Francysk Skaryna: Gelehrter, Arzt und Übersetzer

Skaryna-Denkmal in Prag-Hradčany

Francysk Skaryna war Humanist, Arzt und Übersetzer. Vor 500 Jahren gab der Gelehrte die ersten Bücher auf dem Gebiet des Großfürstentums Litauen heraus. Er gilt als einer der Begründer der neuzeitlichen belarussischen Kultur. Für eine gewisse Zeit lebte Skaryna auch in Prag.

Selbstbildnis von Francysk Skaryna | Quelle: Monografie über Franzysk Skaryna von Ilya Lemeschkin,  Verlag Petra Kalibatass

Francysk Skaryna, der im Tschechischen František Skorina genannt wird, ist hierzulande nur wenig bekannt, obwohl ein Denkmal auf dem Prager Hradschin an ihn erinnert. Skaryna wurde 1470 in Polazk im Norden des heutigen Belarus geboren. Zunächst studierte er Philosophie an der Universität in Krakau. 1512 erhielt er in Padua den Titel eines Doktors der Medizin. Anschließend siedelte der Gelehrte nach Prag um. Hier gab er in den Jahren 1517 bis 1519 seine Übersetzung des Alten Testaments ins Altbelorussische heraus. Das war damals die Volkssprache seiner Heimatregion um Polazk.

Ilya Lemeschkin | Foto:  Karlsuniversität in Prag

Skaryna sei die größte Persönlichkeit gewesen, die das Königreich Böhmen im 16. Jahrhundert mit dem Großfürstentum Litauen verbunden habe, sagt Ilya Lemeschkin. Er arbeitet am Institut für osteuropäische Studien an der Prager Karlsuniversität.

„Aus dem Großfürstentum Litauen sind die Litauer, Belarussen und Ukrainer hervorgegangen. Die Verflechtung von Litauen, Belarus und der Ukraine mit Böhmen durch Skarynas Persönlichkeit ist etwas Einzigartiges. Er hinterließ sogar Spuren in der böhmischen Kultur. Denn er gab damals hierzulande Bücher von außerordentlich hoher Qualität heraus.“

Martin Putna | Foto: Štěpán Sedláček,  Tschechischer Rundfunk

Professor Martin Putna ist Literaturhistoriker an der Prager Karlsuniversität. Er sagt, die Bibelübersetzungen, die Skaryna damals in Prag herausgegeben habe, seien die ersten ostslawischen Buchdrucke überhaupt gewesen.

Skarynas Biblia Ruska,  1517 | Foto: Palsciuk,  Wikimedia Commons,  public domain

„Insgesamt gab er 23 Bände heraus. Diese enthielten das Alte Testament und einige weitere Bibeltexte. Übersetzt hat sie Skaryna in eine Sprache, die der Mundart seiner Heimatregion von Polazk nahe war. Skaryna schrieb zu den Texten eigene Einleitungen. Interessant daran ist, dass er dabei wahrscheinlich tschechische Bibeltexte benutzte. Denn es gab damals schon Bibeln in tschechischer Sprache, darunter die sogenannte ,Prager Bibel‘ (die älteste gedruckte tschechische Bibel von 1488, Anm. d. Red.), die ,Kuttenberger Bibel‘ (von 1489, Anm. d. Red.) sowie die ,Venezianische Bibel‘ (von Anfang des 16. Jahrhunderts, Anm. d. Red.). Denn in Venedig wurden Texte in den verschiedensten Sprachen gedruckt. In Skarynas Bibeltexten findet man viele Bohemismen. Damit sind diese in Prag gedruckten Bücher zu einem wichtigen Grundstein der tschechisch-ostslawischen Verbindungen in Kultur und Religion geworden.“

Skarynas Biblia Ruska | Foto  aus dem Buch „Porträt von Francysk Skaryna" von Ilya Lemeschkin

Ilya Lemeschkin macht darauf aufmerksam, dass die Bücher hervorragend künstlerisch gestaltet wurden:

„Bis heute sind die Bände auch für Tschechen höchst interessant. Ein Holzschnitt von Skaryna, der den Text illustriert, stellt beispielsweise den Bau des Tempels in Jerusalem dar. Es ist jedoch gut zu erkennen, dass es sich um einen gotischen Bau aus der Jagiellonen-Zeit handelt. Auf einem anderen Holzschnitt, der Moses zeigt, sind die böhmischen Könige Georg von Podiebrad sowie Vladislav und Ludwig aus der Dynastie der Jagiellonen zu erkennen.“

Vilnius | Quelle:  public domain

1522 zog Franzysk Skaryna von Prag nach Vilnius / Wilna. Dort gründete er vor 500 Jahren die erste Druckerei auf dem Gebiet des Großfürstentums Litauen. Anlässlich des 500. Jahrestags des ersten Buchdrucks wurde in Litauen das Jahr 2022 zum Skaryna-Jahr ausgerufen. In der Druckerei in Vilnius wurde unter anderem das Buch „Apostol“ gedruckt, das die Apostelgeschichten enthält. Das weitere Schicksal des Gelehrten ist zum Teil unbekannt. Skaryna verbrachte vermutlich einige Zeit in Moskau, Königsberg und Wittenberg. Dann zog es ihn jedoch wieder nach Böhmen. Ilya Lemeschkin:

Königlicher Garten auf dem Prager Burg | Quelle: Kupferstich aus dem Buch „Historia coelestis“ von Tycho Brahe

„1534 kehrte Skaryna nach Prag zurück. Er arbeitete damals den Entwurf eines Gartens aus. Für diese Arbeit erhielt er Unterstützung vom damaligen böhmischen König und späteren Kaiser Ferdinand I. von Habsburg. Anhand des Entwurfes wurde der erste Renaissancegarten in Prag gestaltet. Das war der königliche Garten auf der Prager Burg. Skaryna kümmerte sich als Botaniker auf der Burg um den königlichen Garten. Darum ist es nicht überraschend, dass nicht weit vom königlichen Garten entfernt ein Skaryna-Denkmal steht.“

Monografie über Franzysk Skaryna von Ilya Lemeschkin | Quelle: Verlag Petra Kalibatas

Skaryna war nicht nur Gelehrter, sondern auch als Diplomat in den Diensten des litauischen Großfürsten und polnischen Königs Sigismund aus der Jagiellonen-Dynastie tätig.

Ilya Lemeschkin hat eine Monografie über Franzysk Skaryna verfasst. Diese ist 2020 im O.P.S.-Verlag in Prag erschienen. In Belarus gehört der Band jedoch zu den verbotenen Büchern. Dies habe vermutlich mehrere Gründe, meint Lemeschkin und merkt an:

„Das Buch habe ich 2020 auch aus dem Grund herausgegeben, um die leidende belarussische Öffentlichkeit zu unterstützen.“

Im Januar wurde auf dem Prager Vyšehrad ein feierlicher Gottesdienst  für Franzysk Skaryna gelesen | Foto: Loreta Vašková,  Radio Prague International

Für Franzysk Skaryna wurde im Januar auf dem Prager Vyšehrad ein feierlicher Gottesdienst gelesen. Dabei wurde nicht nur an den namhaften Humanisten, sondern auch an seine Landsleute erinnert, die wegen ihrer Sehnsucht nach einem Leben in Freiheit leiden müssen.

Skarynas Namen habe früher auch die Hauptstraße getragen, die in Minsk vom Flughafen ins Zentrum führt, erläuterte vergangenes Jahr Professor Putna in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

Gedenktafel an Franzysk Skaryna am Prager Clementinum | Foto: Radio Prague International

„Als ich vor ein paar Jahren auf Einladung des belarussischen Pen-Klubs Minsk besuchte, sagte mir die belarussische Kollegin, Lukaschenko habe die Skaryna-Straße umbenennen lassen. Skaryna wird in Belarus zwar geehrt, denn die Kulturgeschichte des Landes begann eben mit ihm. Da er aber ein europäischer Gelehrter war, passt er nicht in das offizielle Bild der belarussischen Kultur des Lukaschenko-Regimes. Im Skarynas Geburtsort Polazk steht ein Denkmal des Humanisten, zudem gibt es dort sein Museum. Die Skaryna-Tradition beweist, dass Belarus zum Abendland gehört.“

Nicht nur das Denkmal auf dem Hradschin erinnert in Prag an Franzysk Skaryna, sondern auch eine Gedenktafel. Diese befindet sich am Prager Clementinum, dem Sitz der tschechischen Nationalbibliothek.

Autoren: Martina Schneibergová , Loreta Vašková , Martin C. Putna
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