Entscheidende Phase der tschechischen Kampagne vor dem Beitrittsreferendum hat begonnen

Am 13. und 14. Juni werden die Tschechen in einem Referendum über den EU-Beitritt des Landes entscheiden. Den jüngsten Umfragen zufolge sind etwa 70 Prozent von ihnen bereit, am Volksentscheid teilzunehmen, davon dürften laut Umfragen etwa drei Viertel mit Ja stimmen. Umgerechnet auf die Gesamtbevölkerung ist diese Mehrheit aber nicht so beeindruckend, wie es auf den ersten Blick scheint. Denn zählt man diejenigen mit, die sich voraussichtlich nicht an dem Referendum beteiligen werden, dann bleiben nur noch 52 Prozent entschiedene EU-Befürworter. Mehr zu diesem Thema von Jitka Mladkova:

"Willkommen in unserer Gemeinschaft" - unter diesem einladenden Motto ist am 1. Mai die von der Regierung initiierte Kampagne zum EU-Beitritt in ihr Finale eingetreten. Während eine österreichische Rentnerin, ein portugiesischer Fischer und eine spanische Busfahrerin die Tschechen landesweit auf über zwölf Hundert großflächigen Werbetafeln zum Beitritt aufmuntern, tun dies Repräsentanten andere Unionsländer auf dem TV-Bildschirm:

Trotz negativer Erfahrungen in der Geschichte wie Unterdrückung durch fremde Herrschaft, Bevölkerungsschwund oder Absterben der Nationalsprache habe sich sein Land nach dem EU-Beitritt wieder aufgerappelt, beteuert enthusiastisch der Europäer aus Irland, ... Finnland habe nach dem Zusammenbruch des Sowjetmarktes eine Wirtschaftskrise erlebt, doch als EU-Mitglied erlebt es ein beachtliches Wirtschaftswachstum, erzählt eine Finnin ... Über den auf das Dreifache gestiegenen Zustrom von Touristen freut sich wiederum der griechische Kaffeesieder ....

Wie berechnet, soll der normale TV-Zuschauer im Schnitt 40 Mal von den EU-Werbespots berieselt werden. Hinzu kommt jede Menge von Info-Flugblättern, Aufklärungsbroschüren und verschiedenen Begleitprogrammen. Erst zwei Wochen vor dem Referendum finden 4,3 Mio Haushalte Informationen über die ausgehandelten Beitrittsbedingungen in ihrem Briefkasten - mit dem Wunsch des Ministerpräsidenten, die Bürger mögen bei dem verantwortungsvollen Votum eine glückliche Hand haben. Im Rahmen der wohl entscheidenden Phase der Pro-Europa-Kampagne muss man aber immer noch verschiedenen Gerüchten über die EU-Mitgliedschaft, die sich in recht sensiblen Themenbereichen etabliert haben, entgegenwirken. Mit den einzuführenden EU-Normen fürchten nämlich viele Tschechen, auf etliche traditionelle Lebens- bzw. Genussmittel verzichten zu müssen, wie etwa auf den mährischen Slivowitz oder auf die dem deutschen Harzer Käse ähnlichen Olmützer Quargeln. Nichts dergleichen werde passieren, bei den letztgenannten z.B. werde man höchstes die Produktionstechnologie etwas modifizieren müssen, vergewissert eines der verbreiteten Flugblätter die Nation. Aufatmen können auch diejenigen, die um das Schicksal des recht beliebten tschechischen Branntweins mit dem Namen "Tuzemsky rum", auf Deutsch etwa "Inländer Rum", bangen. Da er nicht aus Zuckerrohr, wie die EU vorschreibt, sondern aus Melasse- bzw. Getreidespiritus produziert wird, darf der tschechische Rum zwar auch im erweiterten Europa weiter existieren, jedoch unter einem neuen Namen. Sich daran zu gewöhnen, dürfte manchem Tschechen schon schwer fallen und - wer weiß - sozusagen stellvertretend auch seine Wahl beim Beitrittsreferendum beeinflussen. Dabei mag er sich an jemand erinnern, der sich einen festen Platz in der Weltliteratur errungen hat - an den braven Soldaten Schwejk. Als man diesen fragte, ob er Schnaps trinke, antwortete er resolut: nein, ich trinke nur Rum!