„Fašank“ in Strání: Kontrabass wird bestattet

Fasching in Strání (Foto: Martina Schneibergová)

In den meisten tschechischen Städten ist der Fasching oder Karneval heute trotz Versuchen der Wiederbelebung kaum mehr als eine Attraktion. Es gibt aber Regionen, wo der Fasching bis heute noch so begangen wird, wie seit Jahrhunderten. Einer der Orte, wo die ganze Gemeinde vor dem Aschermittwoch im Zeichen des Faschings steht, ist die südmährische Gemeinde Strání. In das tanzende und singende Strání führten wir Sie vor zwei Wochen ein. Dabei versprachen wir, das nächste Mal die etwas wilde Tour durch das tanzende Dorf fortzusetzen.

Um die Mittagszeit sah die Gemeinde noch ein wenig verschlafen aus – am Dienstag vor dem Aschermittwoch, dem letzten Tag des Fasching, den man dort „fašank“ nennt. Wenn man die Bewohner reden hört, gewinnt man durch die starke Sprachmelodie den Eindruck, dass sie eher slowakisch sprechen. Die Slowakei liegt nur einige Hundert Meter entfernt, und die Nähe der etwas weicheren slawischen Sprache führte wahrscheinlich dazu, dass der schwierigste tschechische Konsonant „ř“ aus der hiesigen Mundart verschwand. „Vezete fašančáre?“ (Bringen Sie welche fašančáre mit?) fragte eine Oma den Busfahrer, der zwischen der Comenius-Stadt Uherský Brod und Strání pendelt. Eigentlich sollte sie nach „fašančáři“ fragen, aber die Mundart von Strání richtet sich nicht nach den üblichen tschechischen Deklinationstypen. „Fašančáre“ sind die Hauptdarsteller des Karnevals, bei dem es jedoch keine Umzüge mit Masken gibt. Erst kurz nach Mittag wurde es in Strání lebendiger. Die „fašančáre“ starteten ihre endlose Tour durch die fast fünf Kilometer lange Gemeinde, die erst um Mitternacht enden sollte. Kleinere Gruppen von Musikern und Tänzern – den „fašančáre“ - sehen recht bunt aus, manche sind in weißen Leinentrachten, andere wiederum in prächtigeren feierlichen Volkstrachten gekleidet. Sie klopfen oder klingeln an die Haustür, und führen dann einen Säbeltanz vor, der mit Gesang und Musik begleitet wird.

Beim Tanz mit den Holzsäbeln wird immer dasselbe Lied mit mehreren Strophen gesungen, in dem unter anderem verkündet wird: „ Wir nehmen alles, auch Wildbirnen, hier hat man uns was gegeben, dort aber nicht. Die da haben eine Mücke getötet, und da wird es Speck geben…“, freuen sich die „fašančáre“.

Für die anstrengende Schwerttanzvorstellung wird die ganze “partija” – also die Gruppe, die aus einigen Musikern und fünf Tänzern besteht, von der Hausfrau mit Leckerbissen belohnt. Diese werden jedoch meistens nicht gleich verspeist, sondern an einen Spieß gehängt und den ganzen Tag lang mitgetragen. Die singenden Gruppen ziehen natürlich auch die Aufmerksamkeit der Passanten an. Im Publikum vor einem der Häuser traf ich einen Volkskunstexperten. Pavel Popelka ist Leiter des Comenius-Museums in Uherský Brod und passionierter Kenner und Sammler der hiesigen Volkslieder und Volksbräuche. Schwerttänze werden in ganz Europa getanzt, sagt der Ethnograf, als ich nach der Herkunft des einzigartigen Säbeltanzes fragte:

Fasching in Strání  (Foto: Martina Schneibergová)
„Überall, wo diese Tänze getanzt werden, haben die Leute dafür eine andere Erklärung. Manchmal wird es mit den Sarazenen in Verbindung gebracht, anderswo führt man es auf Räuber zurück. Hier in Südmähren erzählt man, dass es um Tänze der Wächter ging, die die hiesige Grenze überwachten. Einst haben angeblich Männer getanzt, die eine wirkliche Waffe in der Hand hatten und nicht nur einen Säbel aus Holz. Bei den Schwerttänzen auf dem Balkan ist sehr deutlich, dass sie mit einem Opfer verknüpft waren. Es wird dabei vorgeführt, dass jemand geschlagen oder gefangen genommen, beziehungsweise losgekauft wurde. Hier in Strání wird dieses Motiv nur angedeutet. Ein Opfer wurde immer gebracht, um die Ernte zu sichern. Dies ist der älteste rituelle Bestandteil des Tanzes.“

Der Tanz ist jedoch dem Experten zufolge sehr vielschichtig. Strání ist nicht die einzige Gemeinde, wo der Säbeltanz aufrechterhalten wurde. Es gebe, so Pavel Popelka, aber nur ein paar Orte in Tschechien, wo er noch getanzt wird. Es sind alles Orte in der Nähe der einstigen Grenze zu Ungarn. Andere Schwerttanzvarianten tauchen auch in einigen Grenzorten Südböhmens auf, so der Ethnograf. Ausführlich wurde der Säbeltanz von Strání erst am Anfang des 20. Jahrhunderts beschrieben, sagt Popelka:

„Die erste schriftliche Schilderung der Tänze aus dieser Region stammt aus dem Jahr 1808. Ein Reisender schrieb, dass der Tanz vor der Obrigkeit so wild vorgeführt wurde, dass aus den Tänzern Blut spritzte. Wie die Tanzfiguren damals aussahen, weiß man nicht mehr. Heutzutage wird der Säbeltanz nur am Dienstag vorgeführt. Früher zogen diese Fasank-Gruppen während der letzen drei Karnevalstage durch die Region. Sie versuchten damit auch etwas zu verdienen. Denn sie bekamen auch Geld dafür. Heute werden sie vor allem mit Sliwowitz und mit Süßigkeiten belohnt. Es gibt im Voraus keinen festgelegten Plan, wen die Gruppen besuchen. Meistens besuchen sie ihre Verwandten oder Freundinnen. Alle kommen ganz sich beim Herrn Pfarrer vorbei. Der arme Pfarrer hat mit etwa zwanzig Besuchen zu rechnen. Aber er freut sich darüber. Und alle Gruppen ziehen auch in eine der hiesigen Kneipen. Den Tanz gucken die Kinder von ihren Vätern oder Onkeln ab. Es macht ihnen viel Spaß.“

Pavel Popelka übertrieb nicht, denn die kleinsten Säbeltänzer gehörten auch zu den tüchtigsten. Was gefällt ihnen daran am meisten?

„Es ist eine Tradition. Mir gefällt, dass wir Schokolade bekommen. Jemand bietet uns Würste, belegte Brötchen, Krapfen an.“

Und bis wann wollen die kleinen Säbeltänzer wach bleiben?

„Bis zum Abend, bis zur Bestattung des Kontrabasses.“

Auf die Bestattung des Kontrabasses war ich richtig neugierig. Wie ich hörte, sollte sie sich um Mitternacht im ehemaligen Jagdschloss in der Mitte der Gemeinde abspielen. Bis zum Abend begegnete ich jedoch noch vielen „fašančáre“. Ihre mühsame Wanderung durch die Gemeinde beendeten die einzelnen „partija“ im erwähnten Jagdschloss, wo sie in einem großen Saal einzeln noch einmal ihre Kunst vorführten.

Für jemand, der nicht gerade aus Strání stammt, war es nicht einfach, den Text der Lieder zu verstehen. Im Refrain hieß es: unter den Säbeln – pod šáble, und pod obušky – was eigentlich wortwörtlich etwas mit Knüppeln bedeuten sollte. Von einem gebürtigen Stráner ließ ich mir dies erklären:

“Obušek – ist hier bei uns ein grobes Beil, das die Holzfäller benutzten. Ich stamme aus Strání und so kenne ich das Lied gut," sagte der Lokalpatriot Ondřej Benešík, der sich später nicht nur als Mitglied des Gemeinderats von Strání, sondern auch der Regionalregierung des Landkreises Zlín entpuppte. Wie entstand der Volksbrauch der Bestattung des Kontrabasses, der in Strání weitergegeben wird?

“Der Kontrabass wird deshalb bestattet, weil am Aschermittwoch die Fastenzeit beginnt, und der Kontrabass ist ein Symbol der Musik und der Fröhlichkeit. Für eine so religiöse Gemeinde wie Strání bedeutet die Fastenzeit nicht nur, weniger zu essen, sondern auch vierzig Tage lang bis zum Osterfest auf sämtliche lustigen Veranstaltungen zu verzichten.“

Ondřej Benešík zufolge sind die Bewohner von Strání nicht nur durch die starke Religiosität, sondern auch dadurch bekannt geworden, dass sie immer in ihren Geburtsort immer zurückkehren, auch wenn viele von ihnen in einem entfernten Ort arbeiten. Ab und zu auch weit entfernt, wie ich feststellen sollte:

„Heute genieße ich den Volksfasching im kleinen Ort Strání, den ich liebe und wo ich aufgewachsen bin. Morgen soll ich, auch wenn nur formal, die Tagung des Ausschusses der Regionen, einer der EU-Institutionen in Brüssel leiten.“

Mit aus Strání nahm Ondřej Benešík bestimmt noch Erinnerungen auf die symbolische Beisetzung des Kontrabasses, der zuvor die zahlreichen Säbeltänzer begleitet hatte.

Fotos: Autorin