Eishockey-Professor Luděk Bukač feiert hohes Lebensjubiläum
Am Dienstag vergangener Woche feierte ein Großer des tschechischen Eishockeys seinen 80. Geburtstag: der ehemalige Auswahlspieler und Nationaltrainer Luděk Bukač. Aufgrund seines fachlichen wie pädagogischen Geschicks und seines Doktortitels in Philosophie wird Bukáč seit Jahren auch als der „Professor“ unter den Eishockey-Gelehrten geschätzt. Als Chefcoach führte er die Tschechoslowakei und die Tschechische Republik je einmal auf den WM-Thron. Von 1985 bis 1994 trainierte er zudem die Nationalmannschaften aus Österreich und Deutschland.
„Schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg habe ich mich dem LTC Prag angeschlossen, er war seinerzeit der berühmteste tschechoslowakische Eishockeyclub. Das war im Jahr 1946, in dem auch Mike „Matěj“ Buckna, ein Kanadier mit slowakischen Wurzeln, als Trainer zum LTC zurückkehrte. Seitdem habe ich quasi ein Leben für den Eishockeysport geführt – zunächst als Spieler, dann als Trainer sowie viele Jahre auch als Dozent an der Hochschule.“
Als Aktiver absolvierte Bukač 330 Ligaspiele für drei tschechische Vereine und schoss 153 Tore. Das Trikot der ČSSR-Auswahl trug er 30 Mal, er erzielte elf Treffer und gewann bei zwei WM-Teilnahmen je einmal Silber und Bronze. Im Vergleich zu späteren tschechischen Eishockeystars ist das eine eher bescheidene Ausbeute. Vordenker Bukač aber macht dazu eine eigene Rechnung auf:
„Wir waren damals die Einzigen, die mit den übermächtigen Sowjets Schritt halten konnten. Letztlich haben wir sie später bei der WM 1972 in Prag besiegt. Aber die Einschätzung dessen, ob ich erfolgreich war, hängt für mich persönlich nicht einfach nur davon ab, ob ich zehn Titel oder zehn Medaillen gewonnen habe. Für mich ist wesentlicher, wenn jemand zum Ende seiner Karriere sagen kann, dass er sich stets durchgesetzt hat und der Mannschaft helfen konnte. Und dass er sich als Spieler auch selbst verwirklicht hat.“Seine Karriere als Spieler beendete Bukač 1967. Noch während der aktiven Zeit bei Sparta Prag begann er ein Studium der Philosophie. Das war, so der Jubilar, auch dem Generalsekretär des kanadischen Eishockey-Amateurverbandes zu Ohren gekommen, der ihn daraufhin zu einem halbjährigen Praktikum nach Nordamerika eingeladen habe. Um die Einladung auch wahrnehmen zu können, brauchte er dringend Hilfe:
„Damals hatte ich riesiges Glück, denn Sparta war eine große Organisation. Der Verein hatte auch einen eigenen Fanklub, und dessen Vorsitzender war der Sohn von Staatspräsident Antonín Novotný. Vor der Saison 1965/66 habe ich im Verein bekanntgegeben, dass ich zum Studium nach Kanada gehe. Ich hatte die Einladung, die Flugtickets, doch auf einmal bekam ich weder Pass noch Visum. Davon erfuhr der Fanklubvorsitzende und sagte: ‚Komm morgen in mein Büro.‘ Als ich tags darauf zu ihm kam, hatte er gerade den Telefonhörer in der Hand und sagte mir: ‚Geh deinen Pass abholen, alles ist vorbereitet‘.“
„Nur ein Jahr später lud mich Anatoli Tarassow ins Camp von ZSKA ein. Als sowjetischer Coach wollte er von mir natürlich wissen, wie in Kanada trainiert wird."
Während seines Kanada-Aufenthalts war Bukač 1965 zudem nebenher als Spielertrainer bei den Oklahoma City Blazers (Farmteam der Boston Bruins) tätig. Kaum aus Kanada zurück, wurde Bukač auch schon in Moskau erwartet:
„Nur ein Jahr später lud mich Anatoli Tarassow ins Camp von ZSKA ein. Als sowjetischer Coach wollte er von mir natürlich wissen, wie in Kanada trainiert wird. Denn für ihn zählte nur eins: Er musste die Kanadier besiegen.“
Von da ab war Bukačs Weg als Trainer vorgezeichnet. Schon als 32-Jähriger begann er als Headcoach bei Sparta Prag. Er trainierte Košice /Kaschau, České Budějovice / Budweis und als Chef ab 1981 auch die tschechoslowakische Nationalmannschaft. 1985 krönte er diesen Abschnitt mit dem WM-Sieg in Prag. Dieser Titel sei für das ganze Land etwas Besonderes gewesen, weil man ihn zu Hause geholt und noch dazu die Hegemonie der Sowjets durchbrochen habe, betont Bukač. Aber auch für ihn persönlich sei es der Höhepunkt in seiner Amtszeit als ČSSR-Trainer gewesen. Dazu schildert er die Begebenheit, wie ihm der damals ranghöchste Sportfunktionär des kommunistischen Staates, ČSTV-Chef Antonín Himl, 1980 den entsprechenden Vertrag unterbreitete:
„Er sagte mir, dass ich die Nationalmannschaft nach den Olympischen Spielen übernehmen werde. Er übergab mir einen Fünf-Jahres-Vertrag und fügte hinzu: ‚Wenn du bei einer WM Erster wirst, dann werde ich dir Beifall zollen. Wirst du Zweiter, werde ich zufrieden sein. Wirst du Dritter, gebe ich dir die Hand und verwinde es. Wirst du aber Vierter, reiche ich dir die Hand zum Abschied‘.“Luděk Bukač wurde aber nicht gefeuert, sondern ging in Ehren. Danach hatte er Angebote aus Washington und Buffalo, jedoch nur als Co-Trainer. Der Umworbene griff dafür bei den Nachbarn zu und coachte von 1985 bis 1991 das Nationalteam Österreichs und danach für drei Jahre die deutsche DEB-Auswahl:
„Der Job des Bundestrainers, das war ähnlich anspruchsvoll wie Coach der New York Rangers zu sein. Auch in Deutschland sind die Medien sehr präsent. Zudem hatte ich mit Olympia 1992 und 1994 sowie der Heim-WM 1993 drei große Turniere vor mir, bei denen die Erwartungen ziemlich hoch lagen. Das war nicht ganz einfach.“
„Die deutschen Spieler hatten einen unbändigen Siegeswillen, ganz anders als die Österreicher. Denen fehlte es an Durchsetzungskraft, von daher musste ich sie immer auf verschiedenste Weise motivieren.“
Er habe den deutschen Traum von einer Medaille zwar nicht realisieren können, doch an tolle Siege wie gegen Schweden 1992 bei der WM in Prag oder gegen Russland bei den Spielen in Lillehammer erinnere er sich noch heute gern, so Bukač. Und der Jubilar entsinnt sich ebenso feiner Unterschiede:
„Die deutschen Spieler hatten einen unbändigen Siegeswillen, ganz anders als die Österreicher. Denen fehlte es an Durchsetzungskraft, von daher musste ich sie immer auf verschiedenste Weise motivieren. Bei den Deutschen genügte ein guter Spruch, und alles ging wie von selbst.“
Die Zeit als deutscher Bundestrainer habe ihm sehr viel gegeben, und er möchte sie schon deshalb nicht missen, weil er sowohl mit seinen Vorgesetzten als auch mit seinen Mitarbeitern ein sehr gutes und faires Verhältnis hatte, betont Bukač:
„Die Menschen, mit denen ich damals in Kontakt stand, waren allesamt seriöse Leute. Sie wollten von mir Leistung sehen, doch sie gaben mir ebenso uneingeschränktes Vertrauen und warfen mir niemals vor, dass ich aus der Tschechoslowakei komme, die damals ein kommunistisches Land war. Auch ich hatte großen Respekt vor ihnen. Ich muss sagen, wir haben uns gegenseitig und vollkommen auf Augenhöhe respektiert.“Nach seiner Tätigkeit in Österreich und Deutschland ging Bukač wieder zurück in seine Heimat und übernahm ein zweites Mal die Nationalmannschaft. Nun aber war es die der inzwischen selbständigen Tschechischen Republik. Mit diesem Team feierte er 1996 seinen zweiten WM-Triumph. Es wäre ein toller Schlusspunkt für seine Trainertätigkeit geworden, hätte er nicht einige Monate später auch noch den Weltcup bestreiten müssen. Denn dabei ereilte ihn schließlich seine größte Pleite: das 1:7 gegen Deutschland in Garmisch-Partenkirchen. Er habe dies aber kommen sehen, versichert der 80-Jährige:
Anstatt der WM-Helden von Wien wollte man die jungen NHL-Spieler im Team sehen. Die aber glaubten, es gehe auch ohne Training. Deshalb hat dann auch ein Thomas Brandl einen Jaromir Jágr völlig abgemeldet.“
„Wir haben den Weltcup de facto ohne Vorbereitung bestritten, und auch weil die Presse damals Druck machte, wurde der Kader umgekrempelt. Anstatt der WM-Helden von Wien wollte man die jungen NHL-Spieler im Team sehen. Die aber glaubten, es gehe auch ohne Training. Deshalb hat dann auch ein Thomas Brandl einen Jaromir Jágr völlig abgemeldet.“
Für seine Verdienste wurde Luděk Bukač 2007 in die Hall of Fame des Internationalen Eishockey-Verbandes IIHF aufgenommen und einige Jahre danach ebenso in die Ruhmeshalle des tschechischen Eishockeys. Er hat mehrere wissenschaftliche Abhandlungen und methodische Handbücher über Eishockey geschrieben, 1991 gründete er mit seinem Sohn zudem eine Eishockeyschule.
Heute ist Bukač ein zufriedener Mensch. Er fühlt sich körperlich und geistig wohl – und er genießt das Leben:
„Ich bin froh über alles, was mir das Leben gegeben hat. Ich weiß, dass mich die Leute schätzen und dass sie in mir einen Experten wie auch fairen Menschen sehen. Dafür bin ich dankbar.“