Ein Mann der frechen Rede - Vaclav Havel nimmt Dolf-Sternberger-Preis entgegen

Vaclav Havel

Der tschechische Ex-Präsident, Menschenrechtler und Schriftsteller Vaclav Havel ist im Prager Goethe-Institut mit dem Dolf-Sternberger-Preis für öffentliche Rede ausgezeichnet worden. Havel habe Sprache in politisches Handeln umgesetzt und somit die politische Bewusstseinsbildung der Tschechen geprägt, so die Begründung der Jury.

Unzählige Preise hat Vaclav Havel bereits erhalten und bei einer dieser Preisverleihungen merkte er an, bei jedem Preis werde er sich um einen Grad verdächtiger. Das aber war sicher nicht der Sinn des Dolf-Sternberger-Preises für öffentliche Rede. Denn Vaclav Havel erhielt diesen Preis gerade deshalb, weil er sich immer noch mutig für Menschen- und Bürgerrechte einsetze, so der Vorsitzende der Sternberger-Gesellschaft, Klaus Landfried.

"Die Sternberger-Gesellschaft sucht immer Redner, die im Sinne Dolf Sternbergers Sorgfalt mit dem Wort beweisen. Wer könnte besser geeignet sein als der mutige Bürgerrechtler, der Mensch Vaclav Havel, der Bürger und Präsident zugleich war."

Die Gesellschaft vergibt den mit 10 000 Euro datierten Preis seit 14 Jahren. Zu den Geehrten beipielsweise Willy Brandt und Joachim Gauck. Der Preis wird in Erinnerung an Dolf Sternberger vergeben. Der Publizist und Politikwissenschaftler hatte sich gegen den Einheitsgebrauch von Sprache in Diktaturen ausgesprochen und darauf beharrt, dass Sprechen Handeln sei. Eine Demokratie ohne Redekunst sei am Verdorren. Und genau darauf zielte Vaclav Havels Dankesrede ab:

"Wenn wir über das Thema Sprache und Politik reden, dann müssen wir unsere Aufmerksamkeit auf die Banalisierung politischer Sprache richten. Die Banalisierung politischer Sprache ist ein Merkmal banaler Gedanken und banaler Handlung. Es gibt Ausdrücke, Phrasen, sprachliche Klischees, die in der Luft wie Viren herumfliegen. Kaum einer ist gegen diese Viren immun. Gerade Politiker sollten es aber sein."

Diese Banalisierung der Sprache in Politik und Medien macht Havel augenscheinlich seit langem zu schaffen. Und einige dieser sprachlichen Ungetüme sind in Deutschland ebenfalls zu beobachten:

"Welch große Rolle der Tisch in der Politik spielt! Ein Thema ist auf dem Tisch - oder es ist nicht auf dem Tisch. Und dann natürlich: die Tagesordnung. Etwas steht auf der Tagesordnung, ist an der Tagesordnung oder ist nicht an der Tagesordnung. Vielleicht ist es auf dem Tisch, aber nicht an der Tagesordnung. Oder es ist noch nicht auf dem Tisch, steht dafür aber schon auf der Tagesordnung. Oder es ist weder auf dem Tisch, noch an der Tagesordnung. Und dann das Verb "vorstellen": Wir können uns etwas vorstellen oder wir können es uns nicht vorstellen. Wir können uns eine Koalition von Partei A mit Partei B vorstellen. Wir können uns Herrn C nicht als Minister vorstellen. Also leben wír in einer Welt von Imaginisten. Man kann den Eindruck bekommen, dass Geld etwas ähnliches wie Pilze oder Heidelbeeren ist, die man im Wald finden kann. Man hört auf Tschechisch oft, dass Geld gefunden werden muss, ja man spricht von 'Geldsuche'."

Schließlich ist auch Havel selbst nicht gegen diese Sprachviren immun, sagt er. So sei es geradezu an der Tagesordnung, dass er sich vorstellen könne, ein Thema endlich auf den Tisch zu bringen...