Grüne in der Regierung: Öko-Land Tschechien?

Premier Mirek Topolanek (Mitte) mit Vorsitzendem der Grünen Martin Bursik (Foto: CTK)

Auf der Prager Burg wurde am Dienstag nach monatelangem Tauziehen die neue tschechische Regierung ernannt. Zum ersten Mal sitzen seither auch grüne Politiker im Kabinett eines ehemaligen Ostblocklands. Die Vertrauensabstimmung im Abgeordnetenhaus steht zwar noch bevor, die grüne Regierungsbeteiligung aber gilt schon jetzt als kleiner politischer Meilenstein. Ist die tschechische Gesellschaft drauf und dran, eine ökologische Wende zu vollziehen? Oder ist alles nur das Ergebnis von Wahlarithmetik und taktischem Kalkül?

Premier Mirek Topolanek  (Mitte) mit Vorsitzendem der Grünen Martin Bursik  (Foto: CTK)
In Tschechien sind sie derzeit die politischen Aufsteiger: Bei den Wahlen im Juni haben die Grünen erstmals den Einzug ins Abgeordnetenhaus geschafft. Mittlerweile konnten sie in Umfragen die Kommunisten überholen und liegen in der Wählergunst an dritter Stelle. Seit Dienstag stellen sie nun sogar vier Regierungsmitglieder, darunter den Umwelt- und den Außenminister.

Milan Horacek, EU-Abgeordneter der deutschen Grünen, hat selbst tschechische Wurzeln und unterstützt seine Parteifreunde in Prag. Die Koalitionsverhandlungen seien durchaus erfolgreich gewesen, meint er. Allerdings sei es nicht ausreichend, lediglich die Unterhändler von Bürgerdemokraten und Christdemokraten vom Sinn ökologischer Nachhaltigkeit zu überzeugen. Wichtig sei auch die Ankurbelung eines breiteren Umweltbewusstseins in der Bevölkerung:

Milan Horacek  (Foto: Autor)
"Wir wollen und müssen versuchen, in der gesellschaftlichen Entwicklung viel stärkeren Wert auf erneuerbare Energien und auf das Sparen von Energie zu legen", so Horacek.

Von einer wirklichen Öko-Wende in Tschechien kann nämlich keinesfalls die Rede sein. Im Gegenteil, befürchtet Karel Dolejsi von der Prager Greenpeace-Sektion:

"Paradoxerweise muss man sagen, dass das Umweltbewusstsein der tschechischen Gesellschaft zur Zeit der Samtenen Revolution, also im Jahr 1989, am stärksten ausgeprägt war. Seither, und das belegen auch Meinungsumfragen, geht das Interesse an Umweltfragen wieder zurück. Viele Tschechen sind immer noch davon überzeugt, dass nur der Kommunismus für ökologische Probleme verantwortlich war, und dass diese Probleme durch den Rückzug der Schwerindustrie während der Transformation schlicht und einfach gelöst wurden."

Der rasante Aufschwung der tschechischen Grünen bedeutet also noch lange nicht, dass die Tschechen eine Vorreiterrolle in Sachen Umweltbewusstsein einnehmen. Eher bestimmen Werte wie soziale Sicherheit und Marktliberalismus hierzulande die Diskussionen. Es war eine politische Pattsituation, die die Grünen in die höchsten Ämter gehievt hat. Durch die größere mediale Präsenz könnten sie künftig natürlich neue Themen setzen. Aber zurzeit weiß niemand, wie lange es diese Regierung überhaupt geben wird. Die Vertrauensfrage im Abgeordnetenhaus wird sie voraussichtlich nächste Woche stellen. Eine gesicherte Mehrheit hat sie derzeit nicht.