Filmtage auf europäisch

0:00
/
0:00

Hätten Sie nicht mal wieder Lust auf ein nettes bosnisches Road-Movie, in einem hübschen, kleinen Kino, das an vergangene Zeiten erinnert? Das konnte man bei den europäischen Filmtagen in Prag genießen, die in diesem Jahr zum 14. Mal stattgefunden haben. In Zusamenarbeit mit den Botschaften und Kulturinstituten der europäischen Länder haben die Organisatoren ein Programm zusammengestellt, das Filme aus allen Ecken des Kontinents einbindet. Bei einem europäischen Filmfestival geht es aber nicht nur um den Spaß am Kino, sondern auch um den Stellenwert des europäischen Films in Europa und der Welt.

"Ich habe das Gefühl, dass es eine produktive Nacht war. Ich bin auch gar nicht eingeschlafen, obwohl das vielleicht manche Filme verdienen, aber ich blieb wach und habe auch alles mitbekommen."

Das ist wohl keine ganz natürliche Reaktion des portugiesischen Studenten nach über neun Stunden Kino am Stück, gepackt in fünf abendfüllende Spielfilme. Trotz der Anstrengung ist der Marathon bei den europäischen Tagen des Films in Prag ausverkauft. Der Samstag-Nacht-Film-Marathon ist aber nur ein Teil des Festivals. Insgesamt konnten die Prager in elf Tagen fast 50 Filme anschauen. Zum 14. Mal findet das Festival jetzt statt und es hat sich unter den vielen Prager Filmfestivals behaupten können. Die Zuschauerzahlen haben sich seit Beginn mehr als verdreifacht. Das könnte mit dem Konzept des Festivals zusammenhängen. Dazu die Organisatorin Eva Kacerova:

"Der einzige Zweck des Festivals ist, das Filmangebot in Tschechien zu erweitern. Der europäische Film hat im allgemeinen ein schweres Leben und kann sich nur schwer durchsetzen gegen die Konkurrenz aus Amerika. Nicht nur bei uns sondern auch anderswo in Europa. Die Lage hat sich inzwischen verbessert. Es gibt hier inzwischen einige Filmverleihe, die europäische Filme einkaufen und zeigen. Es ist aber immer noch zu wenig. Das Festival erweitert dieses Angebot wenigstens für einige Tage."

Eva Kacerova  (Foto: Elena Horalkova)
Der europäische Film hat es schwer und das wird sich so schnell auch nicht ändern. Aufwendige Produktionen à la Hollywood sind oft nicht möglich. Was fehlt, ist Geld. Dabei spielt die Filmförderung eine entscheidende Rolle. Dieses Thema nahm auch einen Platz bei den Filmtagen ein. Die Veranstalter hatten Vertreter veschiedener europäischer Länder eingeladen, um zu erklären, wie bei ihnen die Filmförderung arbeitet. Die finanziellen Möglichkeiten, einen Film zu drehen variieren stark zwischen den einzelnen Ländern in Europa. Während in Deutschland in der Regel etwa die Hälfte der Kosten durch die Filmförderung gedeckt wird, sind es in Tschechien nur sechs Prozent. Jana Cernik vom tschechischen Filmzentrum:

"Es gibt eine tradtionelle Filmindustrie, die seit den 30er Jahren auf oberstem Niveau Filme produziert. Zudem hat die hiesige Infrastruktur Weltniveau. Und damit kommen wir auch schon zu dem Teil, der mindestens genauso wichtig ist. Das sind die Produktionen, die sich Tschechien als Drehort aussuchen. Die halten diese Infrastruktur, die gesamte Filmindustrie am laufen. Dort arbeiten viele Menschen aus der Filmindustrie für bessere Gehälter. Wenn sie dann für den tschechischen Film arbeiten, der sehr viel weniger umsetzt, können sie ihrer Leidenschaft fröhnen. Wenn es dieses Gleichgewicht nicht gäbe, dann gäbe es den tschechischen Film auch nicht."

Und es muss auch wirklich Leidenschaft im Spiel sein. Denn die staatliche Filmförderung in Höhe von zwei Millionen Euro im Jahr reicht nur für zwei Filme. Es werden aber jährlich 19 tschechische Spielfilme gedreht, die auch in die Kinos kommen. Jana Cernik:

"Meine Erfahrung sagt mir, dass die tschechischen Filmemacher, Regisseure, Produzenten, im positiven Sinne besessen sind, ihre eigenen Filme zu machen."

Eine von den Besessenen ist Linda Jablonská. Sie ist mit ihrer Dokumentation "Kupredu prava, kupredu leva" - rechts voran, links voran - bei den Filmtagen vertreten. Jablonska hat über ein halbes Jahr junge Politker von konservativer und von linker Seite begleitet und Eindrücke eingefangen. Sie ist mit ihnen auf Demonstrationen gegangen und hat ihnen dabei zugeschaut, wie sie auf der Straße um Mitglieder geworben haben. Auch Jana Cernik hat den Film gesehen:

" Er entlarvt ein Verhalten, das auch in der Tagespolitik auffällt. Nämlich mit Klischees und Formeln um sich zu werfen und nicht wirklich den Kern zu treffen. Das ist so schockierend, weil diese Leute so jung sind und ständig ihre Floskeln wieder aufsagen. Wenn man dann nachhakt, dann holen sie ihre Formeln aus der anderen Ecke, um nicht auf die Frage antworten zu müssen. Der Film ist einfach eine schöne, leise Beobachtung des Zustands von Politik und Gesellschaft in Tschechien."

"Kupredu prava, kupredu leva" ist bereits erfolgreich in Tschechien angelaufen. Aber das Festival zeigt auch und vor allem Filme, von denen man sonst wahrscheinlich gar nicht erfahren würde. Oder Filme, die so kurz auf dem Spielplan der Kinos stehen, dass man sie leicht verpasst. Estnische Filme über Freundschaft treffen auf österreichische Vergangenheitsbewältigung.

"Bei den Filmen fällt mir besonders auf, das sie nicht nur aus einem Land kommen, sondern Menschen aus verschiedenen Ländern zusammenarbeiten und das wirkt sich positiv auf die Filme aus",

meint eine Besucherin des Festivals. Da gibt es zum Beispiel die lettisch-portugiesisch, niederländisch-französische Ko-Produktion "Sieben unsichtbare Menschen" oder den Eröffnungsfilm der Filmtage - "The wind that shakes the barley", der letztes Jahr in Cannes die Goldene Palme gewonnen hat. Bei dem Drama hat der britische Regisseur Ken Loach mit Filmschaffenden aus Irland, Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland zusammengearbeitet. Es geht um zwei Brüder, die im Irland der zwanziger Jahre gemeinsam gegen die britische Besatzung kämpfen. Der jüngere Bruder Damien wollte eigentlich als Arzt Karriere in England machen und ist dem bewaffneten Kampf gegenüber sher skeptisch. Wie soll eine Hand voll schlecht bewaffneter Kämpfer die britische Armee aus dem Land treiben? Die Menschen müssten im Krieg mit den Briten mehr leiden, als unter den britischen Unterdrückern.

50 Filme bei elf Festivaltagen ist eher wenig, verglichen mit anderen Filmfestivals. Das Hauptargument der Organisatoren heißt: Qualität kommt vor Quantität. Ein Totschlagargument, gegen das es wenig zu sagen gibt. Die Filme sind auch nicht immer aktuell, sondern zum Teil schon einige Jahre alt. Dem Kinogenuss tut das allerdings keinen Abbruch. Ein Kriterium ist den Veranstaltern der europäischen Filmtage aber besonders wichtig, Eva Kacerova:

"Das Festival begann ursprünglich als Festival mit Filmen, die aus den EU-Mitgliedsstaaten kommen. Dann kamen immer mehr Filme aus Nicht-Eu-Staaten hinzu. Heute sind fast alle Länder in Europa auf dem Festival vertreten."

Die Tage des europäischen Films in Prag sind vorbei. Jetzt wandert das Festival nach Brünn/Brno. Dort wird es dann statt der Podiumsdiskussion zur Filmförderung einen Workshop geben. Verschiedene Pädagogen sind eingeladen, um über die Arbeit mit dem Medium zu berichten. Und auch in Brünn/Brno werden kliene Kunstwerke gezeigt, die nicht unbedingt die Multiplex-Kinos dieser Welt beherrschen. Ein Beispiel dafür ist Status Yo!, ein Independent- Film aus Berlin, ein Hip-Hop-Film, der nicht durch brillante Dialoge, gute Schauspieler oder tolle Kameraführung auffällt. Es geht um Subkultur, um Berlin, um den Reiz und die Atmosphäre, die damit verbunden ist, um ein Lebensgefühl.

Autor: Eva Röder
schlüsselwort:
abspielen