Die tschechischen Grünen: Verstellen parteiinterne Konflikte den Weg nach oben?
Hörerinnen und Hörer von Radio Prag haben sich vielleicht schon manchmal gefragt, wie es eigentlich um die tschechischen Grünen bestellt ist. In Deutschland sind die Grünen immerhin an der Regierung beteiligt. In Österreich waren sie zwar noch nie im Kabinett vertreten, aber sie stellen seit vielen Jahren eine stabile politische Kraft im Parlament an der Wiener Ringstraße dar und mischen auch in der Landespolitik kräftig mit. Und in Tschechien? Aus Prag hört man nur wenig von einer Grünen Partei. Doch es gibt sie. Am vergangenen Wochenende hat sie im mährischen Olomouc / Olmütz einen gesamtstaatlichen Parteitag abgehalten. Aus diesem Anlass bringt Gerald Schubert im nun folgenden "Schauplatz" ein Portrait der tschechischen Grünen:
"Jetzt im Herbst wird es Landkreiswahlen geben, und wir erwarten, dass wir uns auf dieser regionalen Ebene durchsetzen können. Derzeit haben wir in Tschechien nur auf Gemeindeebene Vertreter, es sind etwa 100 bis 150. Die Landkreise sind nun die nächste natürliche Hürde. Und in zwei Jahren wollen wir dann den Einzug ins Parlament schaffen."
Gleich gegenüber von diesem Parlament, genauer gesagt nur wenige Schritte vom tschechischen Abgeordnetenhaus entfernt, hat erst vor wenigen Tagen der wohl berühmteste Grüne tschechischer Herkunft ein Büro eröffnet: Die Rede ist von Milan Horácek, einem deutschen Europaabgeordneten, der einst aus der Tschechoslowakei emigriert war und in den achtziger Jahren bereits in den deutschen Bundestag gewählt wurde. Ist seine Beziehung zu den Grünen in Prag problemlos?"Nein! Ein Teil hat mich kurz vor der Wahl sogar ausgeschlossen. Mit vielen tschechischen Grünen verstehe ich mich aber sehr gut. Dass ich mit der jetzigen Führung Differenzen habe, ist in meinen Augen eine vorübergehende Situation, die wir hoffentlich positiv lösen werden."
Worin beruhen diese Differenzen genau? Milan Horácek:
"Das hat zwei Ebenen. Zunächst die inhaltliche: In einer Reihe von Dingen bewege ich mich natürlich anders - nicht so eingeengt oder fast national, sondern eben europäisch. Manche Denkweisen der hiesigen Führung waren hingegen sehr eingeschränkt. In der Begründung meines Ausschlusses stand etwa, dass ich die Parteiführung in einer fremden Sprache kritisiert habe. Und das bei einer gesamteuropäischen Partei. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen! Und zweitens: Die politische Kultur ist hier noch schwach."
Wie äußert sich das seiner Meinung nach? Noch einmal Milan Horácek, deutscher Grünpolitiker mit tschechischen Wurzeln:
"Die Vorgänge bei der Zusammenstellung der Kandidatenliste für die Europawahl waren zutiefst undemokratisch, und das habe ich kritisiert. Der tschechische Parteichef ist mit etwa 26 Namen zum hiesigen Republikrat gekommen. Davon waren nur sechs Leute anwesend, und die wurden dann en bloc auf die Europaliste gewählt. Als ich das dem deutschen Parteivorsitzenden erzählt habe, hat der nur schallend gelacht. Also, man muss hier noch einiges lernen."
Die Differenzen innerhalb der tschechischen Grünen bestehen jedoch nicht nur zwischen Milan Horácek und dem Rest der Partei. Vielmehr erinnern sie an die Flügelkämpfe, die es einst bei den Schwesterparteien in Deutschland oder Österreich gegeben hat. Das bestätigt auch Petr Stepánek, Chef der Grünen in der Hauptstadt Prag:
"Wir sind mit genau demselben Problem konfrontiert wie die deutschen Grünen zur Zeit ihrer Anfänge. Auch hier sehen Vertreter von extremen Standpunkten verschiedenster Art bei den Grünen eine potentielle Plattform zur Durchsetzung ihrer Gedanken. Aber der Flügel der Realisten gewinnt zurzeit an Stärke, und die künftige Entwicklung wird wahrscheinlich in dieselbe Richtung gehen wie in Deutschland."
Am vergangenen Wochenende hielten die Grünen, wie eingangs erwähnt, in der mährischen Stadt Olomouc / Olmütz einen Parteitag ab. Im Mittelpunkt: Personalfragen. Im Rennen um den Vorsitz in der Gesamtpartei blieb Petr Stepánek schließlich nur um neun Stimmen hinter seinem Rivalen Jan Beránek zurück, der damit erfolgreich sein bisheriges Amt verteidigen konnte. Gegenüber Radio Prag zeigt Beránek sich für die Zukunft optimistisch:
"Aus meiner Sicht beruhte der ganze Streit darauf, dass verschiedene Leute in der Grünen Partei verschiedene Vorstellungen davon hatten, in welcher Art und Weise man seine politischen Ansichten durchsetzen soll. Diesen Streit haben wir aber nun zum Großteil hinter uns gebracht. Der Parteitag hat mich in der Funktion des Vorsitzenden bestätigt und damit Kontinuität garantiert, gleichzeitig aber wurden auch Leute mit anderen Meinungen in die Parteiführung gewählt. Also ich glaube, wir haben die erste schwierige Phase nun geschafft und eine gemeinsame Basis für künftige Vereinbarungen und zur Zusammenarbeit gefunden."
Petr Stepánek, Rivale von Jan Beránek, nahm übrigens seine Wahl zum Vizeparteichef für außenpolitische Beziehungen an. Damit sind nun tatsächlich die einst verfeindeten Lager gemeinsam in der Parteiführung vertreten.
Die tschechischen Grünen wollen sich nicht nur mit Umweltfragen beschäftigen, sondern ein viel breiteres, vor allem sozialpolitisches Feld bearbeiten. Auch darin unterscheiden sie sich also längst nicht mehr von ihren deutschen oder österreichischen Kollegen. Und welche Zielgruppe wollen sie künftig ansprechen? Dazu noch einmal der altneue Parteichef Jan Beránek gegenüber Radio Prag:
"Ich gehe davon aus, dass wir einen Teil der Wähler der Freiheitsunion und auch der Sozialdemokraten für uns gewinnen können. Und natürlich wollen wir auch neue Wähler gewinnen. Ich halte es für ein sehr gutes Signal, dass es uns bei der Europawahl gelungen ist, junge Wähler anzusprechen. Laut den Analysen gaben uns acht Prozent der jungen Wähler ihre Stimme. Das ist für die Zukunft sehr wichtig. Das heißt, wir werden uns auch an junge Leute wenden, an Studenten, die ansonsten vielleicht gar nicht wählen gehen würden. Wir wollen ihnen aber ein Programm anbieten, das für sie so interessant ist, dass sie sehr wohl wählen und uns ihre Stimme geben."
Die nun fürs Erste überwundenen Konflikte bei den tschechischen Grünen wurden auch im Ausland aufmerksam beobachtet. Unter anderem von der deutschen Europaabgeordneten Gisela Kallenbach - ebenfalls eine Grüne:
"Mir war das bekannt, auch schon während des Europawahlkampfs. Ich habe das sehr bedauert, habe aber auch immer gesagt, dass das eine Angelegenheit der tschechischen Grünen ist, und ich mich da nicht einmischen werde. Es hat mir nur eine direkte Unterstützung im Europawahlkampf schlichtweg unmöglich gemacht. Denn ich kann hier nicht über Personen richten, und mir ist der Eine oder die Andere genauso lieb wie jemand anders. Das muss hier vor Ort geklärt werden. Hoffentlich gelingt das - unabhängig von konkreten Personen, die ich jetzt gar nicht benennen kann."
Ob der Parteitag im mährischen Olomouc / Olmütz nun genug Einigkeit gebracht hat, das wird sich vielleicht schon bei den bevorstehenden Landkreiswahlen im Herbst zeigen.