Frantisek Skala im Rudolfinum

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In der renommierten Kumstgalerie Rudolfinum in der Prager Altstadt stellt sich dieser Tage František Skala vor. Direkt in der Prager Altstadt gelegen, ist die Galerie ja vor allem für ihre modernen Ausstellungen bekannt. Viele Größen zeitgenössischer Kunst haben hier schon ausgestellt. Und seit dem 14. September sind bisher ungezeigte Werke von Frantisek Skala dort zu sehen. Anita Müller nahm das zum Anlass, sich mal nach tschechischer moderner Kunst umzuhören. Und zu fragen, ob es sie denn überhaupt gibt, und, wenn ja, was sie von anderer europäischer Kunst unterscheidet.

Zeitgenössische tschechische Kunst - gibt es so was? Kann man europäische Kunst überhaupt noch nach Ländern einordnen, oder ist alles von allem irgendwo inspiriert? Zumindest einige sind der Meinung, dass es nationale Zuordnungen geben muss, sonst gäbe es nicht die Angst, dass sich die eigene Identität im europäischen Kochtopf auflöse. Trotzdem braucht jedes Land fremde Ideen genauso wie seine eigenen. Gerade in der Welt der Globalisierung, gerade im zusammenwachsenden Europa. Es gibt also überall beide Kräfte: die eine, die neue Einflüsse miteinander vermischen will, und die andere, die am Eigenen und Alten festhält. Seit dem 14. Oktober stellt im Rudolfinum ein Künstler aus, von dem einige nun behaupten, er sei Inbegriff der zeitgenössischen tschechischen Kunst: Frantisek Skala. Skala hat als einer der ersten 1991 den prestigeträchtigen Jindrich Chaloupecky Preis erhalten. Dieser Preis wird seit 1990 vom Kulturministerium ausschließlich an tschechische moderne Künstler vergeben. Kurator von Skalas Ausstellung ist Petr Nedoma. Was denkt er über die Befürchtungen, die Identität der Kunst könne sich in Europa auflösen?

"Warum auflösen? Das ist eine Frage, die einen nationalistischen Beigeschmack hat. Ich bin der Meinung, die Tschechen sind viel mehr Europäer als nur Tschechen, nur wissen das die Tschechen nicht. Wir sind viel mehr Teil der europäischen Kultur und ich empfinde es als falsch, eigene tschechische Züge zu suchen."

Schon seit mehreren Jahren hatte Petr Nedoma versucht, mit Skala eine Ausstellung zu veranstalten. Nach sechs Jahren hatte Frantisek Skala genug unveröffentlichte neue Werke beisammen, um ins Rudolfinum zu kommen. Was Petr Nedoma an ihm so außergewöhnlich findet, ist dessen eigener Weg:

"Da gibt es in Tschechien sehr oft Leute oder Künstler, die Einzelgänger und Aussteiger sind, also, die unabhängig vom Mainstream in künstlerischer Produktion tätig sind. Das heißt, es sind Leute, die eigene Wege gehen. Und ich bin der Meinung, Frantisek Skala gehört zu dieser Gruppe."

Was ist an den Installationen, Bildern, Collagen und Fotografien von Frantisek Skala also so besonders? Nedoma beschreibt das so:

"Frantisek Skala hat ein außerordentliches Gefühl für feine Materialien. Seine kleinen Figuren oder Skulpturen oder Installationen sind etwas, was nicht nur in Tschechien, sondern auch in Europa nur sehr selten zu sehen ist. Ich glaube, dieses Gefühl für die Mischung von Materialien, sein Spiel mit verschiedenen Sinnen sowie mit Bedeutungen von Materialien und ihren Eigenschaften: das ist etwas, was sehr charakteristisch für Frantisek ist. Das kann man nicht so oft in der zeitgenössischen Kunst finden."

Die Vorabbesichtigung der Ausstellung hat mir ein freundliches Gefühl vermittelt: Es gab nicht die Sterilität, die moderne Kunst sonst so oft ausstrahlt. Stattdessen läuft man wie durch einen phantasievollen Spielplatz für Erwachsene: alltägliche Gegenstände, aber doch nicht ganz von dieser Welt. Kleine Entdeckungen und selbst bei der größten Installation Liebe zum Detail. In einem Raum hängt profan an der Wand eine Sammlung von Gitarren, aus Müll gebaut, aus Naturmaterialien, oder aus Kabeln. Einen Raum weiter steht ein Baumstumpf, sieht beinahe unbearbeitet aus. Erst bei ganz genauer Betrachtung erkennt man ein Guckloch im Stamm, durch das man ins Innere linsen und eine winzige Menschenfigur erspähen kann. Skala zuckt die Schultern und erklärt selbstverständlich, das sei eben das Verhältnis von Mensch zu Natur. Außerdem erklärt er über seine Motive:

"Ich mag schon einige Materialien der Zivilisation, Plastik manchmal, aber ich ziehe trotzdem die Naturmaterialien und die Natur selbst vor. Ich bin immer noch absolut fasziniert von der Erschaffung der Welt und der Natur. Das ist das Beste, was es für mich gibt. Es ist mir viel lieber irgendein Insekt oder einen Stein zu beobachten, als irgendein Kunstwerk. Ich bin also nicht analytisch, sondern eher synthetisch. Ich mache auch nicht gern politische Kunst und beschäftige mich auch nicht gerne mit solchen Problemen, weil ich denke, dass das die Aufgabe von anderen Leuten ist."

Auch Skalas Fotografien, die er selbst "Spy Photography" nennt, beschäftigen sich mit kleinen magischen Details. Die Meisten der leuchtend-farbigen Bilder erkennt man gar nicht auf den ersten Blick als Fotos. Und auch auf den zweiten bleibt dem Geist verschlossen, um welches Motiv aus unserer 'alltäglichen Welt' es sich eigentlich handelt. Aber, wie Frantisek Skala erklärt, ist seine "Spy Photography" nur ein Mittel um bestimmte Dinge zu dokumentieren:

"Es ist sehr schwierig für mich manchmal, sehr kleine und fragile Installationen auszustellen, die irgendwann in meinem Studio entstehen oder die ich in der Welt um mich herum sehe. Dieser Teil meiner Arbeit dokumentiert diese kleinen Objekte. Daraus werden Landschaften, mystische Räume und der Blickwinkel der "Spy Photography" ist der Geheimagent, der irgendwelche Bewegungen dokumentiert. Ich arbeite dabei mit Maßstäben und mit der Relativität von menschlichen Maßstäben und mit zerbrechlichen, empfindlichen Materialien. Mich interessiert die Energie und die Mystik in ihnen."

Wir betrachten ein riesiges Wandgemälde, von dem ein Wesen ähnlich einem altägyptischen Gott über den Raum wacht. Auf meine Frage, wo er denn generell am meisten Inspiration finde, lacht Skala nur:

"Überall! Was mich inspiriert? Alles! In diesem Bild vielleicht drückt sich meine Liebe zu den Naturvölkern aus. Zu Höhlenmalereien und dem Rhythmus der Natur."

Frantisek Skala ist vielleicht kein typischer 'moderner' Künstler. Das Plakat der Ausstellung zeigt seinen Namen mit Jugendstil-Schwung a la Alfons Mucha. Provokation und Grenzerfahrungen sucht man bei seinen Installationen und Fotographien vergebens. Es scheint fast, als sei der ursprüngliche Kinderbuchautor Skala gar nicht so weit vom Illustrieren abgerückt. Nur, dass er jetzt die Alltagsgegenstände der Menschen liebevoll und phantasievoll umgestaltet und der Schöpfung der Natur Ehrung bezeugt. Bei soviel Liebe zur Natur - was denkt Skala von moderner Kunst?

"Ich interessiere mich für die Persönlichkeit des Einzelnen in der ganzen Welt, also irgendwelche Strömungen sind für mich nicht wichtig. Ich mag die zeitgenössische Kunst nicht besonders, weil ich denke, es geht immer um irgendwelche Probleme, irgendetwas Geringes, und ich ziehe auf jeden Fall positive Ansätze vor. Und die meiste Kunst ist sehr negativ und beschäftigt sich mit irgendwelchen Problemen."

Ist also das Prinzip der Grenzerfahrung in der Kunst überholt? Die Zeit, in der Stilbrüche Revolutionen des gesamten ästhetischen Empfindens gleichkamen, sind vorbei: es gibt keinen Stil mehr, den man erfolgreich und folgenreich brechen könnte. Ist der europäische Weg von Goya über Malewitsch zu Duchamp und Selbstverstümmelungsperformances der 70er Jahre zu Ende gegangen? Ausstellungskurator Petr Nedoma ist folgender Meinung:

"Das ist nur eine Frage der europäischen Kunst, diese Grenzüberschreitung, weil diese Suche nach dem Neuen, das ist etwas, was nur für europäische und amerikanische Kunst als besonders wichtig gilt. Zum Beispiel die alten Chinesen oder allgemein asiatische Kunst kennt dieses Problem nicht, diese Suche nach der Neuigkeit, diese 'cutting edge contemporary art, visual art', etwas was immer neu sein muss. Die Chinesen suchen zum Beispiel vielmehr nach Harmonie als Neuigkeiten. Und es ist möglich, dass auch die Europäer einmal dazu kommen, dass man nicht nur Provokation als Mittel der Kunst verwenden muss, sondern dass man auch eine Suche nach der Harmonie folgen und dadurch neue Horizonte entdecken kann."

Die Kunst Frantisek Skalas geht intuitiv auch den Weg der Harmonie und des Spiels. Ab 14. Oktober und bis 2. Januar 2005 ist seine Ausstellung im Rudolfinum zu sehen.