Fremdsprachenunterricht: Deutsch wird vom Englischen verdrängt
An diesem Mittwoch wird der Europäische Tag der Sprachen begangen. Aus diesem Anlass wurde im Prager Goethe-Institut eine Studie zur derzeitigen Lage des Deutschen in der Tschechischen Republik vorgestellt.
Das Interesse am Deutschlernen sinkt hierzulande seit der Mitte der 1990er Jahre. Der Frage, warum tschechische Kinder eine andere Fremdsprache wählen als Deutsch, sind nun Linguisten von der Prager Karlsuniversität nachgegangen. Für ihre Studie haben sie an 19 Schulen in sechs Städten Tschechiens recherchiert. Die Ergebnisse wurden im Prager Goethe-Institut vorgestellt. Einer der Autoren der Studie ist Oliver Engelhardt:
„Wir haben Interviews an Schulen geführt, das heißt mit Rektoren, mit Eltern und mit Schülern - mit allen, die bei der Auswahl von Fremdsprachen irgendeine Rolle spielen. Darüber hinaus ging es uns darum, diese Daten noch in den Kontext der gesamten Gesellschaft zu setzen. Wir haben eine kleine Analyse des medialen Diskurses gemacht: Wie wird über Fremdsprachen und über Fremdsprachenlernen in tschechischen Zeitungen geschrieben und im tschechischen Rundfunk gesprochen. Außerdem haben wir ein bisschen die ökonomische Seite des Fremdsprachenlernens untersucht. Dazu haben wir mit Vertretern von Lehrbuchverlagen gesprochen.“ Der Fremdsprachenunterricht an tschechischen Schulen beginnt in der Regel in der dritten Klasse. Meistens lernen die Kinder Englisch, das vom Bildungsministerium bevorzugt wird. In der siebten Klasse kann man fakultativ eine zweite Fremdsprache belegen. Wie in der Studie festgestellt wird, findet der Sprachunterricht oft nur am Nachmittag statt. Zudem wird an den Mittelschulen mit den Grundlagen der zweiten Fremdsprache begonnen, so dass die Motivation gering ist, sich schon in der Grundschule erste Kenntnisse anzueignen. Was beeinflusst die Wahl der zweiten Fremdsprache?„Es gibt eine Reihe von Gründen, die mit den Sprachen überhaupt nicht zusammenhängen. Da geht es darum, was die Schule überhaupt anbieten kann, wofür sie Lehrer hat, was sie finanzieren kann. Aus der Sicht der Schüler geht es auch darum, was meine Freunde machen, ob mir der Lehrer gefällt und solche Dinge. Aber es gibt eine ganze Reihe von Begründungen, die sich auch wirklich mit der Situation dieser Sprache beschäftigen, mit ihrer gesellschaftlichen Bedeutung und Stellung. Da wird etwa angeführt, dass das Deutsche wichtig sei, weil die deutsche und die tschechische Wirtschaft sehr verflochten sind - das hängt mit dem Arbeitsmarkt und Zukunftschancen zusammen. Das wird einfach mit einer geographischen Argumentation dargestellt: Die Tschechische Republik habe Nachbarländer, die zum großen Teil deutschsprachig sind, Deutsch sei die wichtigste Nachbarsprache.“
Die Forschungsstudie beschäftigt sich auch damit, wie der Fremdsprachenunterricht in den Medien thematisiert wird. Oliver Engelhardt:„Interessant ist etwa eine Sache: Das Wort für Fremdsprache wird manchmal so verwendet, dass das Englische gar nicht dazugehört, dass man heutzutage Englisch als Selbstverständlichkeit und gar nicht mehr als Fremdsprache betrachtet.“
Die Studie war keine Auftragsarbeit, die zu einem konkreten Ergebnis führen sollte. Trotzdem haben die Wissenschaftler einige Empfehlungen an Schulen und das Bildungsministerium:
„Beispielsweise haben wir festgestellt, dass an vielen Schulen die Wahl der Fremdsprache kaum diskutiert, kaum reflektiert wird. Das heißt, die Schüler beziehungsweise ihre Eltern bekommen ein Papier und kreuzen darauf an, welche Fremdsprache sie wählen wollen. Sie haben aber eigentlich keine Grundlage, auf der sie sich entscheiden können. Unsere Empfehlung ist: Es sollte wirklich ein Prozess stattfinden, bei dem die Vorteile und Nachteile der einzelnen Sprachen vorgestellt werden. Es gibt gute Beispiele von Schulen, die im Rahmen des Tags der offenen Tür zu Veranstaltungen oder zu Fremdsprachentagen einladen, und wo gerade eine solche Diskussion stattfindet. So etwas mehr zu machen, wäre eine Empfehlung.“