EM-Qualifikation: Wenn die Tschechen mit den Deutschen...
In Tschechien wird es bereits als das Fußballspiel des Jahres lanciert. Die Rede ist von dem Qualifikationsspiel zur Europameisterschaft, das an diesem Samstag in Prag stattfindet. Mit welchen Gedanken von tschechischer Seite her in diese wichtigste sportliche Begegnung zwischen den beiden Nachbarvölkern gegangen wird, darüber haben sich Annette Kraus, Lothar Martin und Till Janzer für die Sendereihe "Begegnungen" mit unmittelbar und mittelbar Beteiligten unterhalten.
David Jarolim ist einer von drei Deutschland-Legionären im tschechischen Team. Aber nicht nur das: Er verbrachte die meiste Zeit seiner Karriere im Nachbarland. Bereits als Jugendlicher ging er zum FC Bayern. Mittlerweile ankert der Tscheche an der Waterkant, nämlich beim Hamburger Sportverein. Kurzfristig nahm Trainer Karel Brückner den 27-jährigen Mittelfeldspieler in den Kader für die Begegnung am Samstag:
"Ich freue mich sehr, dass ich noch dabei bin. Und es wäre super, wenn ich auch noch zum Einsatz kommen könnte", meint Jarolim.
In jedem Fall ist er bereits heiß auf die Partie:
"Allgemein ist es eine große Sache gegen die Deutschen zu spielen. Man kann sagen, dass es ein kleines Derby ist, weil sie ja unsere Nachbarn sind. In den Spielen gegen Deutschland geht es immer auch ums Prestige. Es wird ein ganz großes Spiel."
Bereits in der Frühe wird am Samstag Lubomir Mikolajsky vor dem Stadion auf der Prager Letna-Fläche sein. Und das, obwohl er vom anderen Ende der Tschechischen Republik anreist - aus Opava / Troppau. Mikulajsky ist so etwas wie der oberste Fan unter den tschechischen Schlachtenbummlern. Er leitet den ersten offiziellen Fanclub des tschechischen Nationalteams, der im Übrigen erst im vergangenen Jahr anlässlich der WM in Deutschland das Licht der Welt erblickte. Seit einiger Zeit gehen die Gedanken von Lubomir Mikulajsky bereits in Richtung des Spiels gegen Deutschland. Ab und zu schauen er und seine Mitstreiter vom Fanclub im Internet nach, was der Gegner so alles macht.
"Wir haben uns den Kader angesehen, den der deutsche Nationaltrainer aufbietet", sagt Mikulajsky. "Wir wissen, dass das deutsche Team vor allem im Angriff einige verletzungsbedingte Ausfälle hat. Dennoch meine ich, dass zum Beispiel Kevin Kuranyi ein Angreifer mit Weltklasseformat ist. Auch wenn da also einige Verletzungen sind, wird das deutsche Team sehr stark sein. Und es wird ein Spitzenspiel mit allem, was dazu gehört."Für die Schlachtenbummler bereitet der tschechische Fanclub auf der freien Fläche vor dem Stadion ein kleines Fest vor. Obwohl das Spiel von strengen Sicherheitsvorkehrungen wegen gewaltbereiter Hooligans vor allem aus Deutschland begleitet wird, sollen die friedlichen Fans des Gegners mitmachen:
"Alle deutschen Fans sind auch in die Fanzone der tschechischen Nationalmannschaft eingeladen", so Mikulajsky. "Wir würden sie dort gerne sehen. Ich denke, das Programm dürfte unterhaltsam sein. Wir planen eine Menge Wettbewerbe und es wäre angenehm, wenn die Fans ein bisschen ihre Kräfte messen würden."
Und das können sie dort dann zum Beispiel im Tischfußball oder beim Torwandschießen. Dass man nebenbei auch das eine oder andere böhmische Bier miteinander trinken kann, versteht sich von selbst. Aber so etwas fällt eher unter den Begriff freie Disziplin.
Lubomir Mikulajsky selbst wird sich am Rande des Spiels bei solchen Dingen allerdings zurückhalten. Nationaldress und Accessoires bleiben ohnehin im Schrank zu Hause in Opava, vielmehr wird er sich in den Anzug schmeißen. Auf ihn warten am Spieltag eine Menge repräsentativer Aufgaben. Einzig der Fanschal in Rot-Weiß-Blau, auf Tschechisch Cervena-modra-bila, der darf mit.
Wie Lubomir Mikulajsky wird auch die tschechische Spielerlegende Josef Masopust am Samstag in der Toyota Arena unter den Zuschauern sein. Der heute 78-Jährige, der 1962 als erster Tscheche zu Europas Fußballer des Jahres gewählt wurde und in seiner Heimat Fußballspieler des Jahrhunderts ist, hat bereits vor drei Wochen sein Ticket abgeholt. Josef Masopust, dessen ganzes Leben sich um den Lederball dreht, ist ein kritischer Beobachter des tschechischen Nationalteams. Dass Karel Brückner nach der Pleite bei der Weltmeisterschaft in Deutschland Nationaltrainer blieb, hält er beispielsweise für einen Fehler. Vor allem wirft Masopust dem Coach vor, dass dieser junge Spieler nicht adäquat an das Team herangeführt hat. Das Ergebnis sei vor allem eine zu dünne Besetzung in bestimmten Mannschaftsteilen:"In Tschechien sind wir meist mit der Abwehr nicht zufrieden. Dort haben wir aber mehrere Spieler auf gleichem Niveau, wenn es Ausfälle wegen Krankheit oder Verletzung gibt. Aber im Sturm oder offensiven Mittelfeld kommen wir bei einem oder zwei Verletzten bereits in eine unangenehme Lage."
Deswegen kreisten in den vergangenen Wochen die Fragen immer wieder um die Fitness und Form von Mittelfeldregisseur Tomas Rosicky sowie der Stürmer Milan Baros und Jan Koller. Es scheint, dass beides derzeit vorhanden ist - und das bei allen drei Spielern. Für Masopust aber kein Grund, deswegen Tschechien zum Favoriten des Spiels zu erklären.
"Der deutsche Fußball ist immer stark, wenn es um Kondition, Einsatz und Härte geht. Da gehört er zur Weltspitze. Gegen ein solches Spielsystem spielen wir meist nicht gut. Darum denke ich, dass wir mit einem Unentschieden zufrieden sein können."
Selbstverständlich hat auch Lubomir Mikolajsky eine Meinung zum möglichen Verlauf des Spiels am Samstag. Wie Masopust ist er eher zurückhaltend, was die Chancen des tschechischen Teams anbetrifft, vielleicht aber auch nur ein wenig diplomatisch.
"Natürlich wünsche ich mir als richtiger tschechischer Fan und Vorsitzender des Fanclubs, dass wir zu Hause gewinnen. Aber ein gutes Ergebnis wäre bereits, wenn ein Punkt zu Hause bleibt und es unentschieden ausgeht. Vor allem wünsche ich mir dabei schönen Fußball."
Etwas forscher sind da die tschechischen Fußballer. Tomas Galasek, neben Jarolim ein weiterer Deutschland-Legionär, der seit Sommer vergangenen Jahres beim 1. FC Nürnberg spielt, hatte sogar einen kleinen Scherz dazu auf Lager:
"Ich habe bei der Einreise nach Tschechien an der Grenze gefragt, ob ich auch noch zurückkommen kann, wenn Deutschland keine Punkte aus dem Spiel mitnimmt."
Wie die Antwort der Grenzbeamten lautete, vergaß der Mittelfeldspieler allerdings mitzuteilen. Doch da dürfte es ohnehin nichts zu diskutieren geben: Selbstverständlich sind tschechische Fußballer immer willkommen in Deutschland.
Infos zum Fanfest auf der Letna unter www.fanclubfotbal.cz