Tschechischer Fanbeauftragter zur EM: „Unser Fanpotenzial ist riesig“

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„Kdo neskáče není Čech“ heißt der Schlachtgesang der tschechischen Fans. Übersetzt lautet er: „Wer nicht hüpft, ist kein Tscheche“. Am Samstag wird der Schlachtgesang sicher auch durch das St. Jakob-Stadion in Basel hallen, beim EM-Eröffnungsspiel Schweiz-Tschechien. Welche Arbeit bereiten aber die Fans der tschechischen Nationalmannschaft vor dem Turnier? Auf diese und weitere Fragen hat Stanislav Pešát, einer der Leiter des Fanklubs, geantwortet.

Herr Pešát, die Fußball-Europameisterschaft findet in Österreich und der Schweiz statt. Nach der WM ist es bereits das zweite große Turnier, das für die tschechischen Fans sozusagen um die Ecke liegt. Bei Ihnen als einem der Organisatoren des Fanklubs der tschechischen Nationalmannschaft dürfte das Begeisterung hervorrufen. Auf der anderen Seite sind die EM-Stadien in beiden Ländern klein, und deswegen werden nur wenige tschechische Fans unmittelbar dabei sein können. Was überwiegt bei Ihnen nun so unmittelbar vor dem Turnier: die Vorfreude oder organisatorische Sorgen?

„Das stimmt, Österreich und die Schweiz sind genauso nah, wie Deutschland es vor zwei Jahren war. Das größte Problem sind tatsächlich die Eintrittskarten, das waren sie aber auch schon 2006 bei der WM. Das Interesse der Fans übersteigt die Zuteilung um das Zehn- oder Zwanzigfache. Die Fans schimpfen auf uns, das kennen wir. Vor Ort werden wir dann für die tschechischen Fans den kompletten Service bieten, zudem haben wir eine Absprache mit dem tschechischen Nationaltrainer, dass er dem einen oder anderen Spieler frei gibt, um die Fans zu grüßen und ein bisschen mit ihnen zu reden. Das sind aber Sorgen, die uns geläufig sind. Die Vorfreude auf die EM in Österreich und der Schweiz ist bereits riesig.“

Trainer der tschechischen Nationalmannschaft Karel Brückner  (Foto: ČTK)
Wie viele Fans werden denn bei den Spielen selbst sein und was werden die anderen machen?

„Wie gesagt, die Zahl der Eintrittskarten ist gering. In den freien Verkauf sind rund 4000 bis 5000 Stück je Spiel gekommen. Weitere tschechische Fans werden wohl über internationale Firmen Eintrittskarten erhalten haben. Insgesamt rechnen wir daher mit 8000 Schlachtenbummlern von uns bei jedem der tschechischen Vorrunden-Spiele. Wir könnten aber auch das ganze Stadion füllen. Dazu muss gesagt werden, dass es bisher nie Probleme gab mit Fans des tschechischen Nationalteams oder Exzesse wie in der Liga hierzulande. Ansonsten aber konzentrieren wir uns nicht weiter auf Österreich und die Schweiz, sondern auf Tschechien. Eine gewisse Tradition hat bereits das Public Viewing auf dem Altstädter Ring in Prag. Diesmal wird dort eine große Show mit Live-Musik und jeder Menge Attraktionen für Kinder stattfinden. Und dort werden die Leute die Atmosphäre der Spiele genießen, bei den Übertragungen auf den großen Leinwänden.“

Altstädter Ring in Prag
Tschechien bestreitet ja das Eröffnungsspiel gegen die Schweiz. Hat sich der Fanklub da etwas Besonderes einfallen lassen, beispielsweise einen neuen Gesang oder eine ausgefallene Choreographie?

„Einen solchen Einfluss wie die Fanklubs in Deutschland haben wir leider noch nicht. Uns als Fanklub gibt es offiziell erst seit drei Jahren. Wir beginnen jetzt erst an den Zielen zu arbeiten, die wir uns gesetzt haben. Es ist noch etwas zu früh, etwas an der Choreographie im Fanblock zu ändern. Wir belassen das wirklich so, wie es bisher ist, also Fanschals, Flaggen und bemalte Gesichter. Dazu kommt natürlich unser schöner Gesang, Kdo neskáče není Čech, der ist gut zu erkennen und zu hören. Für die Zukunft bereitet der Fanklub aber ein neues Gesicht vor, mit neuen Farben und einer ganz anderen Ausführung. Mehr kann ich dazu derzeit noch nicht sagen, es befindet sich alles noch in Vorbereitung und kostet viel Mühe und Geld. Aber wir wollen ein einheitliches Gesicht, das eine große Sache für die ganze Welt sein dürfte.“

Sie haben es gerade eben schon gesagt, offiziell besteht der Fanklub erst seit drei Jahren. Wie entwickelt sich denn Ihre Mitgliederzahl, steigt sie oder ist auch der Misserfolg des tschechischen Teams bei der WM vor zwei Jahren zu spüren?

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„Die Zahl der Mitglieder hat eine interessante Kurve. Vor jedem großen Turnier zeigt sie stark nach oben, weil die Leute Informationen wollen oder sogar glauben, auf diese Weise an Freikarten heranzukommen. Das heißt, vor und während eines Turniers steigt die Zahl an, wir sind derzeit auf gutem Weg, die Grenze von 20.000 Fans zu knacken. Ich glaube, das ist ein großer Erfolg. Nach den Turnieren wird es dann wieder ruhig und nur hie und da meldet sich ein neuer Fan an. Wir haben aber keine Angst, dass die Zahl der Mitglieder einmal stagnieren oder zurückgehen könnte. Es gibt noch viele weitere Fans, es wachsen immer weitere junge Leute nach, die auch Fans der tschechischen Nationalmannschaft sein wollen.“

Das klingt nach guten Aussichten. Bleibt mir eigentlich nur noch die Frage, wo Sie während der Zeit der Fußball-Europameisterschaft sein werden, ob Sie alle Spiele des tschechischen Teams anschauen werden oder ob Sie eher in Tschechien selbst zu tun haben werden?

„Es wäre natürlich sehr schön, mit dem tschechischen Team mitzureisen. Das wäre eine Belohnung für all das, was mir machen. Das ist aber nicht der richtige Weg. Zur EM fahren wir nur zu zwei Spielen und das drei Tage im Voraus, um zu kontrollieren, ob alles für die Fans so vorbreitet ist, wie wir das wollen. Dann kehren wir aber gleich wieder zurück und werden vor allem hier in Tschechien für die Fans zu Hause arbeiten.“

Autor: Till Janzer
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