Ein Stück Toskana in Prag: die „Grébovka“

Foto: Martina Schneibergová

Er ist der zweitgrößte Park in Prag. Jeder Bewohner der Stadtteile Vinohrady, Vršovice und Nusle kennt ihn als das Ziel von Sonntagsspaziergängen. Im Volksmund heißt der Park Grébovka, auch wenn sein offizieller Name Havlíček-Park ist. Vor mehr als zehn Jahren wurde begonnen, dieses während des Kommunismus verwilderte und verwucherte Stück Prag mit der Villa Gröbe als Aushängeschild allmählich wieder in Stand zu setzen.

Weinberg-Altan
Einige Generationen Prager kennen die Grébovka als einen großen, aber etwas wild verwachsenen Park mit einer Villa, die aber geschlossen war. Unweit der Villa gab es zum Teil verfallene Mauern und eine mysteriöse Ruine. Eigentlich wusste damals kaum mehr jemand, was diese Ruine einst gewesen war.

Der verfallene Bau war ein Weinlokal gewesen, der so genannte Viniční altán, also Weinberg-Altan, der vor zehn Jahren nach den Originalplänen wieder aufgebaut wurde. Erneuert wurde auch der inzwischen verschwundene Weinberg, und jedes Jahr wird in der Grébovka auch ein Weinfest begangen.

Moritz Gröbe
Für die Instandsetzung des Parks sorgt der zweite Prager Stadtbezirk, der 1999 die Verwaltung des gesamten Areals übernommen hat. Ihren zweitgrößten Park verdanken die Prager dem Industriellen und Bauunternehmer Moritz Gröbe. Wäre er in den 1860er Jahren nicht auf die Idee gekommen, sich am Rande des heutigen Stadtteils Vinohrady niederzulassen, gäbe es den Park heutzutage bestimmt nicht. Höchstwahrscheinlich stünden heute an dem Ort nur weitere Miets- und Familienhäuser.

Moritz Gröbe suchte sich für seinen Familiensitz einen Ort, an dem Karl IV. im Jahr 1356 einen Weinberg errichten ließ. Der Weinberg hielt sich etwa 400 Jahre lang und gab der damals selbstständigen Gemeinde ihren Namen: Královské Vinohrady / Königliche Weinberge. Vinohrady, wie es heute heißt, erlebte im 19. Jahrhundert einen rasanten Aufschwung: 1869 zählte die Gemeinde rund 200 Häuser, Ende des 19. Jahrhunderts schon 850.

Villa Gröbe
Hedvika Hronová ist Architektin und arbeitet seit einigen Jahren an der Renovierung des Havlíček-Parks. Sie kennt sich mit der Geschichte der Grébovka gut aus:

„Ursprünglich befanden sich auf diesem Gebiet einige Anwesen, die damals hinter dem Stadttor standen. Gröbe kaufte die Grundstücke, nachdem er sich entschieden hatte, hier seinen Familiensitz zu errichten. Er war Mitbesitzer der bekannten Baufirma Lanna und Schebek, die unter anderem den Eisenbahntunnel gebaut hatte, der vom Hauptbahnhof Richtung Vršovice führt. Die Erde, die beim Bau des Tunnels abgebaut wurde, ließ Gröbe auf die gekauften Grundstücke transportieren. Das ursprüngliche Terrain war felsenreich. 60.000 Ladungen Erde wurden hier aufgeschüttet, damit wurde das Terrain teilweise geebnet. Gröbe ließ hier zwei Terrassen errichten. Auf der oberen Terrasse wurde dann die Villa erbaut. Die andere Terrasse gab es unten beim so genannten ‚Unteren Landhaus’ – im Tschechischen wird es Dolní Landhauska genannt. Als die Villa gebaut wurde, wohnte Gröbe mit seiner Familie eben in der Landhauska.“

Gröbe ließ sich beim Bau seines neuen Familiensitzes von toskanischen Villen inspirieren. Davon zeugen sowohl die im Neorenaissancestil erbaute Villa, als auch die künstliche Höhle, die so genannte Grotte, die er anlegen ließ.

„Gröbe war ein sehr nachdenklicher, besonderer Mensch, der viel Phantasie hatte. Er hatte eine konkrete Vorstellung, wie die Villa und ihre nächste Umgebung aussehen sollten. Mit dem Bau der Villa wurde Architekt Antonín Viktor Barvitius beauftragt. An der Gestaltung des Inneren beteiligte sich auch Josef Schulz, der Architekt des Prager Nationaltheaters und des Rudolfinums. Für die Ausschmückung sorgte Bildhauer Bohuslav Schnirch, der beispielsweise die Trigen auf dem Nationaltheater geschaffen hat. Es wird erzählt, dass Gröbe fast despotisch war, wenn es darum ging, seine Vorschläge zu verwirklichen. Ich meine, dass er ein außerordentlicher Mensch war, denn er hat das alles hier praktisch aus der Erde gestampft.“

Park um die Villa
Der Bau der Villa begann 1871 und wurde drei Jahre später beendet. Die Villa hatte damals 30 Zimmer, verzierte Decken und eine Marmortreppe. Die Arbeiten an der Gestaltung des Parks dauerten bis 1888. Leider konnte Gröbe die Villa und den Park nicht lange nutzen: Er starb bereits 1891. Seine Familie bemühte sich, die Villa mit dem großen Park aufrechtzuerhalten. Bis heute kann man im Park auf den Spuren von Gröbes Töchtern wandern. Hedvika Hronová:

„Gröbe hatte drei Töchter: Berta, Klotilde und Marie, und jede hatte hier im Park einen beliebten Ort. Wir haben diese Stellen gekennzeichnet. Klotilde liebte am meisten die Ecke über dem Wasserfall im romantischen Teil des Parks. Dort steht heutzutage eine Bank. Wir nennen den Ort ‚Klotildes Anhöhe’. Marie hatte einen beliebten Baum im Park, es ist eine kleine Linde unweit des Peruc-Tors. Der Baum heißt ‚Maries Linde’. Und Berta saß oft gern im Viniční altán.“

Marie Zieglerová
Die Familie Gröbe öffnete Ende des 19. Jahrhunderts den Park auch für die Öffentlichkeit. Die Villa vermietete sie an Elisabeth Marie von Österreich, die Enkelin von Kaiser Franz Josef. Elisabeth wohnte in den Jahren 1902 bis 1905 zusammen mit ihrem Mann Karl Otto zu Windischgrätz in der Villa. In dem Haus kam es damals sogar zu einer Schießerei. Windischgrätz verliebte sich angeblich in die populäre tschechische Operettensängerin Marie Zieglerová. Elisabeth soll ihren Mann mit der Sängerin in der Villa überrascht und auf die Nebenbuhlerin geschossen haben. Dieses Ereignis sorgte damals in Prag für Schlagzeilen und wurde sogar in einem Theaterstück verarbeitet. Windischgrätz und seine Frau verließen Prag, aber das Theaterstück wurde in der Moldaustadt auch weiterhin aufgeführt.



Pavillon
Die Familie Gröbe hatte finanzielle Probleme und ihr drohte, dass sie den Park stückweise verkaufen musste. Anfang des 20. Jahrhunderts beschloss der Gemeinderat von Královské Vinohrady, der Familie das ganze Areal abzukaufen. Hätte die Gemeinde dies damals nicht gemacht, wäre der ganze Park längst verschwunden. Damit sei der im europäischen Maßstab wertvolle Park erhalten geblieben, meint Hedvika Hronová:

„Wir wissen aus den damaligen Zeitschriften, dass die Prager am Sonntag gerne Ausflüge in die Grébovka unternahmen. Vor allem haben sie die Neptun-Grotte besichtigt. Während der Ersten Republik gab es hier das so genannte ‚Vivarium’, in dem exotische Tiere wie beispielsweise Affen oder Papageien gehalten wurden. In der Grotte sowie im Pavillon gab es damals beliebte Restaurants. In der Villa wurde ein Heim für Mädchen eingerichtet. Während des Zweiten Weltkriegs diente die Villa dann der Hitlerjugend. Bei der Bombardierung von Prag am Ende des Kriegs, am 14. Februar 1945, wurden die Villa und ein Teil des Parks beschädigt.“

Villa
Und der Nazi-Nachwuchs in der Villa wurde bald vom kommunistischen Nachwuchs abgelöst: In den 1950er Jahren war das Neorenaissance-Haus das Haus der Jungpioniere.

„In den 1950er Jahren wurde die Villa auch gründlich renoviert. Leider nicht nach den heutigen Denkmalschutzregeln. Die Gliederung der Räume wurde dem Zweck des Gebäudes angepasst. Es wurden hier Werkstätten und Tanzsäle eingerichtet. Das Interieur der Villa wurde im Stil des sozialistischen Realismus umgestaltet. Zum Glück sind die Originalentwürfe der Ausschmückung des Hauses in den Archiven erhalten geblieben. Wir haben dort beispielsweise gefunden, wie das Geländer der Villa ausgesehen hat, bevor es ersetzt wurde.“

Mittlerweile ist die Villa wieder nach den alten Plänen in Stand gesetzt. Die Öffentlichkeit kann das Interieur bei Konzerten besichtigen, die der zweite Prager Stadtbezirk dort veranstaltet. Architektin Hronová bemüht sich, auch den Park wieder so zu gestalten, wie er zu Moritz Gröbes Zeiten aussah:

„Der Park ist ein lebendiger Komplex: Die Bäume werden alt und gehen ein, und es wachsen hier inzwischen neue Pflanzen und Sträucher. Bei der Arbeit an der Gestaltung des Parks haben wir Resultate von dendrologischen Untersuchungen aus den 1960er Jahren gefunden. Anhand dieses Dokuments konnte sich die Gartenarchitektin eine Vorstellung davon machen, wie es hier ungefähr ursprünglich ausgesehen hat. Gröbe hatte nicht mit Wasser gespart: In seinem Park gab es einige kleine Seen. Es ist uns gelungen, einen Plan der Wasserleitung im Park zu finden. Damals war wahrscheinlich das Wasser nicht so teuer wie heutzutage. Im romantischen Teil des Parks ließ Gröbe einen künstlichen See mit einem Wasserfall errichten. Dieser wurde über die städtische Wasserleitung versorgt. Auf dem Originalplan haben wir zudem Stellen entdeckt, an der es früher einige Springbrunnen gab.“

Die Revitalisierung des Parks Grébovka wird kommendes Jahr beendet. Aber schon jetzt können die Besucher durch den oberen romantischen Teil des Parks spazieren, die Neptun-Grotte besichtigen oder im Viniční Altán den hiesigen Wein kosten. Im Pavillon neben der Villa gibt es wieder - wie einst - ein Café. Falls Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, bei Ihren Prag-Visiten durch einen der Prager Parks spaziert sind und dort eine schöne Ecke entdeckt haben, können Sie uns darüber schreiben. Aus den Zuschriften wird in vier Wochen ein Gewinner einer CD mit tschechischer klassischer Musik ausgelost. Ihre Zuschriften senden Sie bitte an Radio Prag, Vinohradská 12, 120 99 Prag 2, Tschechien. Sie können uns natürlich auch eine Mail schicken, und zwar an: [email protected].

Fotos: Autorin