Eher Chance als Risiko: Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz beim Tschechischen Rundfunk?

Die Serie „Digitální spisovatel“ (Digitaler Schriftsteller) entsteht beim Tschechischen Rundfunk unter Nutzung von ChatGPT. Sie ist so erfolgreich, dass es bereits eine dritte Staffel gibt. Und auch in anderen Abteilungen greifen die Radiomacher auf Künstliche Intelligenz zurück.

Foto: Tschechischer Rundfunk

Im Januar 2021 stellte der Tschechische Rundfunk ein neues Projekt vor: Die Podcast-Serie „Digitální spisovatel“ präsentierte fünf fiktive Erzählungen, die von frei zugänglicher GPT-Software erstellt wurden. Künstliche Intelligenz (KI) hat sich damit einen festen Platz gesichert bei dem Medium, das nun 100 Jahre alt ist. Anna Vošalíková ist Chefproduzentin der Abteilung Marketing und digitale Dienste:

„Die Entwicklung geht sehr hastig voran. Es wird gerade viel über Künstliche Intelligenz und Sprachmodelle geredet, und das ist gut. Ich muss sagen, dass es seit unserer ersten Staffel des ‚Digitalen Schriftstellers‘einen wahnsinnigen Fortschritt gab. Die Modelle sind heute viel klüger, können bessere Texte schreiben und haben interessantere Einfälle. Und auch die Sprache wird besser angewandt.“

Das Projekt „Digitální spisovatel“ hat Vošalíková im März auch bei den Radiodays Europe in Prag vorgestellt. Dort habe ein reger Austausch mit den Radiomachern anderer Ländern stattgefunden, so die Redakteurin. Die meisten ihrer Kollegen würden Künstliche Intelligenz als eine riesige Chance betrachten und mit verschiedensten Produkten experimentieren…

„Es ist interessant, dass der Tschechische Rundfunk eine der ganz wenigen Einrichtungen ist, die über lange Zeit mit nur einem Modell arbeiten, und das ist GPT. Als einzige haben wir 2020 damit begonnen, und das setzen wir bis heute fort.“

Foto: Tschechischer Rundfunk

Beim „Digitalen Schriftsteller“ gehe es schon längst nicht mehr nur um Prosaerzählungen, fügt Vošalíková hinzu. Anlässlich des 100. Rundfunkjubiläums habe man in der dritten Staffel auch die Arbeit beim Radio reflektiert:

„Es gibt nun zwei Reportagen. In der einen geht es um die Entführung eines Künstlers von der Karlsbrücke durch Außerirdische, in der anderen um die Entdeckung einer neuen Burg im Böhmerwald. Beide hat der Moderator Jan Pokorný vom Radiožurnál eingelesen. Und der Podcast ist der erste ethische True-Crime-Podcast, denn die Verbrechen sind nicht wahr, könnten es aber sein.“

Abgesehen von dem Fiktiv-Projekt „Digitální spisovatel“ wird Künstliche Intelligenz mittlerweile auch in anderen Abteilungen des Tschechischen Rundfunks eingesetzt. Dies betrifft etwa Übersetzungen, den Tonschnitt oder das Transkribieren von Interviews. Vor allem im Newsroom des Nachrichtenportals iRozhlas.cz seien verschiedene Instrumente im Einsatz, berichtet Vošalíková:

„Die Redakteure vereinfachen sich damit etwa die Arbeit in den sozialen Netzwerken. Ich weiß aber, dass KI nicht zum Faktencheck eingesetzt wird oder zum Verfassen von Beiträgen – dies unterliegt immer der redaktionellen Arbeit. KI-Instrumente werden allerdings für Arbeiten genutzt, die zu einem gewissen Maß automatisiert sind oder einen hohen Grad an Routine haben. Außerdem wird im Tschechischen Rundfunk mit synthetischen Stimmen gearbeitet.“

Und was meint die Produzentin: Welche Rolle wird Künstliche Intelligenz in den kommenden Jahren beim Tschechischen Rundfunk spielen?

„Ich denke, eine ähnliche wie in einer ganzen Reihe anderer Bereiche, angefangen beim Schulsystem über unterschiedliche Bildungsmethoden bis hin zum Arbeitsmarkt. Instrumente der KI sind wirklich sehr wichtig und gut. Sie haben das Potential, sehr vielen Menschen eine Menge Arbeit zu erleichtern. Anhand des Projektes ‚Digitaler Schriftsteller‘ ist zugleich sehr schön zu sehen, welch großes kreatives Potential KI hat.“

Problematisch könne es aber werden, wenn die Transparenz leide, räumt Vošalíková ein. Bisher gebe es keine gesetzliche Regulierung, nach der die Nutzung von Künstlicher Intelligenz bei einem Produkt auch deklariert werden müsste. Sie selbst sei sich gar nicht sicher, inwiefern dies notwendig sei, gibt sich die Produzentin unentschlossen:

„Ein Risiko sehe ich in KI natürlich auch, denn die Gesetzgebung hinkt hinterher. Es besteht eine ganze Reihe an Problemen bei der Weiterverarbeitung von persönlichen Daten oder auch bei den Auswirkungen auf die Natur. Die Herstellung und Einübung von Sprachmodellen stellt eine riesige Umweltbelastung dar, dafür wird eine große Menge an Ressourcen verbraucht.“

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So müsse genau abgewogen werden, ob man etwa für die Wettervorhersage wirklich auch ein Sprachmodell brauche, das mit Billionen von Parametern ausgestattet sei, gibt die Produzentin ein Beispiel. Die Legitimität für den „Digitalen Schriftsteller“ hingegen sehe sie in der Expertise der Autoren und Schauspieler. Zwar könne sich mittlerweile jeder Mensch Texte von ChatGPT generieren lassen. Die professionelle Bearbeitung des Kunstprojektes könne aber bisher nur der Rundfunk leisten. Und das mache „Digitální spisovatel“ für die Hörer so interessant, resümiert Anna Vošalíková.