Europa wächst zusammen - aber zu langsam: Dialog-Veranstaltung in Brünn
Wie wächst Europa zusammen? Das war der Titel der internationalen Konferenz der Bernard-Bolzano-Stiftung und der Ackermann-Gemeinde, die am vergangenen Wochenende in der südmährischen Stadt Brno / Brünn stattgefunden hat. Pavel Polák war dort und hat Antworten gesammelt.
Was war das Thema dieses Dialogs in der Mitte Europas? Bisher war es meist um die deutsch-tschechische Beziehungen gegangen. Diesmal hatten die Organisatoren ein breiteres Thema ausgewählt, ein sehr aktuelles und europäisches: Wie wächst Europa zusammen? Darüber und über die tschechische Präsidentschaft im Rat der EU wurde diskutiert. Deutschland hatte 2007 die Ratspräsidentschaft inne, Tschechien bereitet sich darauf vor und wird am 1. Januar 2009 den Vorsitz übernehmen.
„Man kann hier einen wunderbaren Querschnitt von Leuten treffen, Journalisten, Politiker, Lehrer und Studenten. Die Idee, die Konferenz in die Universitätsstadt Brünn zu legen, war – glaube ich – gut, weil man eben auch junges Publikum trifft. Und für mich ist es immer eine Informations- und Kontaktbörse, man lernt viel dazu.“, sagt der deutsche Botschafter in Tschechien, Helmut Elfenkämper.
Viele Gäste – Politiker, Ökonomen, Politologen, Journalisten und Staatsmänner aus Tschechien, Deutschland und Polen – saßen am Tisch auf dem Podium, und fassten ihre Gedanken in Worte. Insgesamt herrschte eine optimistische Stimmung vor – Europa wächst zusammen, daran zweifelte niemand. Aber dieser Optimismus schloss keinesfalls kritische Reflexion aus. Der Wirtschaftsprofessor und erfolglose Präsidentschaftskandidat Jan Švejnar betrachtet Europa aus einer Sicht, die ihm am stärksten vertraut ist, nämlich aus der ökonomischen:
„Ich bin bei Europa ein Optimist. Zugleich muss ich aber sagen, dass Europa schon viele Gelegenheiten versäumt hat, es liegt immer noch unter seinen Möglichkeiten. Ich glaube, durch das Zusammenwachsen können wir vieles erreichen, sowohl auf der ökonomischen und politischen, als auch auf der gesellschaftlichen Ebene. Und das ist notwendig“, merkt der Tschecho-Amerikaner Jan Švejnar an.
Wo begehen die Europäer nach Švejnars Meinung den größten Fehler?
„Es ist gerade dieses Unterschätzen von all dem, was durch das Zusammenwachsen, durch die Integration erreicht werden kann. Die Bürgerinnen und Bürger verstehen immer noch nicht, dass es hier so viele nicht genutzte Möglichkeiten gibt.“
Die europäischen Länder haben in der Welt, die immer stärker globalisiert, keine andere Zukunft als in der Europäischen Union. Das sind Worte Erwin Teufels, des ehemaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg. Als großes Problem sieht er, dass sich die Europäer laut vielen Umfragen mit der Union nicht identifizieren. Zu zentralistisch regiert sei die Union, heiße es.
„Mit einem Europa, das von unten nach oben aufgebaut ist und deshalb den Menschen nah ist, können sich die Bürger identifizieren. Ein solches Europa ist jeden Einsatz wert. Diesem Europa müssen wir auch eine bessere Verfassung geben und wir müssen es in eine bessere Verfassung bringen, damit es tradiert und bejaht wird auch von den kommenden Generationen“, so Erwin Teufel.Ob Tschechien dazu beiträgt? Eine nette Überraschung wäre dies, aber realistisch ist es wohl nicht. Tschechien wird zum ersten Mal die Ratspräsidentschaft übernehmen. Und es muss elementare Aufgaben in Griff bekommen, wie zum Beispiel die Organisation der zahlreichen Gipfeltreffen. Außerdem gilt die größte Regierungspartei – die Bürgerdemokraten, denen auch der tschechische Präsident Vaclav Klaus angehörte – seit Jahren als euroskeptisch. Jozef Zieleniec, unabhängiger tschechischer Europaabgeordneter:
„Die meisten tschechischen Politiker wissen durchaus, dass die ideologische Debatte, die bei uns so leidenschaftlich war und in der man die Bürger mit dem Verlust der nationalen Identität erschrecken wollte, nirgendwohin führt. Unser Präsident Václav Klaus hat den Identitätsverlust mit dem Auflösen eines Zuckerwürfels in einer Tasse Tee verglichen. Die meisten Politiker wissen auch, dass über wichtige Herausforderungen, vor denen Europa steht, gesprochen werden muss. Schaue ich mir aber die Debatten nicht nur bei uns, sondern auch in Polen, Ungarn und in der Slowakei an, dann scheint diese ideologische, ablehnende Haltung zu Europa zurückzugehen. Und dieser Trend wird durch unsere Ratspräsidentschaft noch verstärkt werden, weil wir hier in Tschechien dann wirklich sehen werden, was die Union bedeutet und was sie für uns bedeutet. Wir werden für sie ein halbes Jahr lang verantwortlich. Wir werden hinter dem Lenkrad sitzen, und da nimmt man alles anders wahr, als wenn man auf der Rückbank sitzt und nur mault.“Der Beinamen der Konferenz lautete: „von der deutschen zur tschechischen Ratspräsidentschaft“. Welche Erfahrungen können die Deutschen den unerfahrenen Tschechen vermitteln?
„Als wir die Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 innehatten, haben insgesamt 16 Kollegen aus verschiedenen tschechischen Ministerien in Berlin längere Zeit hospitiert“, sagt der deutsche Botschafter in Tschechien, Helmut Elfenkämper. „Wir führen derzeit einen intensiven Erfahrungsaustausch, wir konsultieren sehr intensiv und werden wieder deutsche Beamte nach Prag schicken, die als Partner in tschechischen Ministerien mitarbeiten. Das heißt aber nicht, dass nur Tschechien von uns etwas lernen kann, sondern es ist ein Austausch in beiden Richtungen. Vereinfacht wurde dies durch die sehr guten Deutschkenntnisse vieler Tschechen. Wir haben aber auch schon die Leute gefunden, die hier in tschechischer Sprache arbeiten können.“
Tschechien hat noch fast ein Jahr, bevor es das wichtige Amt der Ratspräsidentschaft übernimmt…
„Man hört immer, die Vorbereitung sei nicht gut, aber das ist nicht der Fall. Der ganze Regierungsapparat arbeitet sehr intensiv an der Vorbereitung. Das ist die große Aufgabe, vor der das Land jetzt steht. Ich glaube, wir werden sehen, dass es gut läuft“, zeigt sich der deutsche Botschafter Helmut Elfenkämper optimistisch.