Europäischer Bürgerpreis für Post Bellum

Mikuláš Kroupa mit dem Europäischen Bürgerpreis (Foto: ČTK / Michaela Říhová)

Das tschechische Erinnerungsprojekt lässt Zeitzeugen über die Schlüsselereignisse des 20. Jahrhunderts erzählen.

Mikuláš Kroupa mit dem Europäischen Bürgerpreis  (Foto: ČTK / Michaela Říhová)
Den Europäischen Bürgerpreis erhalten Einzelpersonen, Organisationen und Vereine dafür, dass sie sich auf außergewöhnliche Weise für ein besseres gegenseitiges Verständnis und die Integration in der EU eingesetzt haben. Der Preis wird seit 2008 vom Europäischen Parlament vergeben. In diesem Jahr wird unter anderem die tschechische Vereinigung Post Bellum ausgezeichnet. Der Schwerpunkt der Tätigkeit von Post Bellum liegt auf dem Erinnerungsprojekt Paměť národa (Nationales Gedächtnis). Mikuláš Kroupa leitet die Vereinigung:

„Wir sprechen mit alten Menschen und zeichnen ihre Erinnerungen, ihre Gedanken, ihre Lebensgeschichten auf. Wir zielen nicht auf konkrete Episoden oder konkrete Daten. Lebensgeschichten sind kein Geschichtslehrbuch. Sie sind ein Strom von privaten Ereignissen. Doch im Hintergrund der Erzählungen spiegeln sich alle Schlüsselmomente des 20. Jahrhunderts.“

Die Mitarbeiter von Post Bellum führen Gespräche mit Menschen, die vom NS-Staat und dem kommunistischen Regime verfolgt wurden, mit Dissidenten und politischen Gefangenen, aber auch mit denjenigen, die auf der Seite des Systems standen, wie etwa mit Ermittlern der Staatssicherheit oder Armeefunktionären. Aus den Erinnerungen entsteht ein Zyklus des Tschechischen Rundfunks mit dem Titel „Die Geschichten des 20. Jahrhunderts“.

„Wir haben bisher rund 7000 Geschichten gesammelt und aufgezeichnet. Und wir haben mehr als 500 einstündige Radio-Dokumentationen gesendet.“

An der Arbeit beteiligen sich mittlerweile etwa 400 Menschen.

Orten des nationalen Gedächtnisses  (Foto: Post Bellum)
„Das Kernteam besteht aus etwa 30 Mitarbeitern, die vor allem Veranstaltungen planen. Das sind dann Ausstellungen, Bildungsprogramme für Grund- und Mittelschulen und der ‚Preis des nationalen Gedächtnisses‘, der alljährlich am 17. November verliehen wird.“

Vor sechs Jahren wurde das Bildungsprogramm von Post Bellum ins Leben gerufen, es nennt sich „Geschichten unserer Nachbarn“:

„Das Prinzip ist einfach. Wir bringen den Schülern das bei, was wir selbst machen: das heißt alte Menschen zu finden, ihre Geschichten aufzuzeichnen und mit diesen Geschichten weiterzuarbeiten. Es ist für sie ein abenteuerlicher Entdeckungsweg, genauso wie für uns. Die Jugendlichen können die alten Menschen nach Details fragen, die sie kaum aus einem Lehrbuch erfahren würden.“

Das neueste Projekt von Post Bellum ist eine App zu den „Orten des nationalen Gedächtnisses“. Das bedeutet, dass auf einer Karte ausgewählte Orte verzeichnet sind, zu denen Ereignisse und Geschichten geschildert werden.

Außer Post Bellum hat dieses Jahr noch ein weiteres tschechisches Projekt den Europäischen Bürgerpreis erhalten. Es sind die sogenannten Schüler- und Studenten-Gipfeltreffen in Prag.