Fotografie, Kriegskunst und Dvořáks Neunte – Kulturtipps für August und September

Foto: Archiv des Adalbert-Stifter-Vereins

Freunde tschechischer Kultur in Deutschland und Österreich kommen auch im August und September auf ihre Kosten. Zwei Ausstellungen in Bayern und Bremen locken mit spannenden Themen. Auf Musikliebhaber warten zudem zwei Konzerte der Tschechischen Philharmonie, eines im Rheingau und das andere im österreichischen Grafenegg.

Gefängnis in Opava  (Foto: Ivan Kyncl)
„Das ist am 5. September in der Basilika des Klosters Eberbach eine Aufführung von Hector Berlioz‘ ,Roméo et Juliette‘, eine äußerst selten gespielte dramatische Symphonie, also eine Art Oratorium. Das werden der Tschechische Philharmonische Chor Brünn und die Philharmonie Brünn unter der Leitung von Leoš Svárovský mit einem tschechischen Solistenteam zur Aufführung bringen.“ Kennern der tschechischen Fotografie ist er schon lange ein Begriff: Der Prager Ivan Kyncl, der in den 1970er Jahren heimlich die Überwachungspraktiken der tschechischen Geheimpolizei fotografierte und seine Aufnahmen anschließend in den Westen schmuggelte. Kyncl dokumentierte einerseits die Verfolgung der tschechischen Dissidenten und andererseits den Alltag in der Tschechoslowakei nach der Niederschlagung des Prager Frühlings. So schuf er ein wichtiges Stück Zeitgeschichte. Als scharfer Kritiker der kommunistischen Regierung gehörte Kyncl auch zu den Unterzeichnern der Charta 77. Die Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen würdigt die Arbeit des im Jahr 2004 verstorbenen Fotografen nun mit einer Ausstellung im Rathaus der Hansestadt. Noch bis zum 17. August werden dort 200 Fotografien des Tschechen gezeigt. Der Titel der Ausstellung lautet „Ivan Kyncl - Rebellion mit der Kamera“.

„Ivan Kyncl rebellierte auf zwei Ebenen: einerseits natürlich gegen das politische System in der Tschechoslowakei. Man könnte sagen, es war ein Widerstand mithilfe eines Fotoapparates oder ein Widerstand in Bildern. Er rebellierte aber eben nicht nur aus einer politischen Intention heraus, sondern andererseits auch als Künstler“, sagt Heidrun Hamersky, eine der Kuratoren der Ausstellung.

Heidrun Hamersky  (Foto: Archiv der Universität Bremen)
Der Fotograf Kyncl experimentierte und erfand seinen eigenen Stil, der sich klar von den kommunistischen Propagandafotos absetzte. Kuratorin Hamersky:

„Ivan Kyncls Fotografien sind oft verwaschen, sie sind verwackelt, sie sind mit einem schrägen Horizont aufgenommen. Das alles hat einer bestimmten Dramaturgie gedient. Mit einer eher verwackelten Kameraeinstellung unterstrich er zum Beispiel auch die Situation, in der er sich selbst als Fotograf befand.“

Die Inszenierung seiner Fotos nahm Zeit, mitunter genaue Planung in Anspruch. So gelangen Ivan Kyncl Aufnahmen, die auf den ersten Blick wie Überwachungsfotos der Staatssicherheit wirken.



Foto: Ivan Kyncl,  Archiv der Universität Bremen
„Ivan Kyncl verabredete beispielsweise mit dem bekannten Dissidenten František Kriegel eine Szene. Sie wurde nicht gestellt, aber der Zeitpunkt und der Ort, an dem fotografiert werden sollte, wurden im Vorfeld ausgemacht. Ivan Kyncl überlegte sich dann ein Versteck, von dem aus er gute, unverstellte Sicht auf den Bürgersteig hatte. Er selbst war von einer Balkonbrüstung geschützt, sodass er nicht dabei gesehen werden konnte, wie er fotografierte. Das ist auch sehr spezifisch für Ivan Kyncl. Es gibt aus dieser Zeit kaum vergleichbare Fotografien aus anderen kommunistischen Ländern, die auch so eine Gegenobservation gewagt haben.“

Noch während er in Prag lebte, gelang es Ivan Kyncl, seine Aufnahmen in westlichen Zeitungen zu publizieren, etwa in der „Sunday Times“ oder im „Stern“. Heidrun Hamersky:

Foto: Ivan Kyncl,  Archiv der Universität Bremen
„Das zeichnet Ivan Kyncls Werk eben auch aus, dass er diese Fotografien nicht für die Schublade gemacht hat, in der Hoffnung, dass das Regime eines Tages zu Ende sei und er dann erst seine Fotografien zeigen würde. Er hatte nicht nur die Courage, die Fotografien unter diesen schwierigen Umständen zu machen, sondern diese auch noch zu publizieren.“

So kam Ivan Kyncl eine wichtige Bedeutung im tschechischen Widerstand zu. Sein Werk lässt sich aber auch auf die Gegenwart anwenden.

„Für mich macht ihn besonders eine Sache aktuell und das ist die Thematik der Observation. Wenn man sich die Situation heute ansieht, muss man nur den Namen Snowden nennen, und man weiß einfach, wie brisant und virulent dieses Thema wieder ist“, so die Kuratorin.

Foto: Ivan Kyncl,  Archiv der Universität Bremen
Die Ausstellung ist nur noch bis zum 17. August im Bremer Rathaus zu sehen. Für alle, die auch diese letzte Möglichkeit verpassen, gibt es eine gute Nachricht: Anfang 2015 werden die Fotos von Kyncl auch nach Prag und Brno / Brünn kommen. Wer nicht so lange warten will, kann bei der Forschungsstelle Osteuropa Bremen oder beim Kerber-Verlag den dreisprachigen Katalog bestellen.


Ausstellung „Musen an die Front!“  (Foto: Archiv des Adalbert-Stifter-Vereins)
Eine weitere Ausstellung ist in der Oberpfalz zu sehen, in der Benediktinerabtei Plankstetten in Berching. Der Adalbert-Stifter-Verein stellt dort unter dem Titel „Musen an die Front!“ noch bis zum 30. September Schriftsteller und Künstler im Dienste der k. u. k. Kriegspropaganda vor.

Kunst und Krieg – das klingt wie ein Widerspruch in sich. Die Ausstellung des Adalbert-Stifter-Vereins belehrt eines Besseren. Die Kriegspropaganda in Form von Berichten, Bildern und Filmen, die im Lauf des 20. Jahrhunderts monströse Ausmaße annahm, entwickelte sich im Ersten Weltkrieg. Das Kriegsministerium der k. u. k. Monarchie eröffnete eigens eine Kunstgruppe für die Berichterstattung, die in das Kriegspressequartier eingegliedert war.

Rainer Maria Rilke, Thomas Mann, Robert Musil – sie alle wurden bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs von der allgemeinen Kriegsbegeisterung angesteckt. Rainer Maria Rilke und Stefan Zweig arbeiteten beide in der „Literarischen Gruppe“ des Kriegsarchivs. Dort war es ihre Aufgabe, die Kriegstaten zu propagieren und zu dokumentieren. In der Ausstellung „Musen an die Front!“ werden Arbeit und Funktion dieses Kriegsarchivs näher beleuchtet, ebenso wie die Entwicklung des Kriegspressequartiers und anderer Institutionen. Die Ausstellung widmet sich insbesondere Künstlern aus Böhmen und Mähren und schildert, wie einige der Künstler zwischen Patriotismus und Pazifismus schwankten.


Grafenegg-Festival  (Foto: Milenko Badzic,  Archiv ORF)
Wer keine Lust auf einen Museumsbesuch hat und im August und September stattdessen Musikgenuss aus Tschechien sucht, der wird bei zwei Festivals in Österreich und Deutschland fündig.

Beim Grafenegg-Festival in Niederösterreich ist am Samstag, 16. August, die Tschechische Philharmonie zu Gast. Die Musiker spielen von 19.30 Uhr an das Streichquartett „Aus meinem Leben“ des tschechischen Komponisten Bedřich Smetana. Außerdem stehen zwei Werke von Antonín Dvořák auf dem Programm: Zunächst wird die argentinische Sopranistin Bernarda Fink die „Biblischen Lieder“ singen. Nach der Pause ist dann Dvořáks neunte Symphonie „Aus der neuen Welt“ an der Reihe. Der österreichische Pianist Rudolf Buchbinder ist künstlerischer Leiter des Grafenegg-Festivals:

Grafenegg-Festival  (Foto: Milenko Badzic,  Archiv ORF)
„Ich glaube, dass das Ambiente in Grafenegg einzigartig ist. Wir haben eine fantastische Open-Air-Bühne, wir haben einen perfekten Konzertsaal, und das ganze Areal spricht für sich.“

Die Tschechische Philharmonie tritt auch beim Rheingau-Musik-Festival auf. Besucher können bei dem Konzert am Dienstag, 26. August, im Kurhaus Wiesbaden unter anderem das Cellokonzert von Antonín Dvořák hören. Anna Kristina Laue, Dramaturgin des Rheingau-Musik-Festivals, stellt das Programm vor:

„Das wird ein Konzert mit einem rein tschechischen Programm sein. Zuerst wird die Ouvertüre aus der Suite zur Oper ,Aus einem Totenhaus‘ von Leoš Janáček erklingen, danach das wunderschöne Cellokonzert von Antonín Dvořák und seine Symphonie Nummer neun ,Aus der neuen Welt‘.“

Anna Kristina Laue  (Foto: Archiv des Rheingau-Musik-Festivals)
Solistin des Abends ist die renommierte amerikanische Cellistin Alisa Weilerstein. Anna Kristina Laue:

„Sie wird ganz häufig mit Jacqueline du Pré verglichen - aufgrund ihrer Expressivität, ihrem Temperament und ihrer Leidenschaft. Wir haben sie vor zwei Jahren schon einmal beim Rheingau-Musik-Festival erlebt. Damals hat sie uns sehr begeistert, und deswegen haben wir sie dieses Jahr sehr gerne wieder eingeladen.“

Neben dem Konzert der Tschechischen Philharmonie ist beim Rheingau-Musik-Festival noch ein weiteres tschechisches Orchester zu Gast:

„Das ist am 5. September in der Basilika des Klosters Eberbach eine Aufführung von Hector Berlioz‘ ,Roméo et Juliette‘, eine äußerst selten gespielte dramatische Symphonie, also eine Art Oratorium. Das werden der Tschechische Philharmonische Chor Brünn und die Philharmonie Brünn unter der Leitung von Leoš Svárovský mit einem tschechischen Solistenteam zur Aufführung bringen.“

Vor dem Konzert gibt es eine kostenlose Konzerteinführung, die ebenfalls in der Eberbacher Basilika stattfinden wird. Für beide Konzerte gibt es noch Karten, für spontane Konzertbesucher wahrscheinlich auch an der Abendkasse.


Informationen zu den Kulturtipps:

Die Ausstellung „Ivan Kyncl – Rebellion mit der Kamera“ ist noch bis zum Sonntag, 17. August, täglich von 11 bis 18 Uhr im Rathaus Bremen zu sehen. Mehr Informationen auf der Seite der Forschungsstelle Osteuropa der Universität Bremen: http://www.uni-bremen.de

Die Wanderausstellung „Musen an die Front!“ kann noch bis zum 30. September in der Benediktinerabtei Plankstetten in der Oberpfalz besichtigt werden. Die Öffnungszeiten sind Montag bis Samstag von 9 bis 18 Uhr und am Sonntag und an Feiertagen von 11 bis 18 Uhr.

Das Konzert der Tschechischen Philharmonie mit Alisa Weilerstein auf dem Rheingau-Musik-Festival findet am Dienstag, 26. August, von 20 Uhr an im Kurhaus Wiesbaden statt. Es gibt nur noch Karten der 1. Kategorie, alle weiteren sind bereits ausverkauft. Tickets und Informationen unter http://www.rheingau-musik-festival.de

Die Philharmonie Brünn kommt am Freitag, 5. September, ins Kloster Eberbach. Das Konzert beginnt um 20 Uhr, um 19 Uhr gibt es eine kostenlose Einführung vor Ort. Tickets und Informationen zu diesem Konzert finden Sie unter http://www.rheingau-musik-festival.de

Das Konzert der Tschechischen Philharmonie beim Grafenegg Festival findet am Samstag, 16. August, von 19.30 Uhr an im Wolkenturm statt. Weitere Informationen zu Programm und Buchung gibt es hier: https://www.grafenegg.com

Autor: Hannah Illing
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