„Die Tschechische Republik zuerst“: Wie Nationalisten und Kreml-Anhänger eine Demo organisierten
Unter anderem die steigenden Energiepreise haben am Samstag 70.000 Menschen in Prag auf die Straße gebracht. Doch der Protest richtete sich nicht nur gegen die Regierung. Denn hinter der Versammlung standen prorussische Kräfte.
Es war keine leichte Woche für das Regierungskabinett von Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten). Am Donnerstag und Freitag fand im Abgeordnetenhaus das von der Opposition initiierte Misstrauensvotum statt. Das Kabinett überstand die Abstimmung schadlos – zum Unwillen von 70.000 Menschen, die laut Polizeiangaben am Samstag auf dem Prager Wenzelsplatz demonstrierten. Die Demonstration war bereits seit einigen Wochen geplant worden.
„Das Gas ist teuer, Wasser und Strom auch. Es ist nicht in Ordnung, was hier passiert. Die Regierung muss doch etwas unternehmen. Das tut sie aber bisher noch nicht“, sagte ein junger Mann mit einer Tschechien-Fahne auf dem Rücken in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks.
Doch der Protest der Menschen richtete sich nicht nur gegen Petr Fialas Regierung und deren angebliche Untätigkeit in Sachen Energiekrise. Hinter der Demonstration stand die Initiative „Die Tschechische Republik zuerst“. Unter den zehn Forderungen, die sie auf ihrer Website veröffentlicht hat, finden sich unter anderem das Ausscheiden Tschechiens aus der Europäischen Union und der Nato sowie der Ausschluss eines Beitritts zur Eurozone. Außerdem solle das Gas hierzulande vor allem von Russland bezogen werden, um niedrige Preise sicherzustellen, heißt es dort. Aber nicht nur das. Die Organisatoren machen auch Stimmung gegen die Geflüchteten aus der Ukraine. Ein friedliches Zusammenleben mit ihnen sei in Tschechien nicht möglich, schreiben sie auf der Website. Als Grund werden Unterschiede in Mentalität, Sprache und Ansichten angegeben.
Unterstützt wurde die Versammlung von der oppositionellen Rechtsaußenpartei SPD (Freiheit und direkte Demokratie) und der kommunistischen Partei KSČM, die bei den letzten Wahlen aus dem Abgeordnetenhaus ausgeschieden ist. Hinzu kamen kleinere politische rechtsnationale Gruppierungen oder etwa die Spitze der Anti-Impf-Bewegung in Tschechien. Gemeinsam mit den Organisatoren stand am Samstag zudem der Aktivist Žarko Jovanovič auf dem Podium. Wer das ist, erklärte Roman Máca, der als Sicherheitsanalytiker beim Institut für Politik und Gesellschaft arbeitet:
„Er ist einer der Anführer der prorussischen Szene in Tschechien. Jovanovič behauptet Patriot zu sein, sagt aber nichts über die andere Seite. Er arbeitet für den TV-Sender der russischen Armee (Zvezda, Anm. d. Red.) und für die wichtigste russische Propaganda-Sendung im Staatsfernsehen, ‚Rossija‘.“
Auch Premier Fiala ging auf die prorussische Einstellung der Veranstalter ein. Jeder dürfe in Tschechien frei demonstrieren, sagte er vor Journalisten. Die Organisatoren würden aber die angespannte politische Situation und die Angst der Menschen vor den steigenden Energiepreisen missbrauchen, so der Premier: „Sie versuchen, all das für ihre politischen Zwecke zu nutzen. Lösungsvorschläge haben sie jedoch nicht“, sagte Fiala. „Die Parolen, die ich gesehen habe, weisen auf eine prorussische Haltung hin. Meiner Meinung nach entspricht das nicht den Interessen Tschechiens und unserer Bürger“, betonte der Premier.
Warum die Veranstaltung dennoch so viele Menschen erreichen konnte, versuchte der Politikwissenschaftler Jan Charvát von der Prager Karls-Universität im Tschechischen Rundfunk zu erklären…
„Die Menschen haben das Gefühl, dass sich die Regierung nicht um sie kümmert und ihnen niemand zuhört. Die einzigen, die sie wahrnehmen und die für sie zumindest irgendeine Lösung anbieten, sind dann eben die genannten Gruppen. Ich denke aber nicht, dass sich alle Demonstranten bewusst waren, wofür sie auf die Straße gehen und wen sie da eigentlich unterstützen. Nicht alle Protestierenden werden damit gerechnet haben, dass ihre Anwesenheit so stark von Russland für die eigene PR genutzt wird.“
Denn in den russischen Medien fand die Versammlung Anklang. Auch die staatlichen Medienagenturen Tass und Ria Novosti berichteten darüber. Die nächste Demonstration der Initiative „Die Tschechische Republik zuerst“ soll am 28. September stattfinden.