Dreimal Havel – Neue und alte Biographien nähern sich dem Ex-Präsidenten
Gleich drei umfangreiche Biographien von Václav Havel erscheinen diesen Herbst im tschechischen Buchhandel. Zwei der Autoren sind Weggefährten aus Dissidenten- und Präsidentenzeiten, der dritte ist Journalist und politischer Kommentator. Naturgemäß unterscheiden sich die Perspektiven der Biographen zum Teil erheblich.
„Vielleicht ist es gut, dass es nun zu einem Zeitpunkt erscheint, zu dem manche Menschen schon vom Ende des ‚Havelismus‘ sprechen und sagen, er sei ein Idealist gewesen. Aus dem Buch spricht die Euphorie der damaligen Zeit.“
so Eda Kriseová kürzlich im Tschechischen Fernsehen. Von der Euphorie des Havelismus fern halten möchte sich Daniel Kaiser. Der Journalist arbeitet bei der Wochenzeitschrift Echo und hat eine politische Biographie in zwei Bänden geschrieben. Mit 43 Jahren gehört er schon aus Altersgründen nicht mehr zur Riege der Weggefährten. Daniel Kaiser:
„Ich habe das natürlich von Beginn an für einen Vorteil gehalten. Denn es hat mir einen – wenn auch vielleicht insgeheim sympathisierenden – so doch kritischeren und möglicherweise etwas skeptischeren Zugang erlaubt. Ich glaube, dass es mir insgesamt gelungen ist, eine Position einzunehmen ist, die die beste Voraussetzung für einen kritischen Biografen ist: Man muss den Menschen so gut wie möglich kennen, darf ihm aber auch nicht zu nahe stehen, damit der Zauber seiner Persönlichkeit, den Havel selbstverständlich hatte, keinen Einfluss ausüben kann.“
Zu Beginn seiner Arbeit konnte Kaiser noch Gespräche mit Havel führen. Nachdem der erste Band mit dem Titel „Dissident“ vor fünf Jahren erschienen war, kühlte sich die Beziehung zwischen Havel und Kaiser ab. Als Grund vermutet der Autor unter anderem seine Beschreibung der Ereignisse im Jahr 1977. Nach der Veröffentlichung der Charta 77 war Havel fünf Monate im Gefängnis, danach war er einige Zeit zum Schweigen verdammt und hielt sich als Dissident zurück. Daniel Kaiser kann Havels Vorbehalte gegen die Biographie nicht nachvollziehen:
„Als ich zum ersten Mal die Vernehmungsakten aus dem Jahr 1977 gelesen habe, wurde mein Bild von Havel eher noch reicher und plastischer. Ich habe absolut nicht den Eindruck, dass sein damaliges Verhalten den Gesamteindruck von seiner Person in irgendeiner Weise trüben kann.“
Kurz vor dem 25. Jahrestag der Samtenen Revolution hat Kaiser nun den zweiten Teil des Portraits veröffentlicht. Er behandelt die Zeit von Havels Präsidentschaft. Die dritte große Biographie in diesem Herbst heißt „Václav Havel: In der Wahrheit leben“. Geschrieben hat sie der heutige tschechische Botschafter in Großbritannien, Michael Žantovský.
Obgleich er mit Havel befreundet war und zu Beginn der 1990er als Pressesprecher für ihn gearbeitet hat, glaubt Žantovský an die Objektivität seiner Perspektive. Verfasst hat er die Biographie auf Englisch, auch das sei ein Korrektiv gewesen, so Žantovský:
„Dieses Gefühl, dass ich dem Gegenstand einfach zu nahe stehe, war für mich ein Problem. Ich hatte Angst davor, dass ich mich in allen möglichen tschechischen Scharmützeln und Kleinkriegen verliere, die heute ohnehin niemanden mehr interessieren.“
Er habe daher versucht, eine „allgemeine“ Biographie zu schreiben, die sich bewusst an eine internationale Leserschaft richtet. Michael Žantovskýs Biographie erscheint in zwölf Sprachen, darunter auch in deutscher Übersetzung.
Die drei Biographien sind im tschechischen Buchhandel erhältlich. Michael Žantovskýs Werk ist auf Deutsch beim Propyläen Verlag erschienen. Die tschechische Übersetzung wird der Autor am kommenden Freitag um 15 Uhr in der Prager Lucerna-Passage vorstellen.