„Er vermenschlichte die deutsch-tschechischen Beziehungen“: Ehemaliger Botschafter Černý ist tot

František Černý

Im Alter von 92 Jahren ist am Freitag in Prag František Černý gestorben. Der Diplomat hat die tschechisch-deutschen Beziehungen geprägt wie kaum ein anderer.

František Černý wurde 1931 in der Prager Neustadt geboren. Er studierte Bohemistik und Germanistik an der Prager Karlsuniversität. 1957 begann er eine Anstellung im Tschechoslowakischen Rundfunk, später wurde er dort der Leiter der deutschen Redaktion von Radio Prag. An die Begebenheiten in dem Sender, der damals noch das internationale Sprachrohr der kommunistischen Regierung war, erinnerte sich Černý vor rund zwei Jahrzehnten im Interview für uns:

František Černý | Foto: Tschechisches Außenministerium

„Die Zensur war damals für die Auslandssendungen weniger relevant. Das lief so ab, dass man mit dem Manuskript – absichtlich in deutscher Sprache – zum Zensor ging. Der Mann war sehr häufig betrunken, das war sein Markenzeichen. Und er sprach außerdem kein Deutsch. Deshalb fragte er immer nur: ‚A co tam je?‘ (‚Was steht da?‘, Anm. d. Red.) Man sagte also ungefähr, was in dem Text stand, und am Ende wurde der Stempel draufgedrückt.“

Mit dem Prager Frühling war die Zensur im Rundfunk passé. Die Reformbewegung wurde jedoch niedergeschlagen, und Černý musste 1968 den Tschechoslowakischen Rundfunk verlassen. Er arbeitete dann als Übersetzer und Sprachlehrer. Nach der Samtenen Revolution von 1989 trat er in den diplomatischen Dienst ein. Černý war an der Ausarbeitung der Deutsch-Tschechischen Erklärung und der Entstehung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds beteiligt. Von 1998 bis 2001 war er tschechischer Botschafter in Berlin, zuvor war er in der wiedervereinten Hauptstadt bereits als Gesandter tätig. 2004 beteiligte sich Černý an der Gründung des Prager Literaturhauses deutschsprachiger Autoren.

Für seine Verdienste wurde er vielfach geehrt, unter anderem mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband, das ihm im Jahr 2001 der damalige Bundespräsident Johannes Rau übergab. Bis ins hohe Alter blieb Černý in den Beziehungen der beiden Länder aktiv und war steter Gast bei sämtlichen denkbaren tschechisch-deutschen Veranstaltungen – sei es im Publikum oder auf dem Podium.

Botschafter Tomáš Kafka | Foto: Jens Schicke,  Tschechisches Außenministerium

Tomáš Kafka ist der aktuelle tschechische Botschafter in Berlin – und steht damit in den Fußstapfen František Černýs. Den Diplomaten habe er sehr gut gekannt und sei auch familiär mit ihm verbunden gewesen, sagt Kafka im Interview für Radio Prag International:

„František Černý war mein Patenonkel. Ich kannte ihn quasi von meiner allerjüngsten Kindheit an.“

Wie schätzt Kafka die Verdienste seines Vorgängers für die tschechisch-deutschen Beziehungen ein?

„Ich denke, dass František die deutsch-tschechischen und auch die sudetendeutsch-tschechischen Beziehungen sehr vermenschlicht hat. Er war ein Mensch der offenen und empathischen Aussprache, es war ihm immer ein Anliegen, sich für die konkreten Menschen zu interessieren und einzusetzen.“

Vorurteile hingegen hätte Černý nicht gelten lassen, meint Kafka. Stattdessen habe er stets ein offenes Ohr für beide Seiten gehabt.

„Ich glaube, dass uns allen die deutsch-tschechischen Beziehungen dank ihm viel mehr Freude bereiten – sei es auf höchster politischer Ebene oder aber unter den sozusagen ‚normalen‘ Menschen, die sonst nicht viel von den bilateralen Beziehungen wissen.“

František Černý | Foto: Archiv des Prager Literaturhauses

Nicht zu guter Letzt profitiere die Botschaft in Berlin heute noch immer von Černýs Engagement für die Beziehungen zwischen den beiden Ländern: „Františeks guter Ruf hängt der Botschaft in Berlin bis heute an“, meint Botschafter Kafka.

Gestorben ist František Černý am Freitag in Prag, er wurde 92 Jahre alt. Kafka zufolge ist Černý friedlich eingeschlafen und hat sich bis zum Ende für die Welt um sich herum interessiert.

„Auch wenn es uns nicht leichtfällt, sollten wir vielleicht nicht allzu traurig sein und František so in Erinnerung behalten, wie er war – das heißt sehr aufgeschlossen und lebensfroh.“