Evangelische Landeskirchen besuchten Prag

Die Lage der evangelischen Kirchen in Deutschland ist ganz anders als die in Tschechien. Während die Protestanten in Deutschland etwa die Hälfte der Gläubigen darstellen, machen sie in Tschechien nur ein Prozent der Bevölkerung aus. Trotzdem arbeiten die Kirchen eng zusammen, wie Jakub Siska berichtet.

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Die evangelische und auch die katholische Kirche in Tschechien haben vor allem Anfang neunziger Jahre viel Geld von ihren deutschen Partnerkirchen bekommen. Das half ihnen, neue Entwicklungsprojekte aufzubauen und eine nutzbringende Arbeit in der Gesellschaft aufzunehmen. Darüber hinaus haben sich die Kirchen beiderseits der Grenze in den Diskussionen über die deutsch-tschechische Versöhnung engagiert, sagt Gerhard Reinighaus, der schon seit 15 Jahren am Sitz der Böhmischen Brüderkirche in Prag arbeitet:

"Das war nach der Samtenen Revolution eine wichtige Herausforderung, der sich die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder gestellt hat. Das Thema wurde in Arbeitsgruppen behandelt, und 1995 hat unsere Partnerkirche eine Erklärung zur Aussiedlung der Sudetendeutschen herausgegeben. Das bedeutete einen weiteren Schritt beim Umgang mit der Vergangenheit im Geist der Versöhnung und der Verständigung."

Miloslav Vlk
Die deutschen Protestanten lassen sich in Tschechien auch inspirieren. Die hiesigen Kirchengemeinden sind häufig sehr klein und würden sozusagen urchristlich leben. Die Christen hierzulande seien als Minderheit dazu gezwungen, die Tiefe des Glaubens zu suchen und nichts für selbstverständlich zu halten, meint der geistliche Leiter der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider:

"Wie eine Kirche sich auch in einer Minderheiten-Situation bewährt und eine verantwortliche Kirche ist, das ist für uns sehr inspirierend. Denn wir sehen in unserem Land, dass bestimmte Regelungen und Sicherungen des kirchlichen Lebens auch nicht mehr länger als eine Generation halten werden. Zum Beispiel die Frage der Kirchensteuer wird bei uns sehr kritisch diskutiert. Es ist also sehr anregend zu sehen, dass die Dinge sich auch anders machen lassen."

Nikolaus Schneider leitete eine zehnköpfige Delegation der deutschen evangelischen Landeskirchen, die dieser Tage in Tschechien weilte. Sie besuchte mehrere Kircheingemeinden, diakonische Anstalten und Schulen. Ökumenische Fragen diskutierte sie auch mit dem Prager Erzbischof Miloslav Vlk.