Entlassung von Justizminister Pospíšil wirft viele Fragen auf
Das tschechische Justizsystem gilt schon seit langem als stark reformbedürftig. Neben der langen Dauer Gerichtsverfahren wird auch die fehlende politische Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft bemängelt. In den letzten Jahren hat sich dennoch Einiges zum Besseren geändert, was größtenteils als Verdienst von Justizminister Jiří Pospíšil gewertet werden kann. Doch nun wurde er überraschend entlassen.
Nečas hat jedenfalls mehrfach dementiert, er habe Pospíšil deshalb entlassen, weil dieser die angesehene Staatsanwältin Lenka Bradáčová an die Spitze der Prager Oberstaatsanwaltschaft setzen wollte. Bradáčová soll dort den Kampf gegen die Korruption intensivieren.
Vor zwei Jahren galt Pospíšil noch als Hoffnungsträger seiner Partei. Petr Nečas wollte als frisch gewählter Chef der rechtsliberalen Bürgerdemokraten seine Partei von zwielichtigen Geschäftsleuten oder Lobbyisten befreien, welche die Politik der Partei häufig sogar bestimmt haben. Neue Gesichter in der obersten Parteiführung, wie eben Pospíšil, sollten diesen neuen Kurs auch nach außen hin symbolisieren. Pospíšil setzte dann als Justizminister einige wichtige Akzente bei den Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung und passte damit ideal in das neue Konzept. Was bedeutet aus dieser Sicht nun Pospíšils vorläufiges Ende in der Politik? Ist der neue Stil nicht mehr gefragt oder sind gar die Versuche einer Entflechtung der Partei gescheitert? Das sind einige der Fragen, die nun relativ oft gestellt werden. policie/justice
Und wenn man keine Fakten zur Verfügung hat, gibt man sich auch mit Spekulationen zufrieden. So soll angeblich bereits seit Wochen unter den Abgeordneten von Pospíšils eigener Partei ein Gerücht die Runde gemacht haben, wonach die Polizei auch gegen den Justizminister ermittle und - wie das schon bei anderen Abgeordneten der Fall war - die Aufhebung seiner Immunität beantragen werde.War das also vielleicht der wahre Grund, warum Regierungschef Nečas den Justizminister so schnell entließ? Der Wirtschaftsjournalist Miroslav Motejlek hat als erster die Meldung über die angeblichen Ermittlungen gegen Pospíšil veröffentlicht:
„Ich denke, das ist nichts, was zwangsläufig zur Abberufung von Minister Pospíšil hätte führen müssen. Wenn die Immunität eines Abgeordneten aufgehoben wird, muss das noch lange nicht bedeuten, er habe sich wirklich etwas zu Schulden kommen lassen. Der Vorwurf, der gegen Pospíšil erhoben wird, hängt mit der Beschaffung einer Immobilie zusammen, in der eine spezialisierte Justizanstalt für besonders schwere jugendliche Straftäter errichtet werden soll.“
Justizminister Pospíšil soll persönlich Druck ausgeübt haben, so Motejlek weiter, damit der Staat diese Immobilie zu ungünstigen Konditionen kauft. Das sei aber im Vergleich zu den Verfehlungen anderer Ministerien eher eine Kleinigkeit und kein wirklicher Entlassungsgrund, findet Motejlek:
„Das Justizministerium scheint mittlerweile das wichtigste Ministerium im Land zu sein, weil es die derzeit wichtigsten Themen behandelt – Stichwort Kampf gegen die Korruption. Das bedeutet aber auch, dass in solch einer Situation der Amtsinhaber zwangsläufig unter die Räder kommen muss. Denn einer Gruppe von Unterstützern steht mindestens eine eben so große Gruppe von Gegnern gegenüber, die auf einen Abgang von Minister Pospíšil drängt.“Der wichtigste Grund, der wohl letztlich das politische Aus für Justizminister Jiří Pospíšil bedeutet hat, dürfte der stetige Vertrauensverlust von Regierungschef Nečas gewesen sein. Dem Vernehmen nach sollen beide schon länger zu vielen Fragen ganz unterschiedliche Standpunkte vertreten haben und es gelang immer seltener, diese unter einen Hut zu bringen. Nicht vergessen darf man dabei, dass Pospíšil nicht nur Justizminister war, sondern auch einer der vier Stellvertreter von Petr Nečas an der Spitze der Bürgerdemokraten ist. Unterschiedliche Ansichten von Nečas und Pospíšil bestätigt auch die Enthüllungsjournalistin Sabina Slonková von der tschechischen Internetzeitung aktualne.cz:„Der Vertrauensverlust zwischen beiden Politikern war tatsächlich bereits seit längerem ein Problem, das reicht nicht nur Wochen oder Monate, sondern Jahre zurück. Ganz besonders stark kamen die Spannungen in der Frage der Besetzung der Spitze der Prager Oberstaatsanwaltschaft zum Vorschein. Minister Pospíšil wollte den kontroversen Oberstaatsanwalt Rampula loswerden, Nečas hingegen gab in seinen öffentlichen Erklärungen zu erkennen, Rampula solle bleiben.“
Premier Nečas habe eine einsame Entscheidung getroffen, von der fast niemand vorher informiert war, so Sabina Slonková weiter.
Dass sich der entscheidende Meinungsstreit zwischen Nečas und Pospíšil rund um die Frage der Besetzung der Prager Oberstaatsanwaltschaft dreht, glaubt auch die frühere Politikerin Hana Marvanová zu wissen. Marvanová vertritt heute eine der vielen Plattformen für den Kampf gegen die Korruption:
„Derzeit wird der Versuch unternommen, einige Fälle von Korruption aufzudecken. Das hat ein großes Erdbeben in der politischen Landschaft des Landes verursacht. Bei der gegenwärtigen Struktur des Justizsystems in Tschechien heißt das, dass alle entsprechenden Ermittlungen nicht von der Polizei geleitet werden, sondern von der Staatsanwaltschaft. Deshalb ist es auch so wichtig, wer an der Spitze der Staatsanwaltschaft steht. Entweder garantiert diese Person, dass die Ermittlungsfälle zu Ende geführt werden und in eine Anklage münden, oder es wird alles unter den Teppich gekehrt.“