„Die Wahrheit kann nicht dargestellt werden…“

Streifen „Dreams Aways“ (Foto: Film Festival Servis Karlovy Vary)

Die deutsche Regisseurin Johanna Domke war Anfang Juli in Karlovy vary / Karlsbad zu Gast. Ihr Streifen „Dreams Aways“ lief dort nämlich in einer der Wettbewerbssektionen beim Internationalen Filmfestival. Im folgenden Gespräch spricht sie über ihren neuesten Film, aber auch etwa über ihren Weg zu Filmdokumentationen und über die Filmkunst allgemein.

Johanna Domke  (Foto: Markéta Kachlíková)
Frau Domke, im Dokumentarwettbewerb des Filmfestivals in Karsbad wird ihr Streifen „Dreams Away“ gezeigt. Worüber erzählt der Film?

„Der Film spielt in Scharm el-Scheich. Das ist ein Ferienort in Ägypten, der durch die Revolution (im Rahmen des arabischen Frühlings 2011, Anm. d. Red.) in dem Land sehr gelitten hat. Ein Terroranschlag vor zwei Jahren hat im Grunde genommen den Tourismus dort lahmgelegt. Unser Film handelt von einer Gruppe Jugendlicher, die sich so sehr an das festlich geprägte Leben in dieser Stadt gewöhnt hat, dass sie das nicht loslassen möchten. Sie haben immer noch den Traum, dass dieser Ort wieder zum Leben erweckt wird. Der Film spielt in einem fast leergefegten Badeort. Die Straßen sind ein bisschen unheimlich, alles ist verlassen. Eine prominente Figur ist da ein großer aufblasbarer Affe. Dieser will durchgehend mit den Protagonisten ins Gespräch zu kommen. Durch diesen Affen erfahren wir viel über die jungen Leute.“

Streifen „Dreams Aways“  (Foto: Film Festival Servis Karlovy Vary)
Es ist nicht Ihr erster Film, der in Ägypten spielt beziehungsweise das Land dokumentiert. Haben Sie eine engere Beziehung zu dem Land?

„Es ist mein zweiter Film, bei dem ich gemeinsam mit Marouan Omara Regie geführt habe. Es hat sich eigentlich sehr organisch entwickelt. Ich hatte einen Arbeitsaufenthalt in Kairo kurz nach der Revolution, und es hat mich einfach sehr gepackt, die politischen Umstände haben mich sehr bewegt. Ich fühlte mich aber damals als Filmemacher nicht in der Lage, damit filmisch umzugehen. Ich hatte das Gefühl, dass es so viele Bilder von der Revolution gebe, dass ich nicht noch mehr Bilder machen könnte. Ich habe dann ein Interesse daran entwickelt, was Bilder in diesem politischen Kontext bedeuten, und so ist der Film ‚Crop‘ entstanden. Es ist eigentlich ein Film über die Revolution, der versucht, die Bilder der Revolution zu analysieren, ohne sie wirklich zu zeigen. Der Film spielt visuell in dem Verlagsgebäude einer der größten ägyptischen Zeitungen. Während wir durch die verschiedenen Etagen schreiten, hören wir einen Journalisten sprechen über das veränderte Verhältnis zu Bildern vor und nach der Revolution.“

„Ich hatte einen Arbeitsaufenthalt in Kairo kurz nach der Revolution, und die politischen Umstände haben mich einfach sehr gepackt.“

Zurück zu Ihrem neuesten Film. Haben Sie den Badeort Scharm el-Scheich auch schon zuvor, in seiner Blütezeit, besucht? Können Sie die Lage dort vor und nach der Revolution vergleichen?

„Ich habe diesen Badeort vorher nicht besucht und wäre auch nicht ein Urlauber, der einen solchen Ort aufsuchen würde. Das heißt, ich habe Scharm el-Scheich mit einigem Abstand besucht. Diese Orte gehen oft nicht auf die Kultur des Landes ein. Dort wird den Touristen etwas vorgespielt. Das Interesse an dieser Stadt war auch verbunden mit dem vorangegangenen Film, weil nach der Revolution eine große Welle von meist jugendlichen Flüchtlingen dorthin gekommen war, die versucht haben, sich irgendwas aufzubauen. Die ökonomische Situation des Landes war wirklich sehr angespannt, und die Badeorte haben immer noch eine Art von Leben ermöglicht, die finanziell und vom Lebensstil her mehr versprochen hat.“

„Die Badeorte wie Scharm el-Scheich haben immer noch eine Art von Leben ermöglicht, die mehr versprochen hat.“

Wie sind Sie in Kontakt gekommen mit den jungen Menschen?

„Das ist ein längerer Prozess gewesen. Wir waren auf einer längeren Recherchereise und waren sehr erstaunt darüber, dass viele Leute sehr offen waren. Beim ersten Treffen ist uns ganz Intimes erzählt worden. Das hat sich dann schlagartig geändert, als wir die Kamera ausgepackt haben. Die Jugendlichen waren dann natürlich nicht mehr bereit, so offen zu sein. Dabei ist uns klar geworden, dass wir eine Strategie entwickeln müssen. Wir haben einen Fiktionsgedanken entwickelt. Es ist eigentlich ein fiktionaler Film, der auf wahren Geschichten beruht. Wir haben einen Casting veranstaltet, zu dem 200 Leute gekommen sind. Daraus haben wir sieben Protagonisten ausgewählt.“

Streifen „Dreams Aways“  (Foto: Film Festival Servis Karlovy Vary)
Sie beschäftigen sich nicht nur mit dem Dokumentarfilm an sich, sondern auch mit dem Film als visuelles Kunstobjekt. Wie unterscheidet sich die Methode in den beiden Bereichen?

„Ich komme aus der bildenden Kunst und habe alle Stadien der medialen Entwicklung durchlaufen. Ich komme aus der Fotografie und habe mit statischen Bildern gearbeitet. Irgendwann hat sich die Kamera bewegt, und irgendwann wurden diese Bilder auch narrativ. Letztendlich habe ich mich entschlossen, noch mal Film zu studieren. Für mich ist wichtig, dass es immer eine Reflexionsebene in den Bildern beziehungsweise in der Herangehensweise gibt. Es verbindet meine künstlerische Arbeit mit der filmischen, dass es immer eine Ebene gibt, die sagt, das ist nicht wahr, so wie man es sieht. Die Wahrheit kann nicht dargestellt werden, man muss sie suchen.“

„In meinen Werken gibt es eine Ebene, die sagt, das ist nicht wahr, so wie man es sieht. Man muss die Wahrheit suchen.“

Beim Filmfestival in Karlsbad werden in diesem Jahr zwei Dokumentarfilme aus Deutschland im Wettbewerb gezeigt, aber kein Spielfilm in der Hauptkategorie. Im vergangenen Jahr haben die Dramaturgen auch keinen deutschen Film gefunden, den sie gerne gezeigt hätten. Spiegelt dies eine allgemeine Entwicklung im deutschen Kino wider?

„Für mich ist diese Kategorisierung zwischen Spiel- und Dokumentarfilm nicht so wichtig, weil ich das Gefühl habe, dass ich mich irgendwo dazwischen bewege. Für mich ist das eigentlich Interessante, beide Seiten zu verbinden. Ich hoffe, dass es irgendwann möglich sein wird, diese Trennung aufzuweichen. Ich habe auch nicht das Gefühl, man müsste sie aufheben, aber dass man sollte nicht mehr so stark einschränken.“

„Für mich ist die Kategorisierung zwischen Spiel- und Dokumentarfilm nicht wichtig.“

Sind Sie zum ersten Mal beim Filmfestival in Karlsbad?

„Ich bin zum ersten Mal hier und sehr angetan von der Stadt.“

Kennen Sie Tschechien, beziehungsweise tschechische Filme?

„Wir haben unseren letzten Dokumentarfilm ‚Crop‘ in Jihlava (Internationales Dokumentarfilmfestival Jihlava, Anm. d. Red.) gezeigt. Das dortige Festival mag ich wirklich sehr gerne. Da haben wir auch viele Filme sehen könne. Ich habe keinen direkten Bezug zu tschechischen Filmen, aber ich denke mal, es wird die Gelegenheit geben, das nachzuholen.“