Fotos mit spannender Geschichte: Ivan-Kyncl-Ausstellung

Ausstellung „Ivan Kyncl – Rebell mit der Kamera“ (Foto: ČTK)

Ivan Kyncl (1953-2004) ist hierzulande vor allem als Fotograf der Charta 77 bekannt. Ab 1980 lebte er im Exil in Großbritannien. Fast 200 Fotos aus Kyncls Nachlass werden nun in einer Ausstellung gezeigt, die am Mittwoch im Nationaldenkmal auf dem Prager Vítkov-Hügel eröffnet wurde. Radio Prag hat mit der Kuratorin Heidrun Hamersky gesprochen.

Ausstellung „Ivan Kyncl – Rebell mit der Kamera“  (Foto: Martina Schneibergová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Frau Hamersky, was war der Anlass für die Ausstellung aus dem Werk von Ivan Kyncl?

„Der Anlass war, dass die Forschungsstelle Osteuropa in Bremen einen Teilnachlass von Ivan Kyncls Witwe in London erwerben konnte. Dieser Nachlass kam an die Forschungsstelle, und wir haben uns damals entschieden, möglichst schnelle eine Ausstellung seines Werks zu machen, damit die Öffentlichkeit erfährt, was angeschafft wurde. Zur Ausstellung sind auch zwei Publikationen erschienen. Der Ausstellungskatalog in drei Sprachen enthält eine Einführung in das Thema und eine kurze Biographie zu Ivan Kyncl sowie einen Artikel zu seinen Theaterfotografien von seiner Frau, die mit ihm zusammen diese Theateraufnahmen gemacht hat.“

Die Kuratorin Heidrun Hamersky und die Direktorin der Forschungsstelle,  Susanne Schattenberg  (Foto: Martina Schneibergová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Die Ausstellung ist in einige Teile gegliedert. Sie beginnt mit den Erste-Mai-Kundgebungen aus der kommunistischen Zeit, an denen die meisten Menschen gezwungenermaßen teilnahmen…

„Ivan Kyncl ist in diesem Land als Fotograf der Charta 77 bekannt. Für uns war für die Konzeption der Ausstellung wichtig, das ganze Spektrum seines Werkes vorzustellen. Es besteht aus unterschiedlichen Teilen, man könnte dies Konsens und Dissens nennen: Es ist sowohl die normalisierte Gesellschaft, als auch der Blick auf sie aus der Perspektive Ivan Kyncls als jemandem, der das Regime kritisiert, als jemandem, der seinen eigenen Blick auf diese Gesellschaft hat. Das ist selbstverständlich ein nicht konformer Blick.“

Den Großteil der Ausstellung bilden die Fotos aus den Kreisen der Charta 77 und der Dissidentenbewegung. Darunter sind sehr beachtenswerte Bilder, bei denen man sich die Frage stellt, wie es Ivan Kyncl überhaupt gelang, dies zu fotografieren.

Ausstellung „Ivan Kyncl – Rebell mit der Kamera“  (Foto: Ivan Kyncl,  Archiv des Nationalmuseums)
„Das ist das Besondere an Ivan Kyncls Werk: Es ist nicht nur interessant, was er in seinen Fotografien zeigt, sondern auch wie er es gemacht hat und wie diese Bilder entstanden sind. Man kann sagen: Wenn Ivan Kyncl die Observation von František Kriegel dokumentiert, vollführt er damit eine Gegenobservation. Ivan Kyncl und František Kriegel zum Beispiel haben sich im Vorfeld verabredet und gemeinsam ausgemacht: ‚Du machst wieder deinen Spaziergang wie gewohnt. Es muss möglichst unauffällig sein, damit niemand auf die Idee kommt, dass hier heute irgendetwas anders ist.‘ Währenddessen hat sich Ivan Kyncl ein Versteck überlegt, aus dem heraus er dann unbeobachtet die Observation von František Kriegel fotografieren konnte. Heute sieht man auf den Fotografien Herrn Kriegel auf einem Bürgersteig entlang des Rieger-Parks spazieren und hinter ihm zwei in Zivil gekleidete Mitarbeiter der Staatssicherheit. Die Fotos sind dann aus der Tschechoslowakei herausgeschmuggelt worden. Sie landeten in der tschechischen Exilpresseagentur Palach Press. Palach Press sorgte damals für die Distribution an die westlichen Medien. Diese Fotoserie von Ivan Kyncl ist dann wirklich weltberühmt geworden. Hier wird offenbar, dass die Dissidenten tatsächlich observiert wurden, und zwar tagtäglich, Schritt für Schritt.“

Die Ausstellung „Ivan Kyncl – Rebell mit der Kamera“ ist im Nationaldenkmal auf dem Vítkov-Hügel bis 20. Juli zu sehen. Das Nationaldenkmal ist mittwochs bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.