Endstation Staatsgrenze: Niederösterreich will Thayatalbahn nicht wiedereröffnen
Seit 1945 ist auf ihr kein Zug mehr gefahren, seit der politischen Wende im Jahr 1990 bemühen sich Bürger und Politiker auf beiden Seiten der Grenze um ihre Reaktivierung. Die Rede ist von der Thayatalbahn, die die niederösterreichische Stadt Waidhofen an der Thaya mit den tschechischen Städten Slavonice / Zlabings und Telč / Teltsch verbindet. Während in Tschechien seit Jahren an der Revitalisierung der Bahnstrecke gearbeitet wird, ist man in Niederösterreich bisher über Absichtserklärungen nicht hinausgekommen. Nun scheint das Projekt endgültig auf dem Abstellgleis gelandet zu sein.
„An sich sind wir uns alle, sowohl der Herr Kreishauptmann, der Herr Bürgermeister und ich einig, dass wir nach wie vor sehr intensiv daran arbeiten, diesen Lückenschluss mit der Eisenbahn Fratres – Slavonice zustande zu bringen. Sowohl der Kreis Vysočina als auch das Bundesland Niederösterreich sind in intensivem Kontakt mit den jeweiligen Ministerien und bemüht, die Investitionen sicherstellen zu können. Und ich habe auch dem Herrn Kreishauptmann und dem Herrn Bürgermeister zugesagt, dass ich die Frage Fratres – Slavonice in meiner Prioritätenreihung ganz nach vorne setzen werde.“
Das war im Januar 2009. Seither sind auf der tschechischen Seite der Grenze die Arbeiten zur Modernisierung der Bahnstrecke weit fortgeschritten. Die Gleise wurden saniert und neue Haltestellen errichtet. Statt der alten Schienenbusse aus den 1970er-Jahren fahren modernisierte Triebwagen. Zurzeit wird gerade der Bahnhof Telč zu einem neuen Umsteigeknoten umgebaut, wie Bürgermeister Roman Fabeš im Gespräch mit Radio Prag erläutert:„Wir bauen dort eine Art integriertes Verkehrszentrum. Mit Unterstützung der Europäischen Union bauen wir neben dem bestehenden Bahnhof einen neuen Busbahnhof und verbinden somit die beiden Verkehrsmittel an einem Ort. Das Bahnhofsgebäude wird in Zukunft auch den Busfahrgästen dienen. Ich denke, das ist ein wichtiger Schritt, um den öffentlichen Verkehr zu fördern.“
In Niederösterreich ist hingegen außer zahlreichen Ankündigungen nichts passiert. Immer noch wuchert das Gras über den rostigen Gleisen und an manchen Stellen wurden die Schienen bereits abgebaut oder zugeteert. Nur auf dem kurzen Streckenabschnitt zwischen Schwarzenau an der Franz-Josefs-Bahn – der historischen und bis heute kürzesten Bahnverbindung Wien–Prag – und Waidhofen an der Thaya führen die Österreichischen Bundesbahnen noch Personenverkehr durch. An einem grenzüberschreitenden Betrieb hätten die ÖBB aus wirtschaftlichen Gründen kein Interesse, hieß es mit durchaus vorwurfsvollem Unterton aus dem Landhaus in St. Pölten. Erich Forster von der ÖBB-Personenverkehrs-AG bestätigte dies Ende 2009 gegenüber Radio Prag:„Es gibt ganz einfach dort sehr wenig tagesdurchgängige und intensive Nachfrage. Das sieht man auch ganz klar daran, dass es keine Busangebote gibt. Dort, wo es auch kein Busangebot gibt, ist ein Bahnangebot aus wirtschaftlicher Sicht ganz einfach nicht zu rechtfertigen.“
Doch inzwischen hat das Bundesland Niederösterreich rund 600 Kilometer Bahnstrecken von den Österreichischen Bundesbahnen beziehungsweise der Republik Österreich übernommen. Darunter auch die Thayatalbahn. Im niederösterreichischen Waldviertel und in der angrenzenden Region Slavonice – Telč war man sich sicher, dass nun der Wiedereröffnung der grenzüberschreitenden Bahnstrecke nichts mehr im Weg stehen würde. Doch ein Treffen von Verkehrsexperten des Landes mit den Bürgermeistern der Region in der vergangenen Woche ließ die Hoffungen auf eine rasche Umsetzung des Projektes schwinden. Geht es nach den Bürgermeistern der niederösterreichischen Gemeinden entlang der Thayatalbahn, sollen die rostigen Gleise schon bald einem Radweg weichen. Alexander Stipsits vom Verein Neue Thayatalbahn erinnert im Gespräch mit Radio Prag die niederösterreichischen Politiker an ihre Versprechungen und Beschlüsse:„Wenn man davon ausgeht, dass es seit 2007 einen gültigen Landtagsbeschluss gibt und auch und vor allem Landeshauptmann Erwin Pröll in den Medien versprochen hat, diesen Lückenschluss zu machen, dann muss das Projekt eigentlich realisiert werden. Abgesehen davon, dass es natürlich die vernünftigste Infrastrukturmaßnahme nicht nur für die Region, sondern auch zur Verbindung der beiden Nachbarstaaten ist. Wir sind nur leider vergangene Woche vom in Niederösterreich für die Infrastruktur Verantwortlichen mit einem Projekt konfrontiert worden, das vorsieht, die Strecke nicht wieder aufzubauen. Das verwundert uns, die wir uns seit langem für die Bahn einsetzen extrem; zumal erst im Februar die Bürgermeister der Gemeinden entlang der Strecke – alle, bis auf einen oder zwei – ein Abkommen unterzeichnet haben, in dem sie sich für den Bahnausbau aussprechen. Jetzt haben sie aber ein Papier unterzeichnet in dem sie sagen, sie hätten gerne ein anderes Projekt. Wir sind etwas verwirrt.“Den grenzüberschreitenden Personenverkehr sollen Busse übernehmen und für den Güterverkehr soll die parallel verlaufende Straße ausgebaut werden.
„Es wird immer wieder das Argument der schwierigen Finanzierung herangezogen. Das ist natürlich schwer verständlich, denn die Kosten für den durch den stark steigenden Güterverkehr notwendigen Straßenausbau liegen um ein Vielfaches höher als jene für die Wiedererrichtung der Bahnstrecke. Ich muss ehrlich sagen, dass mir eine Entscheidung gegen die Bahn so absurd erscheint, dass ich bis jetzt nicht glauben kann, dass der Herr Landeshauptmann einen solchen Entschluss gefasst hat. Das ist für uns nicht nachvollziehbar. Dazu muss man auch sagen, dass wir immer die volle Unterstützung unserer Kollegen und aller Bürgermeister auf der anderen Seite der Grenze gehabt haben. Für mich wird da der Affront auf der internationalen politischen Ebene oft vergessen. Die Vorgangsweise Niederösterreichs kann man ja nicht anders als einen schlechten Witz bezeichnen.“
Auf eine Reaktivierung der Thayatalbahn hofft auch der Bürgermeister von Telč. Die Weltkulturerbe-Stadt erhofft sich dadurch mehr Touristen aus dem benachbarten Niederösterreich. Bürgermeister Roman Fabeš:
„Nicht nur die Stadt Telč, sondern alle entlang der Bahnstrecke Kostelec – Slavonice liegenden Gemeinden wünschen sich schon seit langer Zeit den Wiederaufbau der Strecke nach Österreich. Wir arbeiten auch intensiv mit dem Verein ‚Neue Thayatalbahn’ zusammen und waren zuversichtlich, dass sich das Projekt mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union realisieren lässt. Die Österreichischen Bundesbahnen haben immer betont, die hätten kein Interesse am Betrieb dieser Strecke. Darum haben wir große Hoffnungen in die Übernahme der Bahnlinie durch das Land Niederösterreich gesetzt. Denn der Herr Landeshauptmann hat stets betont, sein Land habe großes Interesse an diesem Lückenschluss mit Tschechien.“Das von Österreich nun vorgebrachte Argument, die geringe Nachfrage rechtfertige den Wiederaufbau der Bahn nicht, lässt Fabeš nicht gelten:
„Im Güterverkehr gibt es ganz bestimmt eine ausreichende Nachfrage. Alleine schon die Holztransporte belasten die umliegenden Straßen enorm. Und was den Personenverkehr betrifft: Die Strecke hat ein hohes touristisches Potenzial. Sie verbindet attraktive Städte auf der tschechischen Seite mit einer touristisch interessanten Region in Niederösterreich. Wenn man dort ähnliche Angebote für Touristen macht wie zum Beispiel auf den südböhmischen Schmalspurbahnen rund um Jindřichův Hradec / Neuhaus, dann hat auch der Personenverkehr auf der Thayatalbahn eine Chance.“Fabeš hofft nun, gemeinsam mit seinen Bürgermeister-Kollegen und Vertretern des Landkreises Vysočina seine österreichischen Kollegen doch noch umstimmen zu können. Ende dieser Woche will man zu weiteren Gesprächen zusammenkommen. Keine Unterstützung gibt es hingegen vom Landkreis Südböhmen, den die Bahnstrecke unmittelbar an der Staatsgrenze durchquert. Der dortige Kreishauptmann Zimola hält das Projekt für zu teuer und schlicht überflüssig.
Das Land Niederösterreich verweist auf die jahrelangen Bemühungen, die Strecke zu reaktivieren und die ablehnende Haltung der österreichischen Bundesregierung und der ÖBB in dieser Angelegenheit. Nun müsse man im Interesse des Tourismus schnell ein Verkehrsangebot schaffen und dabei sei eine grenzüberschreitende Buslinie die rascher zu verwirklichende und kostengünstigere Variante. Durch den Umbau in einen Radweg werde die Bahntrasse aber für die Zukunft erhalten und könne bei Bedarf jederzeit reaktiviert werden, so der niederösterreichische Landesverkehrsplaner Friedrich Zibuschka gegenüber Radio Prag. Ein Gespräch mit Zibuschka hören Sie in einer der nächsten Sendungen von Radio Prag.