Einmarsch am 21. August 1968

Einmarsch am 21. August 1968 (Foto: Engramma.it, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0)
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Vor 50 Jahren sind die Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei einmarschiert. Ein historischer Überblick.

Einmarsch am 21. August 1968  (Foto: Engramma.it,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0)
100.000 Soldaten, 2300 Panzer und 700 Flugzeuge: In der Nacht zum 21. August überschritten die Truppen des Warschauer Paktes die Grenzen der Tschechoslowakei. Während des ersten Tages der Okkupation kamen 58 Menschen ums Leben.

Die Ereignisse am 21. August 1968 folgten eines auf das andere und das in einem rasenden Tempo. Um zwei Uhr nachts landeten sowjetische Flugzeuge mit Soldaten und schwerer Militärtechnik auf dem Prager Flughafen Ruzyně.

„Sehr geehrte Hörerinnen und Hörer, bleiben Sie am Apparat, in Kürze bringen wir eine wichtige Nachricht“, meldete der Tschechoslowakische Rundfunk um 1.30 Uhr. Als erstes Medium informierte er damals über die Okkupation der Tschechoslowakei.

Oldřich Černík  (Foto: Nationalarchiv,  Wikimedia Commons,  Public Domain)
Um drei Uhr morgens nahmen sowjetische Fallschirmspringer den damaligen tschechoslowakischen Premier Oldřich Černík fest. Später verhafteten sie auch den ersten Sekretär der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei Alexander Dubček, den Vorsitzenden der Nationalen Versammlung, Josef Smrkovský, den Vorsitzenden des Zentralkomitees, František Kriegel sowie Josef Špaček, der Sekretär des Zentralkomitees der Partei war. Um 7.30 Uhr trafen die ersten Panzer der Besatzer vor dem Prager Rundfunkgebäude ein. Nach nur knapp zwei Stunden hatten die Soldaten das Funkhaus besetzt. Den Mitarbeiter des Rundfunks gelang es damals trotzdem noch, sieben Tage lang frei zu senden. Damit sind sie in die Geschichte eingegangen.

Die Bevölkerung war damals schockiert. Gab es überhaupt irgendwelche Anzeichen dafür, dass es zum Einmarsch kommt? Historiker Prokop Tomek:

Šumava -Militärübungen  (Foto: Archiv des Militärhistorischen Instituts in Prag)
„Es gab eine Reihe von derartigen Anzeichen. Dazu werden die Šumava -Militärübungen gerechnet, die im Juni 1968 von der sowjetischen Seite erzwungen worden sind. Es schien damals, dass es sich um eine Übung zur Intervention und dauerhaften Besetzung der Tschechoslowakei handelte. Als weitere Anzeichen für die geplante Okkupation gelten einige Treffen der kommunistischen Parteien der Ostblockländer. Die tschechoslowakischen Kommunisten lehnten es ab, am Treffen in Warschau teilzunehmen, das im Juli 1968 einberufen worden war. Aus den Beschlüssen dieser Tagungen ging hervor, dass der Sozialismus in der Tschechoslowakei gefährdet sei und dass die anderen sozialistischen Staaten nicht zulassen werden, dass das Land seinen eigenen Weg geht. Man muss sich da schon die Frage stellen, ob die damalige politische Führung von Dubček nicht ein wenig leichtsinnig war und ob sie sich nicht darauf verlassen hat, dass es hoffentlich nicht zum Allerschlimmsten kommt. Die damalige Politik war vermutlich nicht vollständig durchdacht.“

Bis 1990 hat die Okkupation der Tschechoslowakei 402 Menschen das Leben gekostet. Allein am 21. August haben die Besatzer 58 Menschen getötet, viele von ihnen wurden erschossen. Der Historiker:

Prokop Tomek  (Foto: Jana Přinosilová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Wir haben bis Ende 1968 etwa 137 Opfer gezählt. Vor allem in den ersten Wochen gab es viele tödliche Schussverletzungen. Nicht immer fielen die Menschen jedoch direkt in die Hände der Besatzungstruppen. Beim Prager Rundfunkgebäude explodierte in der Straße Balbínova beispielsweise Munition von einem sowjetischen Panzer, den die Demonstranten angezündet hatten. Die Besatzung flüchtete, der Panzer explodierte, und dabei sind fünf Zivilpersonen ums Leben gekommen, die gerade in der Nähe standen.“

Es sei aber kompliziert, genaue Opferzahlen zu nennen, sagt Prokop Tomek. Viele Menschen sind bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen, die die Militärfahrzeuge verursachten.

„Es gab auch Fälle, wo die Soldaten gemordet haben. In Nordböhmen hat ein Deserteur namens Karnauschenko einen Menschen erschossen, der ihn im Auto mitgenommen hat. Im September 1968 erschoss ein betrunkener polnischer Soldat zwei Tschechen in der Stadt Jičín, mehrere andere hat er verletzt. Am 25. August erschossen wütende Soldaten einer sowjetischen Militärkolonne im mährischen Prostějov drei Personen und verletzten neun weitere. Die Soldaten der Besatzungstruppen hatten scharfe Munition, waren unter Druck, sie wurden schlecht versorgt, darum kam es auch zu Diebstählen. Andererseits wurden ihnen eingetrichtert, dass sie sich de facto in Feindesland befinden, dass da Konterrevolutionäre leben würden und dass es eigentlich eine Strafexpedition sei. Es ist zudem Frage, wie gut die einfachen Soldaten darüber informiert waren, wo sie sich befanden. Die Befehle lauteten vermutlich: ,Fahrt dorthin und dorthin und sollte jemand Widerstand leisten, bringt ihn zum Schweigen.‘“