Früherer Böhmerwaldort lebt bewegte Geschichte

Versöhnungskreuz (Foto: Martina Schneibergová)

Von der Existenz der Gemeinde Zhůří / Haidl am Ahornberg zeugt heute nur noch eine kleine Kapelle.

Pfarrer Vendelín Zboroň  (links) zelebrierte den Gottesdienst  (Foto: Martina Schneibergová)
Ein großer Teil des Böhmerwaldes war zu Zeiten des Eisernen Vorhangs militärisches Sperrgebiet. Erst seit der Wende ist das Gebiet mit seiner einzigartigen Landschaft für die Öffentlichkeit zugänglich. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten in Zhůří 623 Einwohner. In der Mitte des Dorfes stand eine Dreifaltigkeitskirche aus dem frühen 19. Jahrhundert. Die winzige Kapelle wurde erst 1999 erbaut. Sie erinnert an die Gemeinde, die nach der Errichtung des Eisernen Vorhangs genauso wie viele andere Dörfer im Böhmerwald dem Erdboden gleich gemacht wurden. Pfarrer Vendelín Zboroň zelebrierte am Samstag den Gottesdienst. Im kommenden Jahr soll in der Kapelle der Altarstein installiert werden, so der Priester. Und zwar genau der aus der abgerissenen Kirche von Zhůří. Pfarrer Zboroň:

„Es gibt da eine Regel: wenn eine Kirche gefährdet ist, muss das weggebracht werden, was den Gläubigen am teuersten ist. Dazu gehören die Eucharistie und die im Altarstein aufbewahrten Reliquien der Heiligen. Der damalige Pfarrer der Gemeinde hat beides einst weggebracht. Die Kirche sowie andere Häuser wurden bald von den Soldaten abgerissen. Wir treffen uns hier jedes Jahr Ende Oktober und lesen eine Messe für die Verstorbenen. Dann gehen wir an den Ort, an dem sich früher der Friedhof befand, und beten für die Versöhnung und dafür, dass hier, wo sich viel Böses abspielte, wieder Frieden herrscht.“

Versöhnungskreuz  (Foto: Martina Schneibergová)
Der Altarstein von Zhůří wurde Jahrzehnte lang bei einer Familie im Böhmerwald aufbewahrt. Diese brachte ihn vor kurzem dem Denkmalschutzexperten der Diözese Budweis. Beim Dreifaltigkeitsfest im Juni dieses Jahres wurde das Originalstück in der Kapelle vorgestellt. Zum Fest kommen jedes Jahr auch Vertreter der vertriebenen Bewohner der Gemeinde, erzählt der Pfarrer:

„Vorige Woche haben wir mit den früheren deutschen Bewohnern vereinbart, dass wir gemeinsam mit der Stadt Hartmanice darüber beraten werden, wie der Altarstein in der Kapelle installiert wird. Die Kapelle gehört der Stadt, sie wurde aber aus Spenden der früheren Böhmerwald-Bewohner finanziert. Mit dem in Deutschland lebenden Architekten der Kapelle möchten wir Einzelheiten besprechen. Das Originalstück soll in den Altar der Kapelle gelegt werden. Es würde damit ein noch würdigerer Ort entstehen, wo wir mit den früheren Bewohnern der Gemeinde zusammentreffen können.“

Denkmal für US-amerikanische Soldaten  (Foto: Martina Schneibergová)
An ein anderes trauriges Ereignis aus der Geschichte von Zhůří erinnert seit 2005 ein US-amerikanisches Soldatendenkmal, das in der Nähe der Kapelle steht. Am 5. Mai 1945 kam es an diesem Ort zu einer der letzten Kampfhandlungen des Zweiten Weltkriegs. Nahe der Gemeinde gab es damals eine SS-Unteroffizierschule. Der Befehlshaber machte sich zu Nutze, dass die Bevölkerung sich schon über das bevorstehende Kriegsende und den Einmarsch der US-Armee freute. Er ließ an den Häusern weiße Fahnen anbringen und stellte dort zwei vorher erbeutete US-Geländewagen auf. Damit lockte er einen Vortrupp der US-Armee in eine tödliche Falle. Sie glaubten, dass der Ort bereits unter der Kontrolle der US-Soldaten stünde. Seit etwa fünf Jahren steht zwischen dem Denkmal für die Gefallenen dieser Kämpfe und der Kapelle ein Versöhnungskreuz.

Der Ort ist nur zu Fuß oder mit dem Rad zu erreichen. Vom nächsten Parkplatz im Nationalpark ist er etwa zwei Kilometer entfernt.

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