Emanuel Moravec – Symbol der Kollaboration mit den Nazis
Während des Zweiten Weltkriegs war Emanuel Moravec Minister in der Regierung des Protektorats „Böhmen und Mähren“. Massiv unterstützte er dabei die Nazis. Selbst zu Ende des Krieges rief er seine tschechischen Landsleute noch dazu auf, mit den Deutschen zu kooperieren. Dabei hatte Moravec noch 1938 offen das Münchner Abkommen abgelehnt, dieses hatte die Abtretung der Sudetengebiete an Deutschland ermöglicht. Doch wie kam es zu dem Meinungswandel bei dem tschechischen Oberst?
So beendete Emanuel Moravec sein Leben. Hätte der damals 52-Jährige nicht selbst Hand an sich gelegt, dann wären es schon bald andere gewesen. Denn die Vergeltungsaktionen gegen Nazis und ihre Kollaborateure hatten bereits begonnen. Und Moravec wäre als ein Symbol von Verrat und Kollaboration sicher als einer der ersten an der Reihe gewesen.
Seine Karriere fing jedoch ganz anders an: Während des Ersten Weltkriegs schloss er sich den tschechoslowakischen Legionen an und stieg in den Offiziersrang auf. In Russland heiratete er seine erste Ehefrau und kehrte mit ihr 1920 in die Tschechoslowakei zurück.„Moravec trat dann in die tschechoslowakische Armee ein. An der Militärhochschule in Prag durfte er dann seine Ausbildung abschließen, und dort unterrichtete er ab 1931 auch als Professor für Militärgeschichte. Schrittweise arbeitete er sich bis zum Oberst hoch und gehörte zum erlesenen Kreis tschechoslowakischer Offiziere. Darüber hinaus war er auch als Publizist tätig: Seine Artikel wurden vor allem in der Lidové noviny / Volkszeitung veröffentlicht. Dieses Blatt identifizierte sich mit der damaligen politischen Orientierung, wie sie vor allem von Präsident Tomáš G. Masaryk geprägt wurde. Emanuel Moravec hielt Masaryk und teilweise auch Außenminister Edvard Beneš für große Persönlichkeiten. Beim Begräbnis von Masaryk im Jahr 1937 leitete er den Trauerzug durch Prag und hielt die Ehrenwache am Sarg des verstorbenen Präsidenten. In der Volkszeitung präsentierte und begründete Moravec die tschechoslowakische Militärdoktrin. Nach Hitlers Machtergreifung warnte er vor der drohenden Gefahr und dachte über Abwehrmöglichkeiten gegen Deutschland nach“, sagt der Historiker Ondřej Houska.
Die Militärdoktrin in der Ersten Tschechoslowakischen Republik beruhte vor allem auf einem Bündnis mit Frankreich und teilweise auch mit Jugoslawien und Rumänien. Moravec stimmte damit zwar grundsätzlich überein, in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre forderte er jedoch immer lauter, das Bündnis zu erweitern. Hauptsächlich Italien, Ungarn und Polen hielt er für mögliche Partnerländer. In gewisser Weise zeugt die Wahl dieser drei Staaten bereits von Moravec´ Affinität zu autoritären Regimen. Er bewunderte ihre scheinbare Handlungsfähigkeit und Verteidigungsbereitschaft. Aus demselben Grund äußerte er auch Sympathien für Stalin. Nur Hitler-Deutschland sah er damals noch als Feind Nummer eins an. Ende September 1938 wird die Tschechoslowakei dann durch das Münchner Abkommen gezwungen, die Sudetengebiete an Deutschland abzugeben. Dies verursacht bei Moravec eine tiefe Sinnkrise, wie Historiker Houska erläutert:„Kurz vor der Unterzeichnung des Münchner Abkommens erklärte die tschechoslowakische Regierung die Mobilmachung. Emanuel Moravec wurde zunächst in die ostslowakische Stadt Košice und später nach Znojmo in Südmähren abkommandiert. Die mögliche Front in Südmähren wurde damals als die gefährlichste eingeschätzt, gerade dort erwartete man den Hauptangriff. An der Grenze zu dem kurz zuvor von den Deutschen besetzten Österreich wurde aber keine Festungslinie gebaut. Moravec war ohne Zweifel bereit, dort sein Leben für die Tschechoslowakei zu opfern. Dass die Regierung in Prag aber das Münchner Abkommen akzeptierte, war für ihn ein wahrer Schock. Es versuchte, andere Offiziere und Politiker davon zu überzeugen, dass man gegen Deutschland kämpfen müsse. Er fuhr sogar persönlich zu Präsident Beneš nach Prag, um ihm dieses Anliegen zu vermitteln. Das gemeinsame Gespräch brachte jedoch keinen Erfolg, und Moravec kehrte enttäuscht zurück zu seiner Einheit.“
Am 5. Oktober 1938 erschien ein nächster Artikel von Emanuel Moravec in der Volkszeitung. Sein Titel lautete: „Die Abrechnung – und was weiter?“ Die Leser, denen die früheren Standpunkte des Autors bekannt waren, müssen sich verwundert oder entsetzt die Augen gerieben haben. Moravec hatte seine bisherige Meinung vollständig aufgegeben und Hitlers Ideologie übernommen. Die Zwischenkriegszeit bezeichnete er als einen Irrtum, und er zog aus den jüngsten Ereignissen einen schockierenden Schluss: Wenn nicht gegen die Deutschen, dann mit ihnen. Frei übersetzt schrieb er über das Münchner Abkommen:„Es ist als ein beispielloser Verrat bezeichnet worden, den unsere Verbündeten an unserem Staat begangen hätten. Lassen Sie uns das umgekehrt sagen: Die Geschichte kennt keine vergleichbar naive Politik, wie wir sie 20 Jahre lang geführt haben. Wir haben uns die Welt und die Staaten darin entweder als Engelchen oder als Verkörperung des Bösen vorgestellt. Das war schön, aber teuer, unpraktisch und schließlich katastrophal. Wir sollten uns nicht scheuen, Fehler als Fehler zu bezeichnen, sonst begehen wir erneut Irrtümer und landen in der Katastrophe. Unsere Politiker müssen ein gutes Verhältnis zu Deutschland aufbauen. Nehmen wir uns ein Beispiel daran, was die Deutschen 20 Jahre nach der für sie schrecklichen Demütigung von 1918 geschafft haben.“Es blieb jedoch nicht bei den journalistischen Überlegungen. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Prag im März 1939 und der Errichtung des so genannten „Protektorats Böhmen und Mähren“ boten die Nazis Moravec die Zusammenarbeit an. Er schlug ein. Und als 1941 mit Reinhard Heydrich einer der am meisten gefürchteten Männer des Dritten Reiches nach Prag kam, besuchte ihn Moravec persönlich. Er schwor dem stellvertretenden Reichsprotektor und dem „Dritten Reich“ seine Treue. Als Belohnung erhielt er den Posten des Kulturministers und Leiters des Kuratoriums für Jugenderziehung in der Protektoratsregierung. Gerade in diesen Funktionen entwickelte er dann die direkte Kollaboration mit den Nazis. Er war praktisch das einflussreichste Mitglied der Regierung in Prag, andere Minister fürchteten ihn. Moravec verbarg auch nicht seine Ambitionen, den alten und kranken Staatspräsidenten Emil Hácha nach dessen bevorstehendem Tod abzulösen.
Die Deutschen ermöglichten dem Kulturminister, regelmäßig im Protektoratsrundfunk zu sprechen, was er mit allem Elan ausnützte - auch nachdem Heydrich durch tschechoslowakische Attentäter am 27. Mai 1942 ermordet worden war. Moravec warf dies seinen Landsleuten und der tschechoslowakischen Exilregierung von Edvard Beneš in London bei einer Radioansprache vor:„Tschechisches Volk, welchen Wert hat die alltägliche Arbeit aller ehrlichen Tschechen, wenn eine Gruppe von Verbrechern und Verrückten alles innerhalb eines einzigen Augenblicks in Ruinen verwandelt. Hätte das tschechische Volk seine Verpflichtungen an das Großdeutsche Reich erfüllt, gäbe es keine Verhaftungen und Strafen. Das Deutsche Reich kann sich jedoch nicht gefallen lassen, dass die Tschechen, denen der Führer die Autonomie gewährt hat, sich mit seinen Feinden verbinden. Es ist klar geworden, dass jeder, der für die Taten gegen das Reich verurteilt wurde, auch schuldig war. Allen, die aus England die Tschechen gegen das Reich aufwiegeln, geht es nur darum, wie viel Geld sie von England bekommen. Herr Beneš und sein Gesindel müssen doch damit rechnen, dass England den Krieg verliert. Daher brauchen sie viel Geld, um irgendwo am anderen Ende der Welt dann leben zu können und nichts arbeiten zu müssen.“
Die Tschechen hörten täglich im Rundfunk die Namen jener, die wegen ihrer angeblichen Zustimmung zum Attentat von den Deutschen hingerichtet wurden. Seine Landsleute mussten Moravec daher aus tiefster Seele gehasst haben.Auch die tschechoslowakische Exilregierung in London war über Moravec beunruhigt, denn sein Verhalten schädigte den Ruf der Tschechen im Ausland. Sie plante sogar einen Anschlag auf Moravec. Die Fallschirmjäger, die dazu im Protektorat ausgesetzt wurden, wurden jedoch von der Gestapo aufgespürt und erschossen.
Moravec hielt den Nazis daher bis zum Ende des Krieges fanatische Treue. Beim Ausbruch des Prager Aufstands am 5. Mai 1945 rechneten die deutschen Besatzer sogar damit, dass Moravec die Situation durch eine Radioansprache beruhigen könnte. Da das Rundfunkgebäude in Prag inzwischen von Aufständischen besetzt war, sollte die Ansprache von einem provisorischen Studio im mittelböhmischen Mělník ausgestrahlt werden. Doch auf Moravec wurde dort vergeblich gewartet.