Ecofin: Keine Einigung bei Mehrwertsteuersatz im Wohnungssektor
Die Europäische Union hat noch keine Verfassung. Dafür aber politische Prinzipien und eine ganze Reihe von wirtschaftlichen Richtlinien, die sehr häufig nur ganz schwer im Interesse der 25 Mitgliedsländer in Einklang zu bringen sind. Dass diesbezüglich die Vorstellungen der alt gedienten EU-Staaten oft höher gewichtet werden als jene der erst 2004 zur Union gestoßenen Länder, musste die Tschechische Republik erst am Dienstag wieder erfahren. Lothar Martin mit den Einzelheiten.
Am Dienstag fand in Brüssel die Sitzung des Rates der EU-Finanzminister (Ecofin) statt, an der auch Tschechiens Ressortchef Bohuslav Sobotka teilgenommen hat. Auf dem Programm stand dabei ein Vorschlag Österreichs, den Sobotka im Vorfeld der Tagung als "einen für die Tschechische Republik inakzeptablen Vorschlag" bezeichnete. Der Kompromiss der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft sieht unter anderem vor, mehrere Ausnahmeregelungen innerhalb der EU-Steuerpolitik auslaufen zu lassen und nicht mehr zu verlängern, da die Steuer-Ausnahmen bereits Ende 2005 ausliefen und derzeit also gegen EU-Recht verstoßen. Eine dieser Ausnahmeregelungen sind die verminderten Mehrwertsteuersätze für den Bau und das Heizen von Wohnungen, die den neuen Mitgliedsstaaten in der Regel bis 2007 oder 2008 zugebilligt wurden. Darunter ist auch die Tschechische Republik, die sich bereits damit angefreundet hatte, diese Ausnahmeregelung möglicherweise bis 2015 nutzen zu können, so wie es noch beim EU-Gipfel im Dezember vorigen Jahres widerspruchslos zur Debatte stand. Nun aber sehen sich Tschechien, Polen und Zypern, die mit einer Verlängerung der Ausnahmeregelung gerechnet hatten, dem Widerstand der restlichen EU-Mitglieder gegenüber. Die knallharten Verhandlungen, bei denen diese drei Länder nicht zum Einlenken auf dem Kompromiss bewegt werden konnten, wurden zunächst einmal vertagt. Bis Freitag haben sie, also auch Tschechien Zeit, ihren Standpunkt zur letzten Version des Vorschlags, der von den anderen 22 EU-Staaten unterstützt wurde, kund zu tun. In diesem Vorschlag ist auch ein Teilerfolg enthalten, den Bohuslav Sobotka wie folgt präsentierte:
"Wir haben einen Teilerfolg erzielt, und zwar bei der Zufuhr von Wärmeenergie. Hier besteht die reale Möglichkeit, dass die Wärmezufuhr auch weiterhin mit einem verminderten Mehrwertsteuersatz besteuert wird."
Die zweite und für Tschechien wichtigere Komponente, die Beibehaltung der fünfprozentigen Mehrwertsteuer für den Bau von Wohnungen, konnte man in Brüssel jedoch nicht durchsetzen. Sobotka erläuterte warum:
"Das größte Problem besteht im Widerstand der Bundesrepublik Deutschland, die bisher die tschechischen Vorschläge zur Möglichkeit einer Verlängerung dieser Ausnahmeregelung auf einen weiteren Zeitraum blockiert."
Bleibt zu ergänzen, dass die Tschechische Republik erstmals während ihrer noch jungen EU-Mitgliedschaft in einer konkreten Frage gegen den Strom schwimmt, und - so die ersten Reaktionen aus Regierungskreisen - sich mit ihrem Schwimmstil auch über Wasser halten will. Wie lange man aber wirklich durchhält, werden schon die nächsten Tage zeigen.