Sonderklassen für Roma-Kinder an tschechischen Schulen: Bildungsminister will vor Ort intervenieren
Zum wiederholten Mal steht Tschechien bei der Europäischen Kommission in der Kritik wegen der Ungleichbehandlung von Kindern der Roma-Minderheit in Schulen. Am Donnerstag hat Brüssel erneut dazu aufgerufen, diese Praxis zu beenden.
Roma-Kinder sind in zahlreichen tschechischen Schulen weiterhin in Klassen untergebracht, die sie von der Mehrheit trennen. Und sie gehen auch unverhältnismäßig häufig in Spezialschulen für Kinder mit geistigen oder körperlichen Behinderungen. Zu diesem Urteil kommt die Europäische Kommission, und das schon zum wiederholten Mal.
Lucie Fuková Horváthová ist die Beauftragte der tschechischen Regierung für die Angelegenheiten der Roma-Minderheit. Sie bestätigt, dass es diese Praxis weiterhin gibt und erläutert:
„Bis zu 80 Prozent der tschechischen Gesellschaft hat keine positiven Beziehungen zu Roma. Das spiegelt sich auch in den Institutionen wider und dürfte einer der Gründe sein, dass segregierte Klassen in den Grundschulen entstehen.“
Damit verstößt Tschechien gegen die EU-Richtlinie zur „Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft“ aus dem Jahr 2000. Mehrfach ist die Regierung in Prag seit Mitte der Nuller Jahre bereits von Brüssel deswegen gerügt worden.
Das tschechische Bildungsministerium hat im März dieses Jahres eine Studie dazu erstellen lassen, und zwar vom soziologischen Forschungsinstitut PAQ Research. Demnach sind Roma-Kinder mit 22 Prozent in Spezialklassen gängiger Schulen vertreten und mit 15 Prozent in Spezialschulen. Dabei machen sie nur rund drei Prozent der Kinder hierzulande aus. Jiří Nantl (Bürgerdemokraten) ist stellvertretender Bildungsminister und sagte am Donnerstag in einem Interview für die Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„In den vergangenen zehn Jahren wurden die rechtlichen Regelungen, die zu dieser Segregation geführt haben, bereits beseitigt. Diese Daten, die aber weiter alarmierend sind, sprechen von der jeweiligen Lage vor Ort. Uns liegen die Informationen vor, wo sich Schulen mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an Roma-Kindern befinden – auch im Vergleich zu ihrem Anteil an der örtlichen Bevölkerung.“
Mit rechtlichen Regeln ist vor allem das System an Sonderschulen gemeint. Diese wurden in Tschechien im Jahr 2016 abgeschafft.
Laut Nantl soll mit einem Plan nun entgegengewirkt werden, dass es dennoch weiter zur Segregation kommt. Am Mittwoch sei der legislative Teil von der Regierung gerade beschlossen worden, sagt der stellvertretende Minister. Dadurch könnten Schulen um Hilfestellung bitten, wenn sie einen höheren Anteil an Schülern mit mehr Betreuungsbedarf haben.
„Die Schlüsselmaßnahme, die anscheinend auch funktioniert, besteht jedoch darin, gezielt ins Terrain zu gehen und jene Gemeinden, in denen es wegen der Einteilung der Schuldistrikte zur Segregation kommt, zu Änderungen aufzurufen. In einem Fall ist dies schon passiert. Wir sehen also, dass der Plan in dieser Hinsicht Wirkung zeigt“, so Nantl.
Schon in diesem Frühjahr habe der entsprechende Ausschuss beim Europäischen Rat, der über die Umsetzung von Urteilen des Europäischen Menschengerichtshofes wacht, diesen Plan gutgeheißen, sagt Jiří Nantl. Und in diesem Sinne wolle man nun auch auf den Aufruf der Kommission antworten, so der Vizeminister. Denn Brüssel hat den Politikern in Prag nun zwei Monate Zeit gegeben, um sich zu den Vorwürfen zu äußern.