, der wir uns stellen müssen. Sparta und der HC Lev gehören im Grunde genommen zu einer Firma, denn wir haben den gleichen Eigentümer. Auf der anderen Seite spielen beide Mannschaften in zwei verschiedenen Wettbewerben: Sparta in der Extraliga und Lev in der KHL. Natürlich buhlen beide Clubs um die Zuschauer, das ist eine ganz neue Situation. Drei Eishockeyclubs in einer Stadt, das gab es noch nie in Tschechien. Wir müssen also jeden Tag daran denken, dass die Zuschauer ausbleiben, wenn wir schlechtes Eishockey spielen. Das heißt, wir haben neue Konkurrenz auf dem Eis, und darauf müssen wir uns einstellen.“

Slovan Bratislava spielt mit Dinamo Minsk  (Foto: Archiv HC Slovan Bratislava)
Früher hat man sich in hiesigen Eishockeykreisen noch dagegen gesträubt, einen Club in einer ausländischen Liga spielen zu lassen. Dann hat sich die Entwicklung so ergeben und Sie haben mehrfach darauf verwiesen, dies sei die Globalisierung im Eishockey, die man nicht aufhalten könne. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung?

„Das ist der Druck auf die Märkte. Wie ich schon oft gesagt habe: Die tschechische Extraliga hat in den vergangenen Jahren ein wenig von ihrem Glanz verloren. Der Druck von außerhalb hat zugenommen, besonders durch die KHL, die expandiert und Jahr für Jahr stärker wird. Dem sollte man etwas entgegensetzen, und hier plädiere ich für die European Trophy, die wir vor drei Jahren gegründet haben. Meiner Meinung nach sollten wir die European Trophy viel breiter machen, denn sie weist den Weg für die globale sportliche Konfrontation und stellt für mich die Zukunft des europäischen Eishockeys dar. Daran müssen wir arbeiten. Wenn wir es nicht tun, dann gibt es bestimmt bald noch mehr Überläufer, wie im Fall von Slovan Bratislava. Dies ist der Top-Verein in der slowakischen Hauptstadt, nach Abschluss der vergangenen Saison ist er aber aus der slowakischen Liga ausgetreten. Warum? Die Verantwortlichen des Clubs haben uns, die Vertreter der 14 Extraligavereine, im Oktober vergangenen Jahres mit der klaren Botschaft kontaktiert: ´Wir wollen zusammen mit euch in der tschechischen Liga spielen, denn die slowakische Liga ist ökonomisch gesehen zu schwach für uns. Hier können wir finanziell nicht überleben.´ Heutzutage haben fast alle Clubs in Europa große finanzielle Sorgen. Die Vertreter der tschechischen Liga aber haben den Mehrheitsbeschluss gefasst, nichts zu ändern und dem Anliegen von Slovan Bratislava einen Korb zu geben. Wir haben zwar kontrovers über diese Anfrage debattiert, aber diejenigen, die für die Einführung einer tschechisch-slowakischen Eishockey-Liga stimmten, waren in der Minderheit. Slovan wurde also nicht bei uns aufgenommen. Fünf Monate später aber kommt die Nachricht, der slowakische Meister spiele ab der neuen Saison in der KHL! Wir müssen also wirklich darüber nachdenken, wie sinnvoll ist es, in geschlossenen Strukturen zu bleiben. Ich nenne ein weiteres Beispiel: die EBEL-Liga. In dieser Liga spielen neben den österreichischen Teams auch Mannschaften aus Slowenien, Ungarn sowie der tschechische Club aus Znojmo / Znaim. Das ist einfach ein Trend, auf den wir sinnvoll reagieren müssen.“

Die slowakische Liga ist ja infrastrukturell schwach und hat(te) mit Bratislava und Košice nur zwei Teams, die international mithalten können. Daher meine nächste Frage: Könnte solch eine Entwicklung auch eines Tages die tschechische Liga treffen? Es ist kein Geheimnis, dass auch hierzulande mehrere Vereine Jahr für Jahr ums Überleben kämpfen, es wird nur ein bisschen totgeschwiegen. Wie kann man, vor diesem Hintergrund, die European Trophy so verbessern, dass aus ihr ein attraktiver europäischer Wettbewerb wird? Denn dies scheint ja eine Lücke zu sein, in die gerade die KHL immer wieder hineinstößt…

Foto: Albin Axelsson,  Stock.xchng
„Das sind gleich mehrere Bereiche, die Sie angesprochen haben. Erstens: Die tschechische Liga muss nachdenken. Ich bin sehr froh, dass sich hier in den vergangenen Monaten ein neuer Trend herausgebildet hat. Es wird nicht mehr versucht, die Lizenzbedingungen für die Extraliga aufzuweichen, sondern das Gegenteil ist der Fall: Wir müssen strengere Lizenzverfahren durchführen, um wirklich nur wirtschaftlich gesunde Vereine in der Liga zu haben. Es gibt die ewige Diskussion darüber, ob 14 Mannschaften für die Liga nicht zuviel sind. Schließlich muss man nicht nur die ökonomische Seite betrachten, sondern auch der Tatsache ins Auge schauen, dass zirka 170 tschechische Eishockeyprofis irgendwo in der Welt spielen. Das heißt, wir verlieren viel Qualität an andere Länder. Mit 14 Mannschaften ist es folglich nicht leicht, die Qualität in der Liga zu halten. Über die Zukunft der tschechischen Liga müssen wir uns also ständig Gedanken machen. In Sachen European Trophy geht es vordergründig darum, einen breiteren Verhandlungskreis zu schaffen. Die Vertreter der European Trophy, der KHL und der IIHF müssen gemeinsam eine Lösung finden. Vielleicht nicht so schnell wie möglich, aber nach wirklich vernünftigen Diskussionen noch in dieser Saison. Denn nur so können wir planen. Wir müssen in Konkurrenz zu Fußball, Handball, Basketball und Volleyball in Europa endlich auch im Eishockey einen stabilen europäischen Wettbewerb finden. Dieser muss parallel zu den nationalen Ligen ausgetragen werden, denn das ist der Wunsch vieler Clubs in diesen Ligen. Andernfalls besteht nämlich die Angst, dass eine große paneuropäische Liga zum Untergang für die nationalen Ligen wird. Wir müssen eben viel kommunizieren. Im Vergleich zu uns haben Sportarten wie Basketball und Handball einen Vorsprung, denn sie haben ihre internationalen Ligen schon vor ein paar Jahren gegründet und dann weiterentwickelt. Von daher müssen wir jetzt auch im Eishockey endlich ein stabiles Modell finden.“

Der Lockout in der NHL ist Realität  (Foto: ČTK)
Kommen wir noch einmal zurück zur tschechischen Extraliga, denn die steht ja auch nicht im luftleeren Raum. Im Gegenteil, gleich mit dem Saisonstart kommt womöglich schon ein anderes Phänomen auf diese Liga zu, nämlich der Streik in der NHL. Sollte die nordamerikanische Profiliga tatsächlich in den Lockout treten, dann wären urplötzlich auch etliche Top-Spieler frei auf dem Markt. Ist eine Mannschaft wie Sparta Prag eigentlich auf diese Situation vorbereitet? Welche Strategie verfolgt man in diesem Fall?

„Punkt 1: In der tschechischen Extraliga kann jeder Club maximal sechs Plätze mit Ausländern besetzen. Das heißt, wenn man einen ausländischen Spieler auch nur für eine Minute einsetzt, dann ist die jeweilige Lizenz für die gesamte Saison aufgebraucht. Wir haben fünf Lizenzen bereits vergeben, denn wir haben uns von Anfang an ohne den Lockout auf die Saison vorbereitet. Das bedeutet, für uns ist es fast unmöglich, noch weitere ausländische Spieler aufzunehmen. Die zweite Sache dazu ist: Niemand weiß genau, wie lange der Lockout dauern wird. Wenn man eine Lizenz vergibt, die NHL aber nach drei, vier Wochen den Spielbetrieb wieder aufnimmt, dann hat man diese Lizenz de facto verschenkt. Der zweite Punkt ist die Versicherung. Fast alle NHL-Spieler haben gut dotierte Verträge, die man entsprechend versichern muss. Das ist eine Frage des Geldes. Und der dritte Punkt ist – wie Sie schon gesagt haben – die Strategie, die man verfolgt. Also: Wie viele Plätze besetzt man mit NHL-Spielern? Ich erinnere mich da noch an die Saison 2004/05, als es den letzten Lockout in der NHL gab. In manchen Teams hat der Einsatz der NHL-Spieler gut funktioniert, in anderen Mannschaften aber überhaupt nicht. Die Fragen, die sich demnach stellen, lauten: Wie sind diese Spieler auf ihr Mitwirken in einer tschechischen Mannschaft vorbereitet? Wollen sie während ihres Engagements auch etwas für die jeweilige Mannschaft einbringen, sich aufopfern? Oder wollen sie hier nur für ihr eigenes Ego spielen, bevor sie wieder in die NHL zurückkehren? Wir müssen da sachlich und vernünftig abwägen, was wir machen. Wir haben unsere Pläne, doch zunächst müssen wir abwarten, bis der Lockout wirklich feststeht.“


Jaromír Jágr  (Foto: ČTK)
Seit vergangenem Sonntag ist der Lockout in der NHL Realität. Inzwischen verhandeln die Ligateams mit mehreren tschechischen NHL-Spielern, die der Extraliga – wenn auch kurzzeitig – zu neuem Glanz verhelfen sollten. In Kladno hat der Eigentümer des Vereins, NHL-Superstar Jaromír Jágr (Dallas), bereits im Team mittrainiert. Aller Voraussicht nach werden er und zwei, drei weitere NHL-Spieler schon am Mittwoch beim Punktspiel zwischen Kladno und Slavia Prag in der Prager O2-Arena auflaufen. Und bei Sparta Prag ist mit Michal Neuvirth (Washington) ein erstklassiger Torwart im Gespräch.

Autor: Lothar Martin
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