Eishockey: Sparta Prag feiert 110-jähriges Jubiläum - und ist Tabellenführer

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In der höchsten Eishockey-Spielklasse Tschechiens, der Extraliga, wird seit Mitte September die 21. Saison ausgespielt. Die 14 Clubs der Liga können indes auf eine deutlich längere Geschichte zurückblicken. Der wohl traditionsreichste Verein ist der HC Sparta Prag, er feierte vor wenigen Tagen sein 110-jähriges Jubiläum. Die aktuelle Mannschaft der Hauptstädter gibt in der laufenden Punktspielserie klar den Ton an und führt in der Tabelle mit zehn Punkten Vorsprung auf das bisherige Überraschungsteam der Saison, den HC Mountfield Hradec Králové. Vertreter beider Clubs standen Radio Prag unlängst zu Interviews zur Verfügung.

HC Sparta Prag 1907  (Foto: Archiv HC Sparta Prag)
Der HC Sparta Prag wurde am 6. Dezember 1903 gegründet, er gehört damit zu den ältesten Eishockeyclubs der Welt. Bis auf die Saison 1950/51 spielten die Hauptstädter stets in der höchsten Spielklasse der Landes (1936-1993 Tschechoslowakei, ab 1993/94 Tschechien) und errangen dabei acht Meistertitel (je vier in der Tschechoslowakei und in Tschechien). Zudem gewann der Traditionsverein zweimal den berühmten Spengler Cup und stand im Jahr 2000 im Finale der Europaliga.

Petr Bříza  (Foto: ČTK)
Neun Spielzeiten stand der inzwischen 49-jährige Petr Bříza im Tor der Prager und trug zu drei Titelgewinnen bei. In seiner aktiven Karriere spielte Bříza zudem sechs Jahre für den EV Landshut. Nach dem Karriere-Ende im Jahr 2006 arbeitete er zunächst als Generalmanager bei Sparta Prag, seit 2010 ist er der Vorstandsvorsitzende des Clubs. Aus Anlass des Vereinsjubiläums stand Bříza auch Radio Prag gegenüber Rede und Antwort:

Herr Bříza, in dieser Saison feiert der HC Sparta Prag das 110-jährige Jubiläum seit seiner Gründung. Was verbinden Sie mit dieser Tradition?

Sparta-Anhänger  (Foto: ČTK)
„Sparta war und ist immer ein Club, der Interesse weckt – so wie wohl alle Sportclubs der großen internationalen Hauptstädte. Vor diesem Hintergrund haben wir auch die meisten Anhänger im Land, die sich jedoch in zwei Lager teilen: Auf der einen Seite sind es die Fans der Gegner, die uns hassen und gern verlieren sehen, auf der anderen Seite sind es unsere eigenen Fans, die uns lieben und sich über unsere Siege freuen. Das ist meiner Meinung nach das Besondere von Sparta gegenüber den anderen tschechischen Clubs.“

Also ist Sparta ein Verein, der die Nation spaltet…

„Nein, so würde ich das nicht sagen. Wir sind vielmehr ein Verein, der über Prag hinaus eigentlich in allen Regionen des Landes populär ist. Man muss doch nur einen Blick auf die Zuschauerzahlen werfen, dann sieht man: Sparta ist seit Jahrzehnten der Eishockeyclub in Tschechien, der bei seinen Auswärtsspielen die meisten Besucher in die Arenen lockt. Denn an jedem Spieltag, bei dem wir auswärts antreten, macht es sich die Konkurrenz zur Parole: Wir wollen Sparta schlagen! Und das macht Spaß.“

Wie bei jedem großen Sportclub gibt es in dessen Geschichte auch immer Höhen und Tiefen. Das war bei Sparta nicht anders: Der Club hat bisher acht Titel errungen, hat andererseits aber auch schon in der Abstiegsrunde gespielt. Es gibt jedoch eine Konstante, die man hervorheben sollte: Bis auf die Saison 1950/51 hat Sparta stets im Oberhaus gespielt, ist seitdem nie wieder abgestiegen. Ist das auch für Sie ein wichtiger Beleg dafür, dass Sparta Prag eigentlich von Anfang an zum Kern des tschechischen Eishockeys gehört?

HC Sparta Prag 1934  (Foto: Archiv HC Sparta Prag)
„Natürlich, auch das ist Teil unserer wirklich langen Tradition. Als wir die Feier zu unserem Jubiläum vorbereitet haben, haben wir unter anderem in den Filmarchiven sehr, sehr lange nach historischen Aufnahmen gesucht. Dabei haben wir interessantes Material gefunden und festgestellt: Schon in den 1920er und 30er Jahren waren die Kommentare bei Spielen mit Sparta sehr emotional. Man konnte also förmlich spüren, dass es bei Eishockey-Begegnungen mit Sparta schon immer besonders aufregend zuging und die Zuschauer daran stets großes Interesse hatten. Und das macht eigentlich unsere Tradition aus. Also nicht nur die Tatsache, dass wir so gut wie nie abgestiegen sind, sondern meistens weit vorn standen und Emotionen geweckt haben.“

Gab es in der 110-jährigen Geschichte von Sparta auch eine Periode, in der der Verein besonders beliebt und bekannt war? Welche Spieler haben Sparta besonders geprägt?

Richard Žemlička  (rechts). Foto: ČTK
„Hier will ich zunächst auf 1950er bis 70er Jahre eingehen. Es war jene Zeit, in der in der damaligen Tschechoslowakei mehrere künstlich gebildete Vereine gegründet wurden, nämlich die Clubs der Polizei oder der Armee. Diese Clubs haben sich vor jeder Saison stets die besten Spieler geholt, so dass es auch für Sparta schwierig war, damals Titel zu gewinnen. Die beste Zeit für Sparta wurde eingeläutet mit Beginn der 1990er Jahre, als der Unternehmer Antonín Charouz neuer Mehrheitseigner des Clubs wurde und das Heft des Handelns übernahm. Er war von 1994 bis 2012 der Chef des Vereins, in dieser Zeit hat Sparta vier Titel gewonnen. In diese Zeit fallen natürlich auch die Namen der ganz großen Sparta-Spieler, zum Beispiel der des auch in Deutschland bestens bekannten Richard Žemlička. Stellvertretend für all die anderen, die es noch aufzuzählen gäbe, möchte ich František Kučera nennen – ein damals sehr spielstarker Verteidiger, der 1998 am historischen Olympiasieg der Tschechischen Republik in Nagano beteiligt war.“

Foto: ČTK
In dieser Saison führt Sparta die Liga souverän an. Was hat man diesmal bislang besser gemacht im Vergleich zu vorherigen Spielzeiten?

„Unsere jetzigen Eigentümer haben sehr viel Geld in den Verein gesteckt und in den Kader investiert. Bei den Neuverpflichtungen hatten wir das Glück, dass wir viele gute Spieler holen konnten, weil sie zum entsprechenden Zeitpunkt auch auf dem Markt waren. Jeder große Club, der hohe Erwartungen zu erfüllen hat, muss einfach stabile finanzielle Verhältnisse haben. Und das haben wir zum Glück dank unserer Eigentümer.“


Trainer Draisaitl: Mein Team ist nach Weggang von Budweis enger zusammengerückt

HC Mountfield Hradec Králové  (Foto: ČTK)
In der Relegation zu Ende der vergangenen Saison hatte es zwar kein Verein der zweiten Liga geschafft, ins Oberhaus aufzusteigen, dennoch spielt in der Extraliga seit diesem Herbst ein neues Team: der Mountfield HK. Hintergrund ist, dass sich die Besitzer des HC Mountfield in České Budějovice / Budweis mit den Vertretern der südböhmischen Stadt überwarfen und daraufhin kurzerhand ins ostböhmische Hradec Králové / Königgrätz umzogen. Der Wechsel sorgte für Wirbel und Spieler wie Trainer des neuen Vereins kamen anfangs kaum zur Ruhe. Deswegen hatte die Mannschaft aus Hradec Králové auch fast niemand auf der Rechnung. Viele sahen die Elbestädter nur gegen den Abstieg kämpfen, doch auch drei Begegnungen nach der Hälfte der Punktspielserie liegen sie sensationell auf dem zweiten Tabellenrang. Ein Grund mehr, warum Radio Prag vor kurzem mit dem Headcoach des Teams, dem Ex-DEB-Nationalspieler Peter Draisaitl, gesprochen hat. Draisaitl stammt aus einer deutschsprachigen Familie aus Nordmähren.

Peter Draisaitl  (Foto: ČTK)
Herr Draisaitl, gegen den souveränen Spitzenreiter Sparta Prag hat Ihre Mannschaft in dieser Saison schon zweimal klar verloren, heute aber hat sie aus Prag zwei Punkte entführt. Was hat sie diesmal besser gemacht?

„Wir haben gegen Sparta besser verteidigt als in den Spielen zuvor. Wir waren etwas besser eingestellt und haben relativ stabil gespielt.“

Sie haben schon zu Saisonbeginn gesagt, Sie trauen Ihrer Mannschaft mehr zu als viele glauben. Aber haben Sie es wirklich für möglich gehalten, dass sie nach der Hälfte der Punktspielserie auf Platz zwei stehen und erster Verfolger des Spitzenreiters sind?

„Nein, meine Überlegungen waren ganz andere. Ich wollte eine gewisse Entwicklung sehen im Vergleich zum Vorjahr. Und ich wollte im Team eine Winner-Mentalität entfachen. Beides setzt die Mannschaft bisher hervorragend um.“

Glauben Sie, dass Ihnen dabei der Umzug von Budweis nach Hradec ein wenig geholfen hat?

„Es kann durchaus sein, dass das Team ein Stück mehr zusammengerückt ist durch die sehr schwierige Situation im Sommer. Das kann durchaus dazu beigetragen haben.“

Jiří Šimánek  (Foto: ČTK)
Also hat Ihr Team eine Art Trotzreaktion gezeigt auf all jene, die der Mannschaft nichts zugetraut haben…

„Wir wussten, dass uns die meisten komplett abgeschrieben haben, besonders in dieser speziellen Situation. Wir wollten natürlich beweisen, dass das ein bisschen zu negativ gedacht war.“

Wer sind die Führungsspieler im Team?

„Das sind definitiv Kapitän Jiří Šimánek und seine zwei Stellvertreter František Ptáček und René Vydarený. Diese Drei haben alles im Griff. Ptáček möchte ich aber noch etwas hervorheben: Wegen einer Verletzung konnte er in der Saison-Vorbereitung nicht richtig mitziehen. Dafür spielt er jetzt umso besser.“

Quelle: Tschechisches Fernsehen
Jetzt hat mindestens jeder kapiert, dass sie zu Recht auf dem zweiten Platz stehen. Wird der Sieg heute bei Sparta Ihr Team folglich noch mehr puschen frei nach der Devise: Wenn wir weiter so an uns arbeiten, dann können wir auch eine Mannschaft wie Sparta schlagen?

„Wir sind so aufgestellt, dass wir uns das generell nicht aussuchen können. Wir müssen jedes Spiel gut vorbereitet sein und an unserem Limit spielen, wenn wir in dieser Liga Punkte holen wollen. Das ist der einzige Weg für uns, und den verfolgen wir. Von daher ist der Platz, den wir im Moment inne haben, noch relativ uninteressant. Es ist gerade mal die Hälfte der Punkterunde gespielt. Wir werden also nichts anderes tun als das, was wir bis jetzt versucht haben.“

Hradec-Anhänger  (Foto: ČTK)
Wie helfen Ihnen und der Mannschaft Ihre neuen Fans in Hradec Králové?

„Ich muss ganz ehrlich gestehen, wir wussten rein gar nicht, was uns nach dem Weggang aus Budweis in Hradec erwartet. Aber nach all den bisherigen Erfahrungen kann ich sagen: Die Fans sind wirklich famos. Wie sie uns unterstützen, zu Hause und auswärts, ist einfach grandios.“

Wie gefällt es Ihnen persönlich in Hradec?

„Ich würde mal so sagen: Wenn zumindest ein kleiner Erfolg da ist, dann gefällt es mir überall.“

Aber der Heimweg nach Deutschland ist doch jetzt ein wenig länger geworden oder?

„Nein, die Fahrt von Hradec zum Prager Flughafen, von dem aus ich öfter nach Köln fliege, ist jetzt kürzer.“

Autor: Lothar Martin
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