Firmen in Cheb und Prag müssen sich bei Roma wegen Diskriminierung entschuldigen
Über die Verletzung von Persönlichkeitsrechten in Tschechien konnte man dieser Tage nicht nur aus dem Bericht des Ombudsmanns erfahren. Konkretes Zeugnis davon legten auch zwei Gerichtsurteile ab, über die Ihnen jetzt Silja Schultheis berichtet.
Als Viera Dunkova sich vor zwei Jahren auf ein Inserat hin bei dem Prager Jeansladen Scorpio Club als Verkäuferin bewarb, hatte sie Pech: Die Stelle sei schon vergeben, hieß es. Viera Dunkova, die an ihrer dunklen Hautfarbe leicht als Angehörige der Roma-Minderheit zu erkennen ist, kam das komisch vor und so wandte sie sich an die Beratungsstelle für Bürger- und Menschenrechte. Diese schickte eine gleichaltrige Frau mit weißer Hautfarbe in den Jeansladen, die dort auf dieselbe Anfrage keine Absage erhielt, sondern zum Vorstellungsgespräch gebeten wurde. Viera Dunkova entschied sich, den Fall vor Gericht zu bringen. Eine schriftliche Entschuldigung seitens des Unternehmens und 830 Euro Entschädigung für Viera Dunkova - so das Urteil des Prager Oberen Gerichts, das am Dienstag bekannt gegeben wurde.
Erst vergangene Woche war ein ähnlicher Fall im westböhmischen Cheb/Eger publik geworden: Die Drogeriekette Rossmann musste sich laut Gerichtsurteil bei einer Angehörigen der Roma-Minderheit wegen Rassendiskriminierung entschuldigen und eine Entschädigung in höhe von 1700 Euro zahlen. Auch hier war die Bewerberin ohne Vorstellungsgespräch abgewiesen worden, während eine ähnlich qualifizierte tschechische Bewerberin die Stelle bekommen hätte.
Rund 100 Angehörige der Roma-Minderheit wenden sich jedes Jahr an die Prager Beratungsstelle für Bürger- und Menschenrechte, weil sie sich diskriminiert fühlen. Deren Leiterin, Pavla Boucková, betrachtet die jetzt ergangenen Urteile zwar als Erfolg, Richtung weisend seien sie jedoch nicht:
"Ich denke, vor allem sollte sich in Tschechien eine Antidiskriminierungs-Legislative entwickeln, die den Opfern von Diskriminierung mehr Möglichkeiten bietet, Einfluss zu nehmen als nur die, vor Gericht zu gehn. Denn das wollen die meisten Opfer nicht, sie empfinden das als Eingriff in ihre Privatsphäre."
Vor Gericht zu gehen, in den Medien zitiert zu werden und sich nicht selten auch mit einer wütenden tschechischen Öffentlichkeit konfrontiert zu sehen - all das verlangt den Betroffenen Energie und Mut ab. Statt diskriminierendes Verhalten gerichtlich zu belangen und damit erst zu reagieren, wenn es bereits zu spät ist, sollte man künftig viel mehr auf Präventivmaßnahmen setzen, meint Pavla Boucková von der Beratungsstelle für Bürger- und Menschenrechte:
"Wenn es ein unabhängiges Organ zum Schutz vor Diskrimierung gebe, wie es der Entwurf zur Antidiskriminierungslegislative vorsieht und wie es auch die Europäische Union fordert, dann könnte das sehr stark dazu beitragen, dass die Öffentlichkeit besser informiert ist und eine höhere Sensibilität dafür entwickelt, welche Art von Verhalten diskriminierend ist. Denn diese Sensibilität ist hier bislang sehr klein."
Dabei geht es nicht nur um den Umgang der Tschechen mit ihrer Roma-Minderheit. Auch Frauen, Behinderte und Homosexuelle wenden sich regelmäßig an die Beratungsstelle, weil sie sich ungleich behandelt fühlen. Die meisten gehen - aus genannten Gründen - nicht vor Gericht. Und womöglich noch viel mehr bleiben der Öffentlichkeit verborgen, weil sie sich auch nicht der Beratungsstelle anvertrauen.