Februar 1990: Die USA bereiten Václav Havel einen triumphalen Empfang
Ende Dezember 1989 wurde der Schriftsteller und frühere Dissident Václav Havel zum ersten Präsidenten der demokratischen Tschechoslowakei gewählt. Ende Februar 1990 brach er zu seiner ersten großen Auslandsreise auf. Sein Ziel: die USA.
Der Präsident einer freien Tschechoslowakei auf Staatsbesuch beim früheren Todfeind USA: Das war neu und ungewohnt und sehr emotional. Václav Havel im Februar 1990 vor seinem Abflug in Prag:
„Ich habe schon nicht mehr darauf gehofft, mir irgendwann noch einmal Amerika anzusehen. Ich war dort 1968, und ich mag Amerika sehr, vor allem New York. Jetzt habe ich also die Chance, mir die Stadt erneut anzusehen.“
New York war Havels erste Station. Nach kurzem Aufenthalt ging es aber gleich weiter in die Hauptstadt Washington. Wohin Havel kam, er wurde begeistert empfangen. Der Amerika-Korrespondent des tschechoslowakischen Fernsehens meldet in die Heimat:
„Washington, Weißes Haus, heute Vormittag Ortszeit: Unter riesigem Medieninteresse ist der tschechoslowakische Präsident Václav Havel eingetroffen, der erste tschechoslowakische Präsident, der hier vom Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika empfangen wird.“
Knapp vier Monate zuvor, Ende Oktober 1989, war Havel als Staatsfeind von der Polizei der damals noch kommunistischen Tschechoslowakei verhaftet worden. Nun flimmerten auf den tschechoslowakischen Fernsehbildschirmen Bilder von Havel im Garten des Weißen Hauses. Selbst der Fernsehjournalist scheint seinen Augen nicht zu trauen:„Ja! Der tschechoslowakische Präsident Václav Havel hat heute mit US-Präsident George Bush verhandelt. Das Treffen der beiden Staatsoberhäupter im Weißen Haus ist der Höhepunkt des ersten Tages von Havels Staatsbesuch in den Vereinigten Staaten.“
Der Höhepunkt der gesamten Reise aber war zweifellos Havels Rede vor dem US-Kongress am 21. Februar 1990. Havel war der erste Politiker der postkommunistischen Staaten Mittel- und Osteuropas, der dort sprechen durfte. Und man bereitete ihm einen triumphalen Empfang.
Der Schriftsteller und Dissident, der Menschenfreund und unermüdliche Freiheitskämpfer Havel, der quasi aus dem Gefängnis eines totalitären Staates zum Präsidenten eines neuen demokratischen Staates wurde, das klang fast wie Hollywood, das war ganz nach dem Geschmack der Amerikaner fürs Dramatische. Und Václav Havel wusste ihre Gefühle zu bedienen: Das Heil einer menschlichen Welt liege nirgendwo anders als im menschlichen Herz, teilte er den amerikanischen Volksvertretern mit. 23 Mal haben sie die Rede mit Applaus und Standing Ovations unterbrochen, wie sich Václav Havel bei seiner Rückkehr nach Prag scherzhaft beschwerte. Lausbübisch plauderte Havel vor Tausenden Menschen auf dem Altstädter Ring Geheimnisse der hohen Politik aus, sehr zur Belustigung der Zuhörer:
„Viele amerikanische Politiker haben mich gefragt, wie viele Experten meine Rede geschrieben hätten und wie viele Wochen das gedauert habe. Ich habe gesagt, ich habe sie selbst geschrieben und es hat zwei Stunden gedauert. Meine Berater haben mich gerügt, ich sollte solche Dinge in Zukunft nicht mehr sagen. Ich würde nicht professionell genug erscheinen.“
Václav Havel, der Schriftsteller im Präsidentenamt, hat nicht nur einen neuen Politikstil gepflegt. Er hat damit sich und der jungen demokratischen Tschechoslowakei viele Sympathien, nicht nur in den USA, eingebracht.