Filme, Filme, Literatur – Tschechisches Zentrum Berlin im Kino-Fieber
Berlin ist zu Beginn des Jahres immer im Berlinale-Fieber. Auch das Tschechische Zentrum schließt sich dem Hype an und zeigt bis zum Beginn des renommierten Filmfestivals jede Menge tschechischer Filme. Aber auch die Literatur soll 2013 nicht zu kurz kommen, wie die Programmdirektorin Christina Frankenberg im Interview erzählt.
Frau Frankenberg, das Programm des Tschechischen Zentrums Berlin ist zu Jahresbeginn recht umfangreich. Gerade wurde ja eine Ausstellung von Jaroslav Rudiš zu seinem Comic Alois Nebel eröffnet worden. Vielleicht können Sie dazu etwas sagen?
„Ja, am vergangenen Samstag, dem 12. Januar, haben wir hier im Tschechischen Zentrum eine große Ausstellung eröffnet. Sie stammt aus dem Literaturhaus Stuttgart und dort wurde, begleitend zu den Comics über Alois Nebel eine sehr umfangreiche und geschmackvoll präsentierte Ausstellung entworfen. Sie gibt eine Einführung in den Comic und heißt ‚Alois Nebel: Leben nach Fahrplan’. An der Entstehung haben auch die beiden Autoren des Comics, Jaroslav Rudiš und Jaromír 99, mitgewirkt. Die Ausstellung zeigt zum einen große Rahmen, die dem Comic nachempfunden sind, sowie einige graphische Reproduktionen von Originalskizzen, die der Zeichner Jaromír 99 für den Comic angefertigt hat. Zusätzlich gibt es ein Video sowie einige Überraschungen in der Ausstellung zu sehen. Zur Ausstellung hatten wir auch die Band ‚Priessnitz’ zu Gast. Jaromír 99 wirkt in dieser Gruppe als Sänger mit, er ist also nicht nur Zeichner, sondern auch Musiker. Es war ein wunderbares, sehr gut besuchtes Konzert, und anschließend wurde noch bis in den späten Abend hinein getanzt.“
Es kommt ja jetzt die Filmreihe „Czech on Tour“ nach Berlin, und da zeigen Sie ja einige Filme. Darunter ist auch ein weiterer Film von Rudiš?„Jaroslav Rudiš wird über den Film „Grand Hotel“ sprechen, der zu Beginn der Filmreihe gezeigt wird. Rudiš hat zu diesem Film das Drehbuch geschrieben und später ist daraus noch ein Roman geworden. Die Filmreihe, die vom tschechischen Filmzentrum initiiert wurde, und seit einigen Monaten durch Deutschland tourt, zeigt auch noch andere Filme. Am 19. Januar läuft zum Beispiel der Streifen ‚Občanský průkaz’. Ein sehr frischer Film, der den Zuschauern die 1970er Jahre näher bringt, die schwierige Zeit nach dem Prager Frühling 1968. Der Film erzählt die Geschichte von vier jungen Menschen, die an der Schwelle vom Kind zum Erwachsenwerden stehen. Ihnen ist die Musik der Blumenkinder nahe und der Film ist auch grafisch im Design der 1970er Jahre bearbeitet worden. Er erzählt aber auch von den Schwierigkeiten all jener, die in dieser Zeit nicht bereit waren, sich anzupassen. Insgesamt werden 6 Filme in Berlin zu sehen sein, zwei dieser Streifen sind Dokumentarfilme. Der erste ist ‚Ivana und Václav’ von Helena Třeštíková. Er ist aus einem ganzen Zyklus entstanden, in dem Střeštíková die Geschichten von Ehepaaren über viele Jahre hinweg verfolgt hat, also eine Langzeitdokumentation. Dann wird am 22. Januar auch der Film ‚Der Heiratsvermittler’ zu sehen sein von Erika Hníková. Darin geht es um ein slowakisches Dorf, in dem viele Singles wohnen und der Bürgermeister sich zum Ziel gesetzt hat, sie unbedingt miteinander zu verheiraten.“
Zwei Dokumentarfilme sind also bei „Czech on Tour“ dabei, passend dazu haben Sie ja eine neue Veranstaltungsreihe im Programm. Was genau wird der „Dokumontag“ sein?„Wir werden etwa alle zwei Wochen montags im Tschechischen Zentrum aktuelle Dokumentarfilme hauptsächlich aus der Tschechischen Republik vorstellen. Eröffnet wird diese Reihe am 28. Januar mit dem Film „Pozemšťané, koho budete volit?’ (Erdenbürger, wen werdet ihr wählen?). Es ist ein Dokumentarfilm von Linda Jablonská aus dem Jahr 2010, mit dem sie den Wahlkampf für die tschechischen Parlamentswahlen in diesem Jahr begleitet hat. Das Interessante an diesem Streifen ist, dass sie mit einer Organisation zusammen gearbeitet hat, die sich für die Rechte von Menschen mit geistiger Behinderung engagiert. Ihr Filmteam besteht daher zum Großteil aus Menschen mit geistiger Behinderung, und da sie frei sind von allen Konventionen bringen sie die Politiker, mit denen sie im Film sprechen, immer wieder in völlig überraschende Situationen. Dieser Film ist daher auch sehr enthüllend und ich freue mich auch sehr, dass wir die Regisseurin Linda Jablonská in Berlin zu Gast haben werden, das wird bestimmt eine sehr interessante Diskussion mit ihr über den Film geben. Der nächste Termin ist gleich eine Woche später, da werden wir den neuen Streifen ‚Hra o kámen’ (Spiel um einen Stein) zeigen. Darin geht es um die Auseinandersetzungen und Streitigkeiten in einem tschechischen Dorf, in dem ein Gedenkstein für die deutschen Opfer der Vertreibung nach Krieg errichtet werden soll. Diese Debatte um ein Gedenken an die Opfer entzweit auch heute noch das ganze Dorf. Also diese Reihe werden wir in den nächsten Monaten fortsetzen.“
Die Berlinale steht ja gerade vor der Tür, daher sind Filme in der deutschen Hauptstadt gerade ein großes Thema. Dazu gibt es auch einen Auftritt von einem Tschechen, David Možný. Was genau plant er in Berlin?„David Možný ist ein Videokünstler und er wird an einer Veranstaltung teilnehmen, die unsere ungarischen Kollegen vom Collegium Hungaricum organisieren. Diese Veranstaltung heißt ‚Cinema Total‘ und findet in diesem Jahr schon zum 6. Mal statt. Das CHB bringt dort Filmemacher aus Mittel- und Osteuropa zusammen und David Možný wird vom 9. bis zum 13. Februar an das Gebäude des Collegium Hungaricum Berlin ein Video projizieren. Das Video heißt ‚Rahova’ und es sind Aufnahmen aus einer Bukarester Wohnsiedlung zu sehen.“
Aber es geht ja nicht nur um Filme. Es wird auch eine neue Veranstaltung zur Literatur stattfinden, und dazu haben Sie sich ja ein spannendes Konzept ausgedacht.„Genau, wir haben uns mit dem Begin des neuen Jahres überlegt, unser Berliner Publikum ein wenig mehr in die Gestaltung der Programme mit einbeziehen wollen. Wir wollen also nicht mehr nur Programm für das Publikum machen, sondern verstärkt mit dem Publikum. Daher haben wir einen Lesezirkel ins Leben gerufen, die Lesegruppe ‚Literatura’. Sie wird sich ungefähr einmal in sechs Wochen treffen und gemeinsam mit unseren literaturinteressierten Gästen werden wir über Romane vor allem tschechischer Autoren sprechen. Am 29. Januar wird, damit schließt sich der Bogen wieder, der Roman ‚Grandhotel’ von Jaroslav Rudiš auf dem Programm stehen. Alle Interessenten, die an diesem Tag das Tschechische Zentrum besuchen, sollten diesen Roman gelesen haben und gemeinsam werden wir uns dann über den Roman austauschen. Dieses Buch haben wir auch deshalb gewählt, weil ja kurz vorher der Film in Berlin zu sehen sein wird. So können wir Film und Buch vergleichen und bei dieser nicht-wissenschaftlichen Veranstaltung einmal schauen können, wie die Erzählstrategien in einem Roman funktionieren und sich von denen in einem Film unterscheiden. Am 21. Februar wird Markéta Pilátová in Berlin zu Gast sein, da gibt es im Europahaus eine große Lesung mit ihr. Am 12. März, drei Wochen später, wird sich die Lesegruppe Literatura dann ein zweites Mal treffen und den Roman ‚Mein Lieblingsbuch’ miteinander besprechen.“