Diplomatische Krise zwischen Tschechien und Russland vorerst auf Eis gelegt
Tschechien hat die Zahl der Diplomaten in der russischen Botschaft in Prag auf dieselbe Zahl begrenzt, die für das gegenwärtige Kontingent an Diplomaten in der tschechischen Botschaft in Moskau gilt. Mit dieser Entscheidung reagierte die tschechische Seite auf ein Ultimatum, dass Russland am Donnerstagmittag verstreichen ließ. Der tschechische Außenminister hatte zuvor gefordert, dass 20 tschechische Diplomaten nach Moskau zurückkehren müssten, die vom Kreml ausgewiesen worden waren.
Auf diese Forderung war Russland nicht eingegangen. Daraufhin traten der tschechische Premier Andrej Babiš (Partei Ano), Vizepremier und Innenminister Jan Hamáček und Außenminister Jakub Kulhánek (beide Sozialdemokraten) am Donnerstag um 15 Uhr geschlossen vor die Medien. Sie wollten damit zeigen, dass ihre Entscheidung einmütig ist. Außenminister Kulhánek verkündete sie so:
„Nach Artikel 11 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen begrenzen wir die Zahl der Diplomaten in der russischen Botschaft in Prag auf den gegenwärtigen Stand unserer Botschaft in Moskau. Dieser Beschluss gilt ab heute. Die russische Seite hat bis Ende Mai Zeit, ihre Mitarbeiter abzuziehen.“
Zur Überraschung aller Politiker in Tschechien akzeptierte Russland diese Entscheidung noch am Donnerstag. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Abgeordnetenhaus, Ondřej Veselý (Sozialdemokraten), erklärte dazu:
„Die Lage ist damit so, dass beide Seiten wieder miteinander kommunizieren können. Das wird zwar noch eine gewisse Zeit dauern, aber es sollte passieren. Denn Tschechien und Russland sind interessiert daran, dass sich die Zahl der Diplomaten an beiden Botschaften so erhöht, dass die Vertretungen gut funktionieren.“
Doch wie erklärt sich Veselý den plötzlichen Sinneswandel des Kremls?
„Es sieht so aus, als ob Russland die Situation nicht weiter eskalieren lassen wollte. Im Gegenteil, Moskau hat sich dazu entschieden, die beiderseitigen Beziehungen zu deeskalieren.“
Der gleichen Meinung ist auch die Redakteurin der anerkannten tschechischen Tageszeitung „Deník N“, Petra Procházková. Doch die Russland-Expertin verweist im gleichen Atemzug darauf, dass der Kreml sein Zugeständnis auf keinen Fall als eine Niederlage wertet. Dies teile man der russischen Bevölkerung auch über die staatlichen Medien mit, so Procházková:
„In der medialen Berichterstattung Moskaus habe ich oft vernommen, wie großzügig doch Russland sei. Man werde daher nicht mit einer Ameise oder einem Zwerg, wie es Tschechien sei, kämpfen. Dies entspreche nicht dem russischen Anspruch. Russland sei vielmehr ein Garant für den Weltfrieden, und in diesem Sinn werde der Kreml auch weiter vorgehen.“
Procházková verwies zudem darauf, dass man der diplomatischen Krise zwischen beiden Ländern in den russischen Medien nicht annähernd so viel Bedeutung zumesse, wie dies in Tschechien der Fall sei.
Auf der anderen Seite glaubt man in Prag, dass die russische Seite nicht so schnell eingelenkt hätte, wenn Tschechien bei seinen Reaktionen auf den Fall des Munitionslagers Vrbětice keine solch breite internationale Unterstützung bekommen hätte. So haben sich die Nachbarstaaten Deutschland und Slowakei explizit hinter Tschechien gestellt wie auch die EU und Nato in ihrer Gesamtheit. Zur Unterstützung durch die Militärallianz sagte der tschechische Botschafter bei der Nato in Brüssel, Jakub Landovský (Sozialdemokraten):
„Alle 30 Nato-Länder haben sich auf eine gemeinsame Erklärung verständigt. Eine stärkere Äußerung ihrer klaren Haltung gibt es in der Allianz nicht.“
Nach Aussage von Petra Procházková hat der Kreml kein Interesse daran, sich in einer für ihn so geringschätzigen Angelegenheit mit der ganzen EU und Nato anzulegen. Auf diplomatischem Wege könnten sich die Beziehungen zwischen Tschechien und Russland nun tatsächlich entspannen. Russland werde sich nun aber auf anderen Ebenen an Tschechien rächen, glaubt Procházková:
„Man wird Tschechien in vielen Dingen nicht mehr entgegenkommen, sondern nun öfter Trotzreaktionen zeigen. Tschechische Bürger einschließlich uns Journalisten werden Probleme bekommen, ein Einreisevisum nach Russland zu erhalten. Ich denke, es wird jetzt eine Zeit anbrechen, die wir schon aus der Vergangenheit her kennen. Ich kann mich erinnern, dass Russland mit ähnlichen kleinen Schikanen reagiert hat, als Tschechien der Nato beitrat.“