Feuilleton: Tschechischer Fußball verspielt seinen Kredit binnen Wochen
Wie gewonnen, so zerronnen. Vor gut drei Monaten ist er noch bestaunt, beklatscht und bejubelt worden: der tschechische Fußball. Denn bei der Europameisterschaft in Portugal sorgten die Nedved, Poborský, Baros & Co. mit Esprit und technischer Raffinesse für Entzücken und viel gute Unterhaltung unter der weltweiten Anhängerschaft des runden Leders. Selbst noch den Vertretern der großen Stars, als B-Mannschaft deklariert, gelang es, das Team von Ex-Weltmeister Deutschland in die Schranken zu verweisen.
Letztes Negativbeispiel in dieser Hinsicht ist der eilfertige Rücktritt von Superstar und Ex-Kapitän Pavel Nedved aus der Nationalmannschaft. Der 31-jährige Powerfußballer von Juventus Turin hatte sich nach seiner schweren Knieverletzung bei der EM eine Auszeit im Nationaltrikot erbeten, und zwar solange, bis seine Verletzung die volle Doppelbelastung wird wieder aushalten können. Über die Medien glaubten jedoch Auswahltrainer Karel Brückner und andere Verantwortliche den Zeitpunkt von Nedveds Rückkehr beeinflussen zu können. Vorlaute Altinternationale und enttäuschte Fans bezichtigten Nedved gar, das Team beim 0:2 in Holland im Stich gelassen zu haben. Zuviel der Schmach für einen, der immer alles gab im Dress des Heimatlandes. Und so müssen Nedveds Nationalmannschaftskollegen die schwere Prüfung der WM-Qualifikation nun ohne ihn bestehen. Geht's schief, wird man nach den Gründen nicht lange suchen müssen. Denn merke: Wer die Väter des Erfolgs nicht ehrt, ist auf Dauer keinen Pfifferling mehr wert!
Wie aber ist es möglich, dass der tschechische Fußball allen Lobeshymnen zum Trotz offenbar rasend schnell wieder vom Sockel stürzt? Nun, der Gründe gibt es mehrere. Allen voran ist da die große Korruptionsaffäre zu nennen, der sich die so genannte Gambrinus Liga - die höchste Spielklasse des Landes - nun schon seit Monaten gegenüber sieht. Bisher wurden zwei Clubs, der 1. FC Synot und Viktoria Zizkov, deren Funktionären man die mehrmalige Bestechung von Schiedsrichtern zum Zwecke der Ergebnismanipulierung nachgewiesen hat, mit drastischem Punktabzug und Geldbußen bestraft. Aber noch zittert die halbe Liga, weil die Polizei ihre per Lauschangriff durchgeführten Ermittlungen noch längst nicht abgeschlossen hat. Angesichts der Finanzmisere bei den meisten Clubs, garniert mit zum Teil indiskutablen Vorstellungen in den europäischen Wettbewerben, sind das keine rosigen Aussichten. Dieses Stimmungsbild aber hat längst auch auf das Aushängeschild, die Landesauswahl, abgefärbt. Weshalb? Weil die in der Regel professionell eingestellten Kicker, die ihr Geld in nahezu vollem Maße bei ausländischen Clubs verdienen, noch allzu oft auf den Dilettantismus einheimischer Funktionäre treffen.