Volles Risiko: Premier Nečas verbindet Steuergesetz mit Vertrauensfrage

Petr Nečas (Foto: ČTK)

Die peinliche Niederlage der Regierung Nečas bei der jüngsten Abstimmung über die Höhe der Mehrwertsteuer im Parlament hat beim Premier eine unerwartete Reaktion hervorgerufen. Er trat die Flucht nach vorne und will die widerspenstigen Abgeordneten seiner Partei mittels der Vertrauensfrage wieder auf Linie bringen. Dieser Schritt ist riskant und kann viele mögliche Nebenwirkungen haben.

Petr Nečas  (Foto: ČTK)
Die vergangene Woche verlief nicht gut für die tschechische Regierung und insbesondere für ihren Chef, Premier Petr Nečas. Eigentlich sollte im Abgeordnetenhaus ein Maßnahmenpaket verabschiedet werden, das die Anhebung mehrerer Steuern beinhaltete. Bei der wichtigen Abstimmung verweigerten aber sechs Abgeordnete der größten Regierungspartei, der rechtsliberalen Demokratischen Bürgerpartei (ODS), ihrem Premier und Parteichef Nečas die Gefolgschaft und brachten das Gesetz zu Fall. Die Rebellen kritisieren insbesondere die Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt. Sie sagen, dies sei schädlich für die Wirtschaft und die Nachfrage der privaten Haushalte.

Angesichts dieser Niederlage war fast nur ein Detail am Rande, dass das viel kritisierte Gesetz über die Kirchenrestitutionen, das in der vergangenen Sitzungswoche ebenfalls verabschiedet werden sollte, auch nicht angenommen wurde. Die Kirchenrestitution wurde von der Regierung nämlich angesichts des Desasters bei den Steuergesetzen vorsorglich vom Sitzungsprogramm genommen.

Mit einem so offenen Widerstand in den eigenen Reihen ist die jetzige bürgerliche Regierung seit ihrem Amtsantritt noch nie konfrontiert worden. Doch Nečas gibt sich entschlossen, das so genannte Konsolidierungspaket durchzudrücken. Seine Regierung beschloss umgehend, dieses Gesetz unverändert noch einmal ins Parlament zu bringen, es aber diesmal mit der Vertrauensfrage zu verbinden. So etwas hat es seit der Wiedereinführung der Demokratie in Tschechien noch nie gegeben. Wie Nečas weiter erklärte, will er mit der Vertrauensfrage auch erkunden, ob an den Spekulationen über die wahren Motive der sechs Rebellen etwas dran ist:

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„Ich bin davon überzeugt, dass die nächsten Tage die wahren Motive zeigen. Wir werden jetzt verhandeln, und bald wird sich zeigen, ob in Wahrheit andere Motive im Spiel waren, als die Ablehnung der Steuerpolitik des Staates. Ich bin der Ansicht, dass die Verabschiedung des Sparpakets am besten alle möglichen Spekulationen über die Gründe widerlegen kann.“

Was die wirklichen Hintergründe der Abstimmungsniederlage sein könnten, fasst der Kommentator des Tschechischen Rundfunks, Petr Hartman, zusammen:

„Es ist natürlich schon interessant, dass dieser Konflikt zu einem Zeitpunkt entstanden ist, wo die öffentlichen Ausgaben der Stadt Prag überprüft werden, die Prager Verkehrsbetriebe wegen jahrelanger Misswirtschaft und Verschwendung von Steuergeldern in der Kritik stehen oder das stark defizitäre Projekt der elektronischen Gesundheitskarten aufgegeben werden soll. Bei den meisten der sechs Abgeordneten lassen sich bestimmte Verbindungen zu diesen Themen feststellen, und sie könnten daher aus Eigeninteresse gehandelt haben. In einigen Wochen finden zudem die Senats- und Regionalwahlen statt, die über die künftige Stellung von Premier Nečas entscheiden werden. Es gibt also eine Reihe von Motiven für das Verhalten.“

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Die bereits angesprochenen Wahlen von Anfang Oktober werden vor allem von den oppositionellen Sozialdemokraten herbeigewünscht. Ihre landesweiten Umfragewerte sind konstant gut, und die jetzige Krise im Regierungslager könnte sich als zusätzlicher Mobilisierungsschub für die eigenen Anhänger, aber auch für viele unentschlossene Wähler erweisen.

Die Sozialdemokraten gehen aber noch einen Schritt weiter. Sie fordern mittlerweile vorzeitige Neuwahlen ins Abgeordnetenhaus, die zum Beispiel mit den geplanten Präsidentschaftswahlen zusammengelegt werden könnten. Der Vorsitzende der Sozialdemokraten, Bohuslav Sobotka:

Bohuslav Sobotka,  foto: ČTK
„Wir halten es für vernünftig, die Verhandlungen schnell zu führen, damit die Neuwahlen mit der geplanten ersten Direktwahl des Staatspräsidenten zusammengelegt werden könnten. Das wäre eine Lösung für die jetzige kritische Lage, in welche die Regierungskoalition nach einigen Monaten erneut geschlittert ist.“

Es ist aber schwer anzunehmen, dass die Regierung nur so einfach klein beigibt. Nečas hat mit der angekündigten Verknüpfung der Steuergesetze und der Vertrauensfrage die Flucht nach vorne angetreten. Doch kann er gewinnen? Wie stark ist seine Position wirklich? Tatsache ist nämlich, dass nach der Spaltung der Partei der öffentlichen Angelegenheiten (VV) im Frühjahr, als ein Großteil ihrer Abgeordneten in die Opposition ging, die Regierungskoalition äußerst labil ist und über keine belastbare Mehrheit verfügt. Dazu sagt Petr Hartman vom Tschechischen Rundfunk:

Petr Hartman  (Foto: Vendula Kosíková,  Tschechischer Rundfunk)
„Ich denke, dass gerade Petr Nečas bemüht ist zu zeigen, dass seine Position stark ist. Sonst hätte er wohl das Gesetz über die Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht erneut umgehend ins Parlament geschickt und es mit der Vertrauensfrage verbunden. Er will nicht kampflos das Feld räumen und versucht so zu demonstrieren, dass er die Dinge voll unter Kontrolle hat und also Herr der Lage ist. Ob dies tatsächlich der Fall ist, wird sich in den kommenden Wochen und Tagen zeigen.“

Hinter den Kulissen wird nun viel verhandelt werden. Dabei gibt es ausreichend Gelegenheit, die Prinzipien der politischen Taktik einzusetzen. Wer hat den Vorteil auf seiner Seite: die Rebellen oder Premier Petr Nečas?

Foto: ČTK
„Rein theoretisch sind die Rebellen im Vorteil. Der Regierung fehlt jetzt offenkundig eine parlamentarische Mehrheit, ohne die sie nichts durchsetzen kann. Zudem lässt sich schon jetzt voraussagen, dass die Steuergesetze vom sozialdemokratisch kontrollierten Senat zurückgewiesen werden, und die Regierung noch einmal eine absolute Mehrheit im Abgeordnetenhaus erhalten muss, um dieses Veto zu durchbrechen. Und auf die Existenz einer solchen Mehrheit kann sie sich nicht verlassen, wie sich jetzt gezeigt hat“, so Hartman.

ODS-Rebellen  (Foto: ČTK)
Was kann Regierungschef Nečas den abtrünnigen Politikern anbieten? Zugeständnisse in der Sache an sich, das heißt bei der Höhe der einzelnen Steuersätze, wird es wohl keine geben können – dazu hat sich die Regierung zu eindeutig festgelegt, oder? Petr Hartman:

„Darüber lässt sich nur sehr schwer spekulieren. Eines ist aber sicher: Um die Höhe der Mehrwertsteuer geht es bei diesem Konflikt nur in der Nebensache. Das beweist schon allein der Umstand, dass bei einer früheren Abstimmung zu diesem Thema alle nun abtrünnigen Abgeordneten dafür waren. Wenn ihre Einwände also grundsätzlicher Art wären, hätten sie schon damals dagegen stimmen müssen. Vordergründig wird es also darum gehen, etwas an diesen Steuergesetzen zu ändern. In Wahrheit wird es wohl aber hinter den Kulissen Verhandlungen geben, bei denen es um Gegenleistungen für die Rebellen geht, damit zumindest einige der sechs ihre Meinung ändern.“