EBC*L hilft europäische Lücken in BWL zu schließen – Schon 300 Absolventen in Tschechien
In einem funktionierenden Unternehmen muss auch die Kommunikation stimmen. Kurz: Alle Mitarbeiter müssen die Firmenphilosophie kennen und verinnerlichen, um sie auch umsetzen zu können. Studien haben aber ergeben, dass dafür bei den meisten Beschäftigten das nötige betriebswirtschaftliche Grundwissen fehlt. Um das zu ändern, wurde vor sechs Jahren der Europäische Wirtschaftsführerschein eingeführt.
Seit vorigem Jahr kann der Europäische Wirtschaftsführerschein EBC*L (European Business Competence Licence) auch in Tschechien abgelegt werden, seit Februar dieses Jahres sogar in deutscher Sprache. Was aber steckt genau hinter diesem Zertifikat? Dazu erklärt der Leiter des internationalen EBC*L-Zentrums in Österreich, Victor Mihalic:
„Es geht um ein Zertifikat, das auf internationaler Ebene betriebswirtschaftliches Kernwissen nachweist. Und dieses Wissen ist ja in Zeiten wie diesen, in denen viele von Globalisierung, Wirtschaftskrise und Bilanzskandalen sprechen, eine der Schlüsselkompetenzen neben EDV und Sprachen. Das sind Kompetenzen, die jemand nachweisen sollte, wenn er einen attraktiven Job haben oder aber Karriere machen will.“
Die Grundlagen und Anforderungen zur Erlangung des EBC*L hat das Wiener Institut in Kooperation mit dem Kuratorium Wirtschaftskompetenz für Europa erarbeitet, das im ostwestfälischen Paderborn seinen Sitz hat. Der Anstoß zur Schaffung eines solchen Zertifikats sei jedoch aus der Wirtschaft selbst gekommen, und zwar aus gutem Grund, so Mihalic:
„Die Initiative ist aus der Wirtschaft entstanden. Dort hat man gesehen, dass betriebswirtschaftliches Wissen unabdingbar ist, insbesondere für die Führungskräfte der Unternehmen. Zudem hat man erkannt, dass betriebswirtschaftliches Know-how europaweit absolute Mangelware ist. Es gibt Studien, wonach nur zwei Prozent der arbeitenden Bevölkerung über dieses Know-how verfügen, und das ist für die Unternehmen natürlich ein großes Problem. Das Problem tritt zum Beispiel dann auf, wenn die Führungskräfte mit ihrem betriebswirtschaftlichen Vokabular nur so um sich werfen, aber genau deshalb von niemanden verstanden werden können.“
Die Wirtschaft hat also das klare Defizit im Zusammenspiel ihrer Kräfte längst erkannt und gehandelt. Der EBC*L wurde vor sechs Jahren zunächst in Deutschland und in Österreich eingeführt. Heute kann er bereits in 27 Ländern abgelegt werden. Dem EBC*L-Netzwerk gehören auch China und Nigeria an, so dass man das international anerkannte Zertifikat bereits auf drei Kontinenten erwerben kann. Die bisherige Bilanz kann sich durchaus sehen lassen, so Mihalic:
„Seit 2003 haben wir insgesamt 25.000 Absolventen des EBC*L registriert. Der EBC*L kann in 22 Sprachen absolviert werden. Von daher ist es möglich, den EBC*L zum Beispiel in Tschechien nicht nur in der Landessprache, sondern ebenso in deutscher, englischer oder russischer Sprache zu absolvieren.“
Bis der Europäische Wirtschaftsführerschein allerdings auch in Tschechien den Durchbruch schaffte, hat es einige Zeit gedauert. Im Gegensatz zur benachbarten Slowakei, wo er eher eingeführt wurde, sei man in Tschechien zunächst nicht interessiert gewesen, den EBC*L im eigenen Land zu verbreiten, sagte Mihalic. Seit vergangenem Jahr aber hat sich das schlagartig geändert:
„Tschechien hat eine ausgezeichnete Entwicklung genommen. Innerhalb kürzester Zeit haben rund 300 Personen diese Prüfung abgelegt. In diese Zahl ist auch ein laufendes EU-Projekt einbezogen. Darüber hinaus ist der EBC*L auch Teil weiterer Projekte, wie jetzt ein konkretes Projekt des europäischen Sozialfonds. Dieses Projekt wird an einer Schule durchgeführt, an der im nächsten Jahr nicht weniger als 160 Personen die EBC*L-Prüfung ablegen werden.“
Diese Schule wird übrigens die Edvard-Beneš-Handelsakademie in Slaný bei Prag sein. Eine andere Bildungseinrichtung macht in diesem Zusammenhang jedoch schon seit Beginn dieses Jahres auf sich aufmerksam: das Österreich Institut Brno. An diesem Institut kann man den EBC*L nämlich inzwischen auch in deutscher Sprache erlangen. Im Februar wurde dazu ein entsprechender Pilotkurs gestartet, den bereits zwei der drei Teilnehmer erfolgreich abgeschlossen haben, sagt Institutsleiterin Sandra Dudek. Jetzt trete man an die hiesigen Unternehmen heran, damit auch die nächsten Kurse, die Mitte April bzw. Mitte Mai beginnen, ein voller Erfolg werden, ergänzt Dudek.
„Das sind geblockte Kurse am Freitag und am Samstag, damit auch Berufstätige von Städten außerhalb Brünns anreisen können. Es gibt fünf Termine, was bedeutet: Die Kurse sind ziemlich intensiv. Dafür hat man dann aber auch eine Zusatzqualifikation in Betriebswirtschaft in der Tasche und überdies noch seine Deutschkenntnisse verbessert. Also man schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe.“
Das bestätigt auch Marián Bradač, der den Pilotkurs erfolgreich absolvierte:
„Der Kurs hat mir sehr geholfen. Ich verfüge jetzt über einen größeren Wortschatz, kann adäquate Fragen stellen und ebenso adäquate Antworten verstehen. Dadurch erhalte ich viele nützliche Informationen auf direktem Weg und komme besser voran.“
Marián Bradač ist in der staatlichen Schulverwaltung in České Budějovice / Budweis tätig. Er sagt, dass er seine neu erworbenen Kenntnisse besonders in grenzüberschreitende Projekte mit Partnern aus Deutschland und Österreich einbringen kann. Wie viel aber muss man investieren, wenn man in den Besitz des EBC*L-Zertifikats gelangen will?
„Die Kosten betragen 12.200 Kronen, wobei die Prüfungsgebühr von 4200 Kronen schon mit enthalten ist“, sagt Sandra Dudek.
Umgerechnet 460 Euro also muss für den Erwerb des EBC*L im Österreich Institut Brno gezahlt werden. Die Investition lohne sich jedoch, weil sie insbesondere die europäische Wirtschaft voranbringt, sagt Victor Mihalic – und er erklärt damit auch die Bedeutung des Sterns im Namen des Zertifikats:
„Das Sternchen hat mehrere Funktionen. Das erste Merkmal ist eine Art eyecatcher – man soll es folglich recht schnell wahrnehmen, wenn es in einem Textfluss geschrieben steht. Und die zweite Bedeutung geht natürlich auf den europäischen Stern zurück, der ja auf der EU-Flagge gleich zwölffach zu finden ist. Das soll ein bisschen symbolisieren, dass es beim EBC*L auch um die europäische Perspektive geht.“
Fotos: www.oei.cz