Europäische Sozialisten tagen in Prag: Martin Schulz im Gespräch

Martin Schulz

Am Montag und am Dienstag geht im Prager Industriepalast der Kongress der Europäischen Sozialisten über die Bühne. Sie versuchen, einen Ausweg aus der Krise zu finden. Und zwar nicht nur aus der Wirtschaftskrise, sondern auch aus ihrer eigenen. Woran liegt es, dass die Sozialdemokratischen Parteien – von wenigen Ausnahmen abgesehen – eine Wahl nach der anderen verlieren? Die Partei habe ein Glaubwürdigkeitsproblem, sagt Martin Schulz, der Vorsitzende der Sozialistischen Fraktion im Europäischen Parlament, im Gespräch mit Daniel Kortschak. Man beschließe auf den europaweiten Parteitagen Dinge, die dann nicht eingehalten würden, so Schulz.

„Außerdem glaube ich, dass wir den Fehler gemacht haben, uns der Prärogative der Rechten zu unterwerfen, die besagen, dass der Kapitalismus in dem Moment gesiegt habe, als die Sowjetunion zusammengebrochen ist. Das ist, glaube ich, falsch.“

Die Tschechische Sozialdemokratische Partei unter Jiří Paroubek ist relativ erfolgreich. Sie haben die Regionalwahlen im letzten Jahr gewonnen und sie haben gute Umfragewerte für die Parlamentswahlen im Mai nächsten Jahres. Was macht Jiří Paroubek besser?

„Ich glaube, die tschechischen Sozialdemokraten sind eigentlich während der ganzen Zeit, in der sie in der Opposition sind, ziemlich konsequent bei ihrer gleichen Linie geblieben. Es gab für die Wählerinnen und Wähler eine klare Erkennbarkeit im Programm der ČSSD. Es gab überhaupt keine Klarheit bei der ODS. Es gab überhaupt keine Klarheit der Christdemokraten, ganz im Gegenteil. Und auch die Grünen in der Tschechischen Republik haben meiner Meinung nach keine hohe Glaubwürdigkeit erworben. Ich glaube, Paroubek hat gegen viel mediale Kritik eine ziemlich gleichförmige Linie gefahren und das bringt ihm heute ein Stück mehr Glaubwürdigkeit.“

Apropos Kritik, Sie haben die tschechische EU-Ratspräsidentschaft im Europäischen Parlament immer wieder kritisiert. Haben Sie Jiří Paroubek eigentlich schon verziehen, dass er es war, der die Regierung gestürzt hat, mitten in der Ratspräsidentschaft?

„Ich habe darüber ein langes Gespräch mit ihm gehabt. Ich habe ihm meine Meinung gesagt und deshalb brauche ich dazu nichts mehr öffentlich zu sagen.“

Václav Klaus, auch so ein Reizwort für Sie. Er hat die Ratifizierung des Lissabon-Vertrages bis zum Schluss hingehalten. Jetzt ist Lissabon ratifiziert. Ein Sieg für Europa?

„Vor allem eine Niederlage für Václav Klaus.“

Und eine Niederlage für die tschechische Bevölkerung wegen der Ausnahme von der EU-Grundrechtcharta?

„Das wird sich sicherlich irgendwann korrigieren lassen. Ich bin auch ganz sicher, dass das korrigiert werden wird. Im Übrigen, eine solche Protokollerklärung ist politische Kosmetik. Das akzeptiere ich, aber jeder tschechische Bürger, der am Ende darauf klagt, dass er nicht schlechter behandelt werden will als Bürger und Bürgerinnen in anderen Ländern Europas, wird vor dem Europäischen Gerichtshof Recht bekommen. Insofern ist das ein dynamischer Prozess. Wichtig scheint mir zu sein, dass Václav Klaus akzeptieren musste, dass einer alleine nicht alle anderen aufhalten kann.“