Eurodomino Tschechien

Herzlich willkommen zu einer weiteren Ausgabe von Eurodomino. Im ersten Teil der Sendung bieten wir Ihnen ein Interview mit dem tschechischen Botschafter bei der Europäischen Union, Libor Secka, über die Gründe, warum die EU-Mitgliedstaaten die Forderungen der Tschechischen Republik bezüglich der Freizügigkeit der tschechischen Arbeitskräfte nach dem EU-Beitritt in der vergangenen Woche abgelehnt haben. Auch weitere interessante Informationen bezüglich des EU-Beitritts der Tschechischen Republik sind für Sie vorbereitet. Durch die Sendung führen Sie Silja Schultheis und Dagmar Keberlova.

Das derzeit am meisten diskutierte Verhandlungskapitel bleibt nach wie vor offen. In der vergangenen Woche lehnte die EU die Forderungen Tschechiens zum Schutz des tschechischen Arbeitsmarktes nach dem EU-Beitritt. Die EU-Staaten haben Tschechien mit diesem Beschluss zu verstehen gegeben, dass das Kapitel der Freizügigkeit der Arbeitskräfte entweder auf der Grundlage der ursprünglichen gemeinsamen Stellungnahme der EU abgeschlossen werden kann oder zu den gleichen Bedingungen, die bereits mit Ungarn, der Slowakei und Lettland vereinbart wurden. Den tschechischen Botschafter bei der EU Libor Secka fragte ich, worauf diese Entscheidung zurückzuführen ist:

"Meiner Meinung vor allem darauf, dass die EU ein Abkommen in diesem Kapitel mit 3 Ländern - Ungarn, der Slowakei und Lettland- erzielen konnte und der tschechische Vorschlag den Rahmen dessen übersteigt, was bereits mit diesen Ländern vereinbart wurde. Für die EU war es unseren Informationen zufolge nicht in erster Linie der Inhalt unserer Vorschläge, sondern mehr eine prinzipielle Frage, ob sie mit einem Land weiter gehen können, wenn die Verhandlungen mit anderen Ländern auf einem niedrigeren Niveau beendet wurden."

Was also war der Vorschlag der tschechischen Unterhändler bei der EU? Prag verlangte einen Schutz des tschechischen Arbeitsmarktes, der neben der bereits den Ungarn zugesagten Reziprozität die Möglichkeit beinhalte, Schutzmassnahmen gegenüber jedem beliebigen EU-Land inklusive neuer Mitglieder einzuführen und das auch dann, wenn die bestehenden EU-Länder dies nicht anwenden würden. In der Praxis würde dies beispielsweise den Schutz gegen Arbeitskräfte aus der Slowakei bedeuten. Da aber Deutschland und Österreich ankündigen, die Schutzmaßnahmen gegen alle Kandidatenländer anzuwenden, könnte dieser Vorschlag überflüssig scheinen. Hierzu Libor Secka:

"Es liegt in der Logik der tschechischen Forderung, solche Maßnahmen auszuhandeln, durch die der tschechische Markt gegen diejenigen Länder geschützt werden könnte, aus denen man ein mögliches Risiko erwarten kann. Unser Vorschlag geht tatsächlich noch weiter als die Maßnahmen, die die EU bereits mit Ungarn vereinbart hat."

Doch die tschechische Seite verlangte noch mehr, hierzu der Botschafter Secka:

"Wir sind mit noch einem Vorschlag gekommen und zwar, dass die EU nicht die Möglichkeit hat, gerade diejenigen Berufe auszusuchen, die ihr gerade passen. Das bedeutet, wenn es Einschränkungen geben soll, sollen sie global gelten. Wenn Quoten entstehen, dann müssen sie allgemein gelten und sich nicht nur auf bestimmte Fachkräfte beziehen, die die EU gerade braucht."

Damit solle das Herauspicken von Kirschen aus der Torte verhindert werden, bezeichnete treffend dieses Prinzip der EU-Chefunterhändler Pavel Telicka. Darauf antwortete die EU, dies müsse Tschechien mit jedem Land bilateral ausmachen.

In welche Richtung sich also die Verhandlungen seitens Tschechiens weiter entwickeln werden, beschrieb abschließend der tschechische Botschafter in Brüssel, Libor Secka:

"Die Regierung sprach am Mittwoch darüber und die Stellungnahme, die die Tschechische Republik weiter durchsetzen wird, ist das Weiterverhandeln dieses Kapitels. Die Ergebnisse von Dienstag bedeuten kein Ende der Verhandlungen. Wir haben die Möglichkeit, weiter zu verhandeln und weitere Argumente zu präsentieren. Das werden wir in der nächsten Zeit machen."

Der tschechische Außenminister Jan Kavan hat am vergangenen Donnerstag gesagt, dass Prag in diesem Kapitel eine bessere Position erreichen möchte als Ungarn, Näheres könne er allerdings nicht verraten. Die Regierung hat daher entschieden, den Abschluss dieses Kapitels auf Oktober zu verschieben. Als weise bezeichnete die Entscheidung der tschechischen Regierung bezüglich des Kapitels der Freizügigkeit der Arbeitskräfte der Generaldirektor für Erweiterung Eneko Landaburu in der vergangenen Woche während seines Besuches in der Tschechischen Republik. Landaburu deutete an, dass die Europäische Kommission versuchen werde, die Verhandlungen zu einem Kompromiss zu führen.

Interessante Ergebnisse einer jüngst von Studenten durchgeführten Umfrage zum EU-Beitritt der Tschechischen Republik wurden am vergangenen Montag veröffentlicht. Eine Arbeitsgruppe aus 3 Studenten des privaten Europäischen polytechnischen Instituts im südmährischen Kunovice verbrachte eine Woche in Frankfurt am Main, um dort die Meinung der Menschen zum EU-Beitritt Tschechiens zu erfragen. Die Ergebnisse bezeichnete der Autor des Projektes, Jiri Kubiznak, als sehr überraschend, da sich von den Hundert Befragten 91 für die Aufnahme der Tschechischen Republik in die EU ausgesprochen haben. Dieser Prozentteil unterscheidet sich diametral von den offiziellen Angaben aus den europäischen Quellen. In den Gesprächen mit den Beteiligten stellten die Studenten folgende Unterschiede fest:

"Der deutsche Bürger ist viel informierter über diese Problematik als der tschechische. Die Deutschen hatten meiner Meinung nach auch größeres Interesse daran. Die meisten Befragten fragten uns dann zurück, wie wir ihnen denn so eine dumme Frage stellen können. Sie wünschten schließlich, dass die europäischen Völker alle gemeinsam leben."

Man müsse allerdings in Betracht ziehen, dass die Umfrage im westlichen Teil Deutschlands durchgeführt wurde:

"Wissen Sie, die Umfrage wurde im Westen durchgeführt und deutschlandweit könnte es zu einer Angleichung an die offiziellen Statistiken kommen, da vor allem im Osten die Menschen gegen uns sind. Franfurt/Main ist eine Metropole und das Interesse an der europäischen Problematik dadurch auch höher."

Ob bei der Umfrage auch andere interessante Tatsachen festgestellt worden seien, fragte ich abschließend Jiri Kubiznak:

"Bestimmt. Wir haben noch viele Informationen ermittelt, von denen ich die Frage der Mobilität unterstreichen möchte. Die meisten Tschechen, die wir in Tschechien befragten, haben nicht vor, in die jetzigen EU-Mitgliedsländer umzuziehen, nicht einmal wegen einem höheren Gehalt."





Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:



www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union

www.euroskop.cz

www.evropska-unie.cz/eng/

www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online

www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt