Eishockey World Cup: Tschechiens Cracks halten Hlinkas Vermächtnis in Ehren

Eishockey World Cup: Tschechien - Kanada (Foto: CTK)

Der World Cup im Eishockey hat die tschechische Sportnation in den vergangenen zwei Wochen wieder enger zusammenrücken und mitfiebern lassen. Ob dabei die Begeisterung oder die Enttäuschung überwog, das verraten Ihnen nun Lothar Martin und Thomas Kirschner im heutigen Sportreport.

Eishockey World Cup: Tschechien - Kanada  (Foto: CTK)
Die Enttäuschung über das frühzeitige Ausscheiden bei der Eishockey-Weltmeisterschaft im eigenen Land war in Tschechien nur von kurzer Dauer. Zum einen hatten die Cracks um NHL-Superstar Jaromír Jágr in der Prager SAZKA Arena sieben vorwiegend sehenswerte Spiele abgeliefert, von denen sie sechs gewonnen hatten. In der siebten Partie, dem Viertelfinalduell gegen die USA, mussten sie sich darüber hinaus erst nach Verlängerung und Penaltyschießen geschlagen geben. Und der zweite Grund für das nur kurzzeitige Trübsal blasen ließ auch nicht lange auf sich warten, denn nur wenige Tage nach Beendigung der WM hatte die Nationalmannschaft in Ivan Hlinka ihren neuen Cheftrainer gefunden. Jener Hlinka also, unter dem die tschechischen Eishockeyspieler mit dem Olympiasieg 1998 in Nagano ihren bisher größten internationalen Erfolg gefeiert haben und diesem mit Hlinka gleich ein Jahr später einen weiteren WM-Titel folgen ließen. Ivan Hlinka, der als Aktiver selbst dreimal Weltmeister geworden war, genoss hierzulande den Ruf eines Siegertypen, der sich dank seines Charismas und seiner offenen Art zudem einer großen Beliebtheit erfreute. Mit dem 54-jährigen Coach sollten der seit 2001 unterbrochenen Erfolgskette endlich wieder neue Glieder hinzugefügt werden. Die erste Gelegenheit dazu sollte sich auch schon bald ergeben, denn vom 30. August bis zum 14. September dieses Jahres war der zweite World Cup angesetzt.

Ivan Hlinka  (Foto: CTK)
Wie wir am 16. August und danach ausführlich berichtet haben, ist es zu dieser neuerlichen Erfolgsallianz leider nie gekommen. Denn Ivan Hlinka ist an jenem Tag an den Folgen eines schweren Verkehrsunfalls verstorben. Sein Tod hatte eine riesige Lücke gerissen in die weiten Reihen der tschechischen Eishockey-Prominenz, und für einige Stunden schien keiner im Tschechischen Eishockeyverband (CSHL) so recht zu wissen, wie es ohne Hlinka weitergehen soll. Doch es musste wie immer weitergehen und eine Entscheidung über seinen Nachfolger schnell getroffen werden, denn der World Cup stand schon unmittelbar vor der Tür. In Vladimír Ruzicka, dem einstigen Mitspieler und Schützling von Hlinka, wurde er gefunden. Allerdings nur für die Aufgabe, die mit all ihren besten NHL-Cracks gespickte Auswahl während des World Cups zu coachen. Und Ruzicka, der 41-jährige Trainer und Generalmanager des HC Slavia Prag in Personalunion, ließ dann auch keinen Zweifel daran, dass er mit der ihm anvertrauten Mannschaft beim World Cup Großes leisten wolle:

"Es erwartet uns eine harte Aufgabe, aber ich denke, keiner von uns hat Angst davor. Wir werden selbstverständlich versuchen, das bestmöglichste Ergebnis herauszuholen, und ich denke, die Spieler, wir alle, werden für Ivan spielen."

Welchen Eindruck die tschechische Mannschaft beim Weltpokal-Turnier hinterlassen und mit welchen Platz sie es am Ende abgeschlossen hat, das erfahren Sie gleich.

Wie vor acht Jahren, als der World Cup als Fortsetzung des vorherigen Canada Cups zum ersten Male ausgetragen wurde, traf die tschechische Auswahl in der Vorrunde des Wettbewerbs in der so genannten Europa-Gruppe auf die Vertretungen Finnlands, Schwedens und Deutschlands. Und wie 1996 unterlag sie in ihrem Auftaktspiel in Helsinki der finnischen Mannschaft mit vier Toren Unterschied - diesmal jedoch nicht 3:7, sondern 0:4, doch nach einer ebenso erschreckend schwachen Vorstellung. Als die Mannen um Kapitän Robert Reichel nur zwei Tage später in Stockholm nach zwei Dritteln gegen Gastgeber Schweden auch schon wieder 0:4 zurück lagen, graute den tschechischen Fans schon vor einer Wiederholung der Pleite bei der World Cup-Premiere. Seinerzeit hatten die Jágr & Co. nach einem 0:3 in Prag gegen die Tre Kronors und dem blamablen 1:7 in Garmisch-Partenkirchen gegen Deutschland nur den vierten und letzten Platz belegt - ein Ergebnis, das als ein Tiefpunkt in die Geschichte des tschechischen Eishockeys eingegangen war. Aber im Schlussdrittel ihrer ersten Partie in Stockholm rafften sich die tschechischen Cracks endlich auf, kamen nach einer famosen Aufholjagd noch auf 3:4 heran, mussten jedoch für ihre vorangegangenen Fehler die zweite Niederlage einstecken. Gegen die deutsche Mannschaft allerdings ließ das Ruzicka-Team schon nichts mehr anbrennen und schickte die Gäste in Prag mit einer klaren 2:7-Schlappe nach Hause. NHL-Goalgetter Milan Hejduk nahm nach dem Duell die folgende Spielanalyse vor:

"Die Deutschen haben vor allem verteidigt, so dass es nur eine Frage der Zeit war, wann wir das erste Tor erzielen. Im zweiten Drittel wollten wir ihre Abwehr etwas aufreißen, was uns auch gelungen ist. Aber alle hatten nicht nur auf unser erstes Tor gewartet, sondern auch, dass wir gewinnen. Denn wenn wir gegen die Deutschen nicht gewonnen hätten, das wäre schlimm gewesen."

Und erfreut konnte Hejduk des weiteren konstatieren.

"Es sieht so aus, als wenn unsere Form eine ansteigende Tendenz aufweist. Das ist sehr positiv für das Viertelfinale, das alles entscheidend ist, und ich hoffe, dass wir das auch meistern werden."

In der Tat, die tschechische Mannschaft hatte sich im Verlauf des World Cups Schritt für Schritt gesteigert und sollte ihre ganze Klasse noch in eindrucksvoller Weise demonstrieren. Zunächst beim zweiten Aufeinandertreffen mit den Schweden, dem Viertelfinalduell in Stockholm. Immer wieder hatte Trainer Ruzicka darauf hingewiesen, dass es am wichtigsten sei, insbesondere in den K.o.-Spielen mit der Topform aufzulaufen. Wie diese Vorgabe dann jedoch von seinen Schützlingen umgesetzt wurde, das löste allergrößtes Staunen aus und ließ die eigenen Fans schier aus dem Häuschen sein. Mit einem souverän heraus gespielten 6:1-Sieg über die Skandinavier qualifizierten sich die Tschechen für die Endrunde in Übersee. Und hier trafen sie im zweiten Halbfinale in Toronto auf Turnierfavorit und Gastgeber Kanada. Es wurde eine Begegnung der Superlative.

Eishockey World Cup: Tschechien - Kanada  (Foto: CTK)
Nach dem torlosen ersten Drittel waren die Kanadier durch Brewer und Lemieux mit 2:0 in Führung gegangen, ehe Cajánek und Havlát bis zur 48. Minute zum 2:2 ausgleichen konnten. Nachdem Draper sechs Minuten vor der Schlusssirene zum 3:2 getroffen hatte, frohlockte schon ganz Kanada. Doch Eliás sorgte schon sechs Sekunden später mit dem 3:3 für großen Jubel auf der tschechischen Seite. Die Verlängerung musste die Entscheidung bringen - und das tat sie auch. Das tschechische Team, das eine Galavorstellung bot und mit 40:24 Torschüssen seine spielerische Überlegenheit untermauerte, hatte eine Chance nach der anderen. Doch die Kanadier nutzten durch Lecavalier in der 64. Minute ihre einzige in der Verlängerung zum 4:3-Endstand. Endstation Halbfinale also für die tschechischen Cracks, die für ihre Leistung aber allseits Bewunderung und Anerkennung ernteten. Und die Spieler selbst? Flügelstürmer Patrik Eliás hatte den Krimi von Toronto so gesehen:

"Ich denke, dass wir heute über die gesamte Spielzeit gesehen die bessere Mannschaft waren. Wir waren auf dieses Spiel sehr gut vorbereitet. Das war sofort zu spüren, mit welcher Lust und Energie jeder unserer Spieler in diese Partie gegangen ist. Wir haben sie wie unser kleines Finale wahrgenommen. Hin und wieder geschieht es aber im Sport, dass der Bessere nicht gewinnt, und ich denke, das war heute der Fall."

Eishockey World Cup: Tschechien - Kanada  (Foto: CTK)
In der Tat, auch bei den siegreichen Kanadiern sprach man nach der Begegnung nur mit höchstem Respekt über das, was die tschechischen Cracks nach dem tragischen Tod ihres Idols Ivan Hlinka beim diesjährigen World Cup vollbracht hatten. Tolle Spiele in Stockholm und in Toronto, die noch lange in Erinnerung bleiben werden. Auch für Jaromír Jágr, dem tschechischen Superstar der New York Rangers, der unter Umständen in der kanadischen Metropole zum letzten Male das Trikot der tschechischen Auswahl übergestreift hat. Denn wie der 32-Jährige wollen mit Beránek, Dopita, Reichel, Rucinský und Slégr noch weitere Olympiasieger von Nagano das Eis nun jüngeren Spielern überlassen. Beim einzigen Weltpokal-Heimspiel der Tschechen gegen Deutschland konnte dann auch beobachtet werden, wie Jágr einen der Pucks, mit denen gespielt wurde, noch während der Begegnung in seinen Besitz brachte:

"Ich habe den Puck genommen, weil das heute mein letztes Auswahlspiel in Tschechien gewesen sein könnte. Man weiß nie, was kommt, und deshalb habe ich die Partie wie meine letzte vor heimischem Publikum wahrgenommen."

Der World Cup aber hat gezeigt, dass das tschechische Eishockey auch nach Jágr, Reichel & Co. weiter zur Weltelite gehören wird. Es geht immer weiter, auch ohne die Stars von gestern und heute. Doch Ivan Hlinka hat sich für immer in die Herzen der tschechischen Eishockeyanhänger geschrieben. Er bleibt unvergessen.